FRAUENRECHTE IM IRAN

Welche Rechte Frauen und Mädchen im Iran haben – vor allem welche Rechte ihnen weiterhin verweigert werden – darüber entscheiden in der Islamischen Republik Iran ausschließlich Männer. Männer, oft islamische Geistliche, besetzen die zentralen Stellen der Macht. Bild: Iranische Menschenrechtsaktivistin vor dem iranischen Generalkonsulat in Frankfurt.

Shirin Ebadi, iranische Frauenrechtlerin der ersten Stunde im Interview mit der IGFM.


Interview über Frauenrechte im Iran

Interview über Menschenrechte im Iran

Die Rechte von Frauen – reine Männersache

Frauen sind durch das im Iran angewandte islamische Rechtssystem – die Scharia – in fast allen Rechtsbereichen stark benachteiligt und werden systematisch entrechtet. Das ist kein Zufall, Versehen oder einfach „nur“ ein langlebiges Überbleibsel aus der Vormoderne. Es ist das erklärte Ziel der „Väter“ und „Führer“ der Islamischen Republik. Das islamische Recht und die Herrschaft (ausschließlich männlicher) islamischer Geistlicher sind die Fundamente der Islamischen Republik Iran. Das klassische islamische Recht schließt eine Gleichberechtigung kategorisch aus. Das gilt sowohl für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern als auch für die Gleichberechtigung von Muslimen, Nichtmuslimen und Religionslosen.

Die Entstehung und einzelne Aspekte dieser Ungleichbehandlung sind im Folgenden erläutert:

Mit der Islamischen Revolution von 1978/79 und der Installation eines Gottestaates durch Ayatollah Khomeini wurde ein Familienrecht eingeführt, das auf den Vorgaben des islamischen Rechts beruht. Damit einhergehend gab es einschneidende Veränderungen, die vor allem die Rechte von Frauen und Kindern betreffen: Das Recht auf Scheidung und das Sorgerecht geschiedener Frauen für die Kinder wurden eingeschränkt, das Mindestalter für die Verheiratung von Mädchen wurde zunächst auf dreizehn, dann auf neun Jahre herabgesetzt, Polygamie wurde legal, allerdings nur für den männlichen Teil der Gesellschaft (auch bekannt als Polygynie). Das Zeugnis einer Frau vor Gericht ist seitdem nur halb so viel wert wie das eines Mannes, gleiches gilt für die finanzielle Entschädigung im Falle eines Unfalls mit tödlichem Ausgang: die Hinterbliebenen einer Frau erhalten als Entschädigung nur die Hälfte dessen, was sie für ein verstorbenes männliches Familienmitglied bekommen würden. Nach der Machtübernahme machte Ayatollah Khomeini am 8. März 1979, dem Internationalen Frauentag, die Verhüllung der Frauen unter dem Tschador zum Gesetz.

Die Scharia wird in der islamischen Theologie als vollkommene Ordnung Gottes verstanden, die Frieden und Gerechtigkeit schafft. Die Scharia ist die Gesamtheit des islamischen Gesetzes, wie es im Koran, in der islamischen Überlieferung und in den Auslegungen maßgeblicher Theologen und Juristen vor allem der frühislamischen Zeit niedergelegt wurde. Das Ehe- und Familienrecht gilt als Kern der islamischen Gesetze, der Scharia, und ist mit wenigen Ausnahmen heute in allen islamischen Ländern eine wesentliche, teilweise auch einzige Grundlage des Personenstandsrechts und damit der Rechtsprechung in Zivilprozessen.

Eine säkulare, von religiösen Normen abgekoppelte Rechtsprechung in Ehe- und Familienangelegenheiten existiert in der islamischen Welt also nicht. Aufgrund der Tatsache, dass in den islamischen Kernländern keine Aufklärung im europäischen Sinn stattgefunden hat und keine von religiösen oder staatlichen Lehrinstitutionen formulierte Religionskritik existiert, werden im Hinblick auf die Scharia zwar viele Auslegungsfragen diskutiert, die Gültigkeit dieses nach muslimischer Auffassung ewigen, göttlichen Gesetzes an sich wird aber nicht hinterfragt. Im Gegenteil, in der Gegenwart, in der in vielen Ländern eine voranschreitende Islamisierung stattfindet, werden bestehende Gesetze wieder vermehrt an der Scharia ausgerichtet.

Mehr Informationen zu Frauen unter der Scharia

Tatsächliche Stellung der Frau in der Gesellschaft

Die Islamisierung hatte im Iran eine massive rechtliche Benachteiligung der Frauen und Separierung der Geschlechter zur Folge. Trotz der rechtlichen Ungleichbehandlung ist der Iran ein Land, in dem Frauen ihren Platz in der Gesellschaft verteidigen. Zwei Drittel aller Studierenden im Land sind weiblich und die Frauen haben in der Islamischen Republik ein Drittel aller akademischen Doktorgrade inne. Sie arbeiten als Fotografinnen, als Journalistinnen und machen Filme. Im literarischen Bereich erobern auch Frauen die Bestsellerlisten, inzwischen hat der Iran auch über 300 Verlegerinnen. Frauen machen heute ein Drittel aller Arbeitskräfte im Land aus. Sie werden Abgeordnete, Ärztinnen, Lehrerinnen, Präsidentenberaterinnen, Bürgermeisterinnen, Polizistinnen und sogar Taxifahrerinnen.

Frauen sind also auch in die Domäne vieler Männerberufe eingebrochen und haben beispielsweise den Ingenieursberuf ergriffen. Frauen der Oberschicht im Iran sind oft so emanzipiert, dass nichtmuslimische Frauen aus der westlichen Hemisphäre kaum mithalten können. In öffentlichen Ämtern sind Frauen zwar immer noch selten, sie haben aber relativ gute Aufstiegschancen, wenn sie eine abgeschlossene Ausbildung haben und danach einen Beruf ausüben können bzw. dürfen. Durch die rigide Geschlechtertrennung herrscht in vielen islamischen Ländern die „Doppelberufsstrategie“: In bestimmten Berufszweigen wie z.B. im Gesundheitssektor oder im Schulsystem muss jede Sparte doppelt, d.h. von jeweils einem Mann und einer Frau besetzt werden. Muslimische Frauen sind dabei jedoch immer von ihrem männlichen Vormund (meist der Vater oder Ehemann) abhängig, ohne dessen Zustimmung und Unterstützung keine fortschrittliche Entwicklung möglich ist.

Paradoxe Entwicklungen mit krassen Gegensätzen zu der ärmeren und weniger gebildeten Bevölkerungsschicht, die überwiegend in ländlichem Umfeld leben, gibt es auch im Iran. Dort hat sich im Gegensatz zu den Großstädten kaum etwas verändert: Die Macht der Mullahs ist nach wie vor groß und neuere gesetzliche Regelungen dringen, trotz Scharia-Konformität, oft nicht bis dorthin durch.

Die Islamische Republik Iran und die Vereinten Nationen

Der Iran war 1945 eines der 51 Gründungsmitglieder der Vereinten Nationen. Zu dieser Zeit war der Iran noch eine konstitutionelle Monarchie unter der Regentschaft von Schah Mohammad Reza Pahlavi. Sein als „Weiße Revolution“ bekanntes Reformprogramm beinhaltete Pläne über wirtschaftliche und gesellschaftliche Erneuerungen. Dazu gehörten schrittweise Liberalisierungen wie das Frauenwahlrecht. Unter der Herrschaft von Schah Pahlavi ratifizierte der Iran die beiden Schlüsselabkommen für Menschenrechte der UNO, den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (auch bekannt als UN-Zivilpakt und UN-Sozialpakt) vor dem offiziellen Inkrafttreten. Nach der Machtergreifung Khomeinis im Jahr 1979 wurden willkürlich tausende Andersdenkende getötet und die „Islamische Republik Iran“ errichtet. Die neuen Machthaber bekennen sich trotz allem bis heute immer wieder aufs Neue zu den UN-Menschenrechtsverträgen.

Hier finden Sie UN-Konventionen und Pakte zum Schutz des Kindes, sowie über die Rechte von Menschen mit Behinderungen welche der Iran seit 1968 unterschrieben und meist auch ratifiziert hat:

Internationaler Pakt über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte
→ Unterzeichnet; Ratifiziert: 24. Juni 1975

Internationaler Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte
→ Unterzeichnet; Ratifiziert: 24. Juni 1975

Internationale Konvention zur Beseitigung aller Formen von Rassendiskriminierung
→ Unterzeichnet; Ratifiziert: 29. August 1968

Konvention für die Rechte des Kindes
→ Unterzeichnet; Ratifiziert: 13. Juli 1994

Zusatzprotokoll zur Kinderrechtskonvention gegen Kinderhandel, Kinderprostitution und Kinderpornographie
→ Nachträglich ratifiziert: 26. September 2007

Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen
→ Nachträglich ratifiziert: 23. Oktober 2009

Zusatzprotokoll zur Kinderrechtskonvention gegen die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten
→ Unterschrieben: 21. September 2010

Die Unterschrift ist hierbei in erster Linie eine Absichtserklärung, die Ratifikation dagegen bezeichnet das völkerrechtlich bindende Herstellen der Rechtskräftigkeit. Die „Anti-Folter-Konvention“, die „Frauenrechts-Konvention“ und die Konvention zur Abschaffung der Todesstrafe wurden vom Iran weder unterzeichnet noch ratifiziert. Ursprünglich war die „Frauenrechtskonvention“ nach intensiver Diskussion im Jahr 2004 bereits vom iranischen Parlament angenommen worden. Der Islamische Wächterrat verbot sie jedoch umgehend als „unislamisch“. Vertreter der Islamischen Republik nennen die Menschenrechte stets im Zusammenhang mit „islamischen Prinzipien“, welche nach Auffassung der iranischen Regierung über den Menschenrechten stehen. Der Iran versichert, dass diese „islamische Interpretation“ der Menschenrechte dennoch nicht im Konflikt mit ihren internationalen menschenrechtlichen Verpflichtungen stünden. Berichte der Vereinten Nationen zur Menschenrechtslage im Iran belegen allerdings schon lange das Gegenteil: Menschenrechtsverletzungen nehmen nicht ab. Heimlich aufgenommene Bilder, die Steinigungen von gerichtlich verurteilten Ehebrecherinnen zeigen, gingen um die Welt. Die Hinrichtung von Homosexuellen und Prostituierten, Gewalt in Gefängnissen, Gewalt gegen Frauen, Haftstrafen für Oppositionelle sowie tägliche Attacken von sogenannten Apostaten geben keine Hoffnung auf Reformen.

Mehr Informationen zum Iran und der UNO

Hoffnung für die Zukunft?

Im Iran leben nicht nur Anhänger der diktatorisch regierten Islamischen Republik – gerade deshalb braucht die Führung des Regimes neben den regulären Streitkräften und der Polizei als Parallelstrukturen die „Armee der Wächter der Islamischen Revolution“ und die ihnen unterstellte paramilitärische Hilfspolizei und Schlägermiliz, die Basidschi. Gleichzeitig existiert im Iran eine breite, sehr gebildete und liberale bürgerliche Mittelschicht. Doch über Wahlen lässt sich in der Islamischen Republik nur wenig verändern, denn die Verfassung haben sich schiitische Geistliche für ihre eigene Herrschaft auf den Leib geschneidert. Mit dieser Verfassung sitzen die Hardliner am längeren Hebel. Liberale Kandidaten werden zur Wahl gar nicht erst zugelassen, die Medien und die Organe des Staates sind gleichgeschaltet, die Zivilgesellschaft in weiten Teilen zerschlagen, im Exil oder im Gefängnis.

Hoffnungen auf rasche Freiheit und Verbesserungen gibt es daher kaum. Dafür scheint die positive gesellschaftliche Veränderung im Privaten mehr und mehr voran zu schreiten. So scheinen die Frauen – und auch die Männer – der Frauenrechtsbewegung trotz aller Verbote, Repressalien und Verhaftungen ihrem Ziel der Gleichberechtigung doch näher zu kommen. Mühsam, unter der Oberfläche und viel langsamer als erhofft. Zum Ärger des Regimes aber mit scheinbar unaufhaltsamer Beständigkeit.

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