Viele Iraner sind ganz anders, als ihre Regierung es gerne hätte – zum Beispiel sportbegeistert. Nach Ansicht des Regimes wäre es unislamisch, wenn Frauen zu allen Sportveranstaltungen Zutritt hätten – als Zuschauerinnen wohlgemerkt. International beachtet wurde erst der Fall der englisch-iranischen Doppelstaatlerin Ghoncheh Ghavami. Die junge Frau hatte versucht, das Volleyball Länderspiel Iran gegen Italien anzusehen. Dafür wurde sie zuerst drei Monate ohne jede Begründung gefangen gehalten und dann zu einem Jahr Haft und zwei Jahren Reiseverbot verurteilt. Erst nach internationalen Protesten kam sie nach insgesamt über fünf Monaten Haft gegen Kaution auf freien Fuß. Das Foto zeigt Frauen ohne das im Iran per Gesetz erzwungene Kopftuch – denn das Bild wurde in Brasilien aufgenommen. Foto: Javid Nikpour / CC-BY-SA 4.0.

Iran-Quiz – verblüffende Fakten, die Sie (vermutlich) noch nicht wussten

In der Islamischen Republik ist vieles anders, als man denkt. Spielt das eine Rolle? Ja – denn der Iran ist nicht irgendein Land. Die Bedeutung der Islamischen Republik im gesamten Mittleren Osten hat ein ungekanntes Ausmaß erreicht. In vier Hauptstädten der Region gibt die iranische Regierung maßgeblich den Ton mit an. Es sind: Irak, Syrien, Libanon und Jemen. Die Islamische Republik Iran hat in etwa so viele Einwohner wie Deutschland. Doch wie viel wissen Sie über die Islamische Republik Iran? Testen Sie Ihr Wissen:

Der Preis für ein Gläschen Eierlikör im Iran?

a. Der Iran ist ein muslimisches Land. Niemand möchte dort Alkohol trinken!
b. Alle alkoholischen Getränke sind „haram“ (Sünde und verboten), außer, sie sind nach islamischem Recht „rein“. Das gilt aber nur für Arak und Weine aus der iranischen Stadt Schiras, die sind „halal“ (erlaubt).
c. Eierlikör ist im Iran nicht besonders populär, andere alkoholische Getränke dagegen schon. Man kann sie überall kaufen – aber da sie verboten sind, liegen die Preise deutlich über europäischem Niveau.
d. Ein Gläschen Eierlikör kostet 80 Peitschenhiebe (wenn man erwischt wird). Alkohol trinken ist ein sogenanntes hadd-Delikt. Die Strafe ist vom islamischen Recht vorgeschrieben und liegt nicht im Ermessen des Richters. Bei der vierten Wiederholung droht die Hinrichtung.
f. Der Iran hat eigentlich eine entspannte Tradition zum Thema. Der „Goethe Persiens“, der zum Leidwesen der Regierung sehr populäre persische Dichter Hafez (gest. 1390), schrieb u.a.: „Nach dem Freunde sehnt sich jeder, leb‘ er nüchtern, trink‘ er Wein; Liebe haust an jeder Stätte, mag’s Moschee, mag’s Kirche sein. Die Kaba und des Weines Haus, sie gleichen sich gar sehr, denn, wo du hin in beiden blick’st, allüberall ist Er.“

Lösung:

Antworten c – f sind richtig.
Zu d: Artikel 174 des Iranischen Strafrechts schreibt 80 Peitschenhiebe für Alkohol vor, unabhängig von der Menge.
Zu f: Hafez, der auch von Goethe selbst hoch geschätzt wurde, wird im Iran nach wie vor viel gelesen – sehr zum Verdruss der islamischen Geistlichkeit.

Ein Küsschen in Ehren…?

a. Zu Hause heimlich die Freundin in den Arm nehmen oder Küssen ist nicht einfach nur verboten. Dafür drohen 99 Peitschenhiebe.
b. Findet dieses „Verbrechen“ auch noch „vor den Augen der Öffentlichkeit“ (z. B. im Park) statt, drohen weitere 74 Peitschenhiebe.
c. Bis zu vier Ehefrauen gleichzeitig: Das ist im Iran für (muslimische) Männer religiös und rechtlich kein Problem. Frauen haben (natürlich) nicht dasselbe Recht.
d. Muslimische Frauen sind in der Wahl ihres Ehepartners nicht frei. Sie dürfen nur Muslime heiraten – die Mehrheit der männlichen Weltbevölkerung ist für sie verboten.
e. Mit Einwilligung des (in jedem Fall männlichen) Vormunds dürfen Mädchen schon im Alter von neun Jahren verheiratet werden. Das passiert auch tatsächlich, obwohl das durchschnittliche Heiratsalter im Iran weit über 20 Jahren liegt.
f. Im (großen) iranischen Bildungsbürgertum sind Polygamie und Kinderehe verpönt.
g. Viele Iraner haben die Gängelung gründlich satt. Trotz der drohenden drakonischen Strafen sind viele junge Iraner zu Hause auch nicht anders als z.B. in Deutschland.

Lösung:

Alle Antworten sind korrekt, ja, auch a und b!
Immerhin hat es durch die „Reform“ des iranischen Strafrechts im Jahr 2012 eine gewisse Verbesserung gegeben. Inzwischen sind die Peitschenhiebe für „Küsse oder Umarmungen“ nicht mehr bindend auf 99 festgelegt, sondern „nur noch“ die Höchststrafe. Außerdem sind als alternative Haftstrafen eingeführt worden:
Art. 637 (iranisches Strafgesetz): Verhalten sich ein Mann und eine Frau, die nicht miteinander verheiratet sind (…) unzüchtig, wie z. B. durch Küssen oder Umarmungen, so werden sie zu bis zu neunundneunzig Peitschenhieben verurteilt. (…)
Art. 638: Wer vor den Augen der Öffentlichkeit an allgemein zugänglichen Orten eine verbotene Handlung begeht, wird außer mit der Strafe für diese Handlung zu zwei Monaten Haft oder höchstens vierundsiebzig Peitschenhieben verurteilt. Begeht er eine Tat, die an sich nicht strafbar ist, aber gegen das allgemeine Schamgefühl verstößt, wird er nur zu höchstens zwei Tagen bis zwei Monaten Haft oder bis zu vierundsiebzig Peitschenhieben verurteilt.

Blutgeld für Mord – darf’s ein bisschen weniger sein?

Das Vergeltungsrecht ist ein zentraler Bestandteil des islamischen Strafrechts. Wie im Alten Testament („Auge um Auge“) ist der Grundsatz, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Der Geschädigte kann jedoch auf Vergeltung verzichten und stattdessen ein jeweils festgelegtes „Blutgeld“ erhalten.

a. Das Blutgeld für die Tötung eines muslimischen Mannes ist doppelt so hoch wie für die Tötung einer muslimischen Frau.
b. Das Blutgeld für Christen und Juden liegt natürlich immer unter dem von Muslimen.
c. Für Menschen, die „nicht geschützten“ Religionen angehören, fällt weder Blutgeld noch Vergeltung an. Ihre Ermordung bleibt straflos. Dazu gehören u.a. Bahá’í, Buddhisten und natürlich auch Atheisten.
d. Für Menschen, die „getötet werden durften“ (z. B. vom Islam abgefallene), bleibt der Mord ebenfalls straflos.
e. Ein Vater, der seine Tochter oder seinen Sohn umbringt, muss keine Vergeltung, also keine Todesstrafe fürchten. Blutgeld muss er nur zahlen, wenn die Erben des Opfers dies einfordern. In der Praxis bedeutet das in aller Regel komplette Straffreiheit.
f. Akzeptieren die Angehörigen kein Blutgeld, dann wird „Vergeltung“ vollstreckt, bei Mord also die Todesstrafe. Das islamische Recht betrachtet aber das Leben einer Frau für nur halb so viel Wert wie das Leben eines Mannes. Das führt dazu, dass die Hinterbliebenen einer ermordeten Frau vor der Hinrichtung des Mörders erst den „Mehrwert“ des Lebens eines Mannes erstatten müssen. Sie müssen das Blutgeld für das Leben einer Frau an die Familie des Mörders zahlen.

Lösung:

Alle Antworten sind korrekt.
Zu c und d: Zu den „geschützten“ Religionen gehören neben dem Islam nur Judentum, Christentum und Zoroastrismus. Alle, die nicht dazu gehören, haben im Wortsinn keinen „Schutz“. Das iranische Strafrecht verwendet mehrfach den Rechtsbegriff „mahdur ad-dam“. Dieser Begriff aus den klassischen islamischen Rechtswissenschaften bezeichnet eine Person, deren „Blut wertlos ist“ und nach dem iranischen Strafrecht ohne Anklage und Gerichtsverfahren getötet werden darf, ohne dass dem Täter eine Sanktion droht. Das iranische Strafrecht definiert nicht, welche Personengruppe getötet werden „darf“. In der im Iran dominierenden dschaffaritischen Rechtsschule gehören dazu u.a. Menschen, die vom Islam abgefallen sind, Atheisten und Prostituierte. Nach Auffassung maßgeblicher iranischer Rechtsgelehrter gehören alle Menschen dazu, deren Religion „nicht geschützt“ ist.

Terror-Export?

Die iranische Regierung unterstützt in mehreren Ländern schiitische Milizen in großem Umfang mit Waffen, Munition, Ausbildung und sogar personell. Im Irak kommandiert der ranghöchste iranische General sogar deutlich mehr schiitische Milizionäre als die irakische Regierung reguläre Soldaten.

a. Das ist reine Propaganda aus Israel.
b. Das trifft zwar zu, läuft aber unter verschiedenen Mandaten der UN.
c. Das trifft zwar zu, verstößt aber gegen die iranische Verfassung.
d. Das trifft zu – und ist keine Überraschung: Die Verfassung der Islamischen Republik gibt dazu den Auftrag. [S. 12f.]

Lösung:

Antwort d ist richtig.
In der iranischen Verfassung heißt es im Abschnitt „Staatlichkeit im Islam“: „(…) insbesondere gibt die Verfassung den Auftrag (…) mit anderen islamischen Volksbewegungen den Weg zur Schaffung einer einzigen Weltglaubensgemeinschaft zu bahnen (…) und die Fortdauer des Kampfes (…) sicherzustellen.

Wer ist eigentlich das wirkliche Staatsoberhaupt der Islamischen Republik?

a. Der Präsident natürlich.
b. Der „Führer“.
c. Der Oberkommandierende der „Armee der Wächter der Islamischen Revolution“
d. Der entrückte 12. Imam, eine messianische Gestalt, die „baldigst“ kommen möge, um die gesamte Erde dem Islam zu unterwerfen.

Lösung:

Antworten b und d sind richtig.
Nach Artikel 5 der Verfassung der Islamischen Republik ist das eigentliche Staatsoberhaupt der 12. Imam. Ein schiitischer Geistlicher vertritt ihn als „Führer“ in dessen Abwesenheit. Er ist der mit Abstand mächtigste Mann des Iran, die sehr mächtigen „Revolutionsgarden“ stehen ihm nahe.

Die Islamische Republik – ein Folterstaat?

a. Die Verfassung des Iran verbietet Folter.
b. Der Iran hat den wichtigsten Menschenrechtsvertrag der Vereinten Nationen unterschrieben und ratifiziert: Den „Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte“. Darin wird u.a. Folter geächtet. Die iranische Regierung bekennt sich öffentlich zu ihren völkerrechtlich verbindlichen Pflichten.
c. Die Islamische Republik lässt systematisch foltern – und bricht damit die eigene Verfassung.
d. Die Regierung stellt sich auf den Standpunkt, dass Auspeitschung keine Folter sein könne, weil es sich um eine „islamische“ Strafe handle.

Lösung:

Alle Antworten sind korrekt.
Art. 38 der iranischen Verfassung verbietet „jede Art von Folter“. Dem völkerrechtlich bindenden Vertrag ist der Iran während der Herrschaft des Schahs beigetreten, doch die Islamische Republik bekennt sich regelmäßig dazu – und missachtet regelmäßig ihre vertraglichen Verpflichtungen.

Weitere aktuelle Appelle

Das islamische Recht – ein Rechtssystem wie jedes andere?

a. Das islamische Rechtssystem ist bis auf wenige Ausnahmen mit den UN-Standards kompatibel. Das Problem ist, dass die Regierung die eigenen Gesetze missachtet.
b. Manche Bereiche des islamischen Rechts berühren keine Menschenrechtsfragen. Andere stehen in krassem Widerspruch zu UN-Menschenrechtsnormen und Menschenrechtsverträgen des Iran.
c. Auspeitschungen und Amputationen sind Teil des islamischen Rechts. Ebenso die Steinigung und auch die Kreuzigung. Alle diese Strafen sind daher auch Bestandteil des iranischen Strafrechts.

Lösung:

Antworten b und c sind richtig.

Der Iran ist eine „Islamische Republik“. Keine Probleme also für Muslime?

a. Schiiten sind jahrhundertelang von Sunniten unterdrückt und gedemütigt worden. Warum sollte die schiitische iranische Regierung sich gegenüber Sunniten ebenso verwerflich verhalten?
b. Der schiitisch-dschaffaritische Islam („12er Schia“), die Staatsreligion im Iran, ist in sehr vielen Bereichen weitgehend identisch mit den Rechtsschulen des (weltweit gesehen zahlenmäßig dominierenden) sunnitischen Islam – oft ist der schiitische Islam sogar graduell moderater.
c. Sufi, islamische Mystiker, werden von den Behörden vielfach drangsaliert.
d. Im schiitischen Islam gibt es dynamische, reformorientierte Strömungen. Zahlreiche, auch hochrangige und prominente islamische Geistliche sind aus diesem Grund ins Visier der Regierung gekommen, z. B. durch Entzug der Lehrerlaubnis, Verbannung, Hausarrest und sogar Gefängnis.
e. Im Iran lebt eine große Minderheit von mehreren Millionen Sunniten. Trotzdem gibt es in der Hauptstadt Teheran weniger sunnitische Moscheen als Synagogen.

Lösung:

Antworten b – e sind richtig – ja, auch b!
Zu d: Nicht wenige islamische Geistliche lehnen die Herrschaft der Geistlichkeit und damit die Basis der Islamischen Republik ab. Manche sprechen sich sogar für eine Trennung von Staat und Religion aus und bemühen sich um eine Harmonisierung des Islam mit den Menschenrechten. Der berühmteste Regimekritiker war Großayatollah Hossein Ali Montazeri, ein Weggefährte von Revolutionsführer Khomeini. Montazeri war als Nachfolger Khomeinis vorgesehen, fiel wegen seiner Kritik an Menschenrechtsverletzungen in Ungnade und wurde im Hausarrest gefangen gehalten. Er starb im Jahr 2009.
Zu a: Die Unterdrückung durch den sunnitischen Islam, dem weltweit die große Mehrheit aller Muslime angehört, ist tief im kollektiven Bewusstsein der Schiiten präsent. Die iranische Regierung könnte zeigen, dass es auch besser geht. Leider tut sie es nicht…

Prostitution – kein Thema im Iran?

a. Das schiitische Recht erlaubt de facto Prostitution – sie darf nur nicht so heißen und muss in „gottgefälliger“ Form stattfinden.
b. Prostitution kann im Iran mit dem Tod bestraft werden. Das Risiko trägt aber in der Praxis ausschließlich die Frau bzw. das Mädchen.
c. Armutsprostitution ist im Iran ein weit verbreitetes Problem. Natürlich sind die Prostituierten züchtig gekleidet und tragen Kopftuch – sie würden sonst von der Polizei verhaftet.
d. Die iranische Regierung weiß, dass sehr viele Iraner von den herrschenden Zuständen frustriert sind. Sie duldet daher sehr viel Freizügigkeit, solange sie in der Heimlichkeit des Privaten stattfindet und nach Außen eine islamische Fassade gewahrt bleibt.

Lösung:

Alle Antworten sind korrekt.
Der schiitische Islam erlaubt unter Berufung auf das Vorbild des islamischen Propheten Mohamed die sogenannte „Zeitehe“. Sie wird mit dem Segen eines Geistlichen auf eine begrenzte Zeit geschlossen, z. B. für eine Nacht oder für einen Geschlechtsverkehr. Häufiger sind aber „längere“ Zeitehen. Pläne von Geistlichen (die für ihre Tätigkeit natürlich eine Gebühr erheben), ganze Häuser für Zeitehen zur Verfügung zu stellen, wurden fallen gelassen – die Empörung aus der iranischen Bevölkerung war zu groß.

Mehr Infos zur Menschenrechtslage im Iran

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