Achmed O. Barachoew

Trotz wiederholter, gewaltsamer Einschüchterungsversuche nahm Achmed O. Barachoew in den letzten Jahren eine Führungsrolle im Protest gegen die geplante Grenzverschiebung zwischen Inguschetien und Tschetschenien ein. Seit dem 3. April 2019 befindet er sich nun rechtswidrig in Untersuchungshaft. Barachoew wird u.a. „Organisation von Gewalt, die für das Leben oder die Gesundheit von Vertretern der Behörden im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer Amtspflichten gefährlich ist“ vorgeworfen. Er wurde zu 9 Jahren Haft verurteilt.
Mitglied des Inguschischen Komitee seit April 2019 inhaftiert
Achmed Barachoew wurde am 19. April 1954 im kasachischen Exil geboren und zog nach Neu Redant im Bezirk Malgobek, Inguschetien, wo er bis zu seiner Verhaftung lebte. Er ist Mitglied des Inguschischen Komitees für nationale Einheit sowie des Teips-Rates des Ingusch-Volkes.
Sein Vater Osman, ein bekannter muslimischer Theologe, wurde von sowjetischen Behörden verfolgt, überlebte die 1930er Jahre, wurde 1945 nach der Deportation nach Kasachstan verhaftet und zum Tode verurteilt, überlebte jedoch und kehrte 1953 nach Stalins Tod zu seiner Familie zurück. 1957 durfte die Familie in die inguschetische Heimat zurückkehren, jedoch nicht in ihr Heimatdorf Anguscht im Bezirk Prigorodnij, das nun zu Nordossetien gehörte. Sie siedelten sich in Neu Redant im Bezirk Malgobek an.
Mit 16 Jahren begann Achmed ein Studium an der Moskauer Staatsuniversität, musste jedoch wegen einer Anklage (von der er freigesprochen wurde) wechseln. Nach kurzer Zeit an der Universität Nordossetiens und weiteren Studienortswechseln wurde er wegen Teilnahme an einer Demonstration für die Rückgabe des Prigorodnij Bezirks erneut exmatrikuliert und zum Polytechnischen Institut in Alma Ata (Kasachstan) verwiesen.
Mitte der 1980er Jahre kehrte er nach Inguschetien zurück. Während der Perestroika setzte er sich aktiv für die Rückgabe des Bezirks Prigorodnij ein und wurde Assistent des stellvertretenden Volksmajors der UdSSR, Musa Darsigov. Nach längerem Aufenthalt außerhalb Inguschetiens kehrte er 2008 zurück.
Im Februar 2017 organisierte er eine Trauerveranstaltung zum Jahrestag der Deportation der Inguschen, was behördliche Schikanen und sogar einen Brandanschlag auf sein Auto zur Folge hatte. Dennoch beteiligte er sich im Folgejahr führend an Protesten gegen die inguschetische Landübergabe an Tschetschenien.
Festnahme und Verurteilung
Am 27. März 2019 wurde in Magas eine Kundgebung gegen die Änderung der Verwaltungsgrenze zu Tschetschenien aufgelöst. Es war der Beginn der Repressionen gegen die inguschische Opposition. Infolgedessen wurden Verwaltungsverfahren gegen Hunderte von Teilnehmern des Volksprotests eingeleitet und Strafverfahren gegen Dutzende eingeleitet, so auch gegen Achmed Barachoew. Er wurde nach Artikel 33, Absatz 3 und Artikel 318, Absatz 3 des Strafgesetzbuches der Russischen Föderation/StGB RF („Organisation von Gewalt, die für das Leben oder die Gesundheit von Vertretern der Behörden im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer Amtspflichten gefährlich ist“, bis zu 10 Jahren Gefängnis), sowie Artikel 282.1, Absatz 2 StGB RF („Teilnahme an einer extremistischen Gemeinschaft“, bis zu 6 Jahre Haft) angeklagt. Am 15. Januar 2020 kam die Anklage nach Artikel 239, Absatz 3 StGB RF („Teilnahme an einer gemeinnützigen Organisation, deren Aktivitäten mit dem Anreiz der Bürger verbunden sind, sich zu weigern, ihre zivilrechtlichen Pflichten zu erfüllen oder andere illegale Handlungen zu begehen“, bis zu 2 Jahre in Gefängnis) hinzu.
Seit dem 3. April 2019 befindet sich Achmed Barachoew in Untersuchungshaft. In den ersten Tagen seiner Inhaftierung beging Barachoew einen zehntägigen Hungerstreik mit der Forderung, die Rechte der Angeklagten zu respektieren. Am 25. April wurde er ohne Anwälte und Verwandte zu benachrichtigen in die Republik Nordossetien-Alanien in das Untersuchungsgefängnis Nr. 6. Wladikawkas verlegt.
2019 beantragte Barachoews Verteidigung die Absetzung des Richters aufgrund der Voreingenommenheit gegenüber dem Angeklagten, was jedoch abgelehnt wurde. Das Gericht von Naltschik hatte die Haft des älteren Inguschen Achmed Barachoew um 3,5 Monate verlängert und ließ Achmed bis zum 25. September 2019 in Haft. Nur seine Ehefrau durfte bei der Sitzung anwesend sein, und der Richter ließ die beiden Schwestern und den Bruder von Achmed nicht in den Gerichtssaal, da er sich auf eine Bescheinigung „über mögliche Unruhen“ berief, so Fatima Urusova, eine Anwältin.
Im Dezember 2021 verurteilte das Stadtgericht Kislowodsk bei einer Besuchssitzung in Yessentuki die Angeklagten im „Inguschen-Fall“ zu Haftstrafen von 7,5 bis 9 Jahren, Achmed Barachoew zu 9 Jahren. Sie wurden für schuldig befunden, Gewalt gegen Behördenvertreter angewendet zu haben (Artikel 318 des Strafgesetzbuches), eine extremistische Gemeinschaft gegründet zu haben (Artikel 282 Absatz 1 des Strafgesetzbuches) und sich an ihr beteiligt zu haben.
Am 28. Juli 2023 bestätigte das Bezirksgericht Stawropol in Pjatigorsk das Urteil im „Fall Inguschen“. Die Verteidigung wies nach, dass die Angeklagten wegen ihrer Popularität und Autorität in der inguschischen Gesellschaft verfolgt wurden. Das Berufungsgericht ignorierte die Argumente der Verteidigung und verschärfte sogar die Strafe bezüglich der Freiheitsbeschränkung nach Haftverbüßung, indem es die Bewegungsgrenzen von „am Aufenthaltsort“ auf „innerhalb des Stadtbezirks“ änderte.
Im Januar 2024 legte die Verteidigung Beschwerde gegen die Berufungsentscheidung ein und beanstandete Fehler im Sitzungsprotokoll. Am 7. Juni 2024 zog Richter Timur Kouaje die Kassationsbeschwerde zurück und verwies den Fall an die Berufungsinstanz. Am 21. Juni 2024 prüfte das Fünfte Kassationsgericht in Pjatigorsk die Kassationsbeschwerde gegen die Verurteilung der sieben inguschischen politischen Gefangenen im dritten Versuch und ließ sie unverändert.
Stand: März 2025


