Ägyptens Kopten – trotz Benachteiligung auf Seiten Al-Sisis

Gedanken anlässlich der Präsidentschaftswahlen in Ägypten Ende März 2018

Prof. Fouad Ibrahim ist emeritierter Geographieprofessor der Universität Bayreuth. Er setzt sich seit Jahren für die Gleichberechtigung der ägyptischen Kopten ein.

Von Prof. Fouad Ibrahim

Die ganz überwiegende Mehrheit der Kopten wird bei den Präsidentschaftswahlen in Ägypten Ende März 2018 für den jetzigen Amtsinhaber Al-Sisi stimmen. Genauso taten sie es auch bei den Wahlen vor vier Jahren. Für sie ist Al-Sisi der nationale Held, der sie von der Schreckensherrschaft der Muslimbrüder befreite. Sie sind sich sicher, dass die Islamisten unweigerlich wieder an die Macht kommen werden, sollte Al-Sisi die Wahl verlieren. Eine andere Alternative ist nicht in Sicht.

Die Kopten sind die indigene Bevölkerung Ägyptens. Dennoch führen sie ein Leben als Bürger 2. Klasse. Wichtige Menschenrechte werden ihnen verweigert. Wenn sie ihre ganze Hoffnung auf Al-Sisi setzen, so verbinden sie damit einige Bitten an ihn:

1) Existenziell wichtig ist für sie die Streichung des Artikels 2 aus der ägyptischen Verfassung. Er lautet:
„Die Grundsätze der islamischen Scharia sind die Hauptquelle der Legislative.“ Die Richter sind verpflichtet, sie anzuwenden.
Dieser Artikel steht im klaren Widerspruch zu Artikel 53 der gleichen Verfassung, welcher lautet:
„Alle Bürger sind vor dem Gesetz gleich (…) und dürfen aufgrund ihrer Religion nicht benachteiligt werden.“
Artikel 53 ist praktisch eine Farce. Die versprochene Gleichheit vor dem Gesetz gilt laut der Verfassung nicht für Andersgläubige.

2) Die Kopten fordern zudem die Beendigung ihrer Diskriminierung im Staatsapparat. Derzeit sind sie von allen Schlüsselpositionen im Lande ausgeschlossen. Unter den 33 Ministern im ägyptischen Kabinett gibt es lediglich eine einzige koptische Ministerin – und die in einem unbedeutenden Ministerium, dem Staatsministerium für Auswanderung. Unter den 27 Gouverneuren und rund 30 Universitätspräsidenten befindet sich kein einziger Kopte. Gleiches gilt auch für alle wichtigen Positionen beim Militär, bei der Polizei und der Justiz. Diese Benachteiligung hat weitreichende Konsequenzen auf den verschiedensten Ebenen.

3) Die Kopten verlangen auch die Veröffentlichung des korrekten Anteils der Christen an der ägyptischen Bevölkerung. Seit Jahrzehnten gibt der Staat einen niedrigen Anteil der Kopten von 5 bis 6 % an. Als Folge werden ihre Bürgerrechte untergraben. Die koptische Kirche gibt die Anzahl ihrer Mitglieder mit 15 % der im Lande lebenden Ägypter an, d.h. 14,2 Millionen bei einer Gesamtbevölkerung von 94,8 Millionen in 2017.

4) Die Kopten fordern ebenso eine Beendigung der Hetzkampagnen in Schulbüchern und durch Prediger. Der Hass gegenüber der christlichen Minderheit wird fortwährend genährt durch das Fernsehen, die Schulbücher und Predigten in Moscheen. Die menschenverachtende Islamistische Ideologie wird nicht nur Erwachsenen, sondern auch bereits Kindern eingeimpft. Sie ist der Nährboden für die Gewalt gegen Kopten. Der Staat ist in der Verantwortung, sie zu unterbinden.

5) Die Kopten fordern zudem die Angleichung der Bauverordnungen und Genehmigungsverfahren von Kirchen und Moscheen. Das Kirchenbaugesetz enthält zahlreiche Einschränkungen, während der Moscheebau keinerlei Vorgaben unterliegt. Seit Jahren liegen den Behörden über 3500 Anträge bereits bestehender Kirchen auf Anerkennung bzw. Wiederöffnung vor. Vor wenigen Tagen genehmigte das Kabinett die Wiederöffnung von 53 koptischen Kirchen – verhängte allerdings eine Reihe schwer erfüllbarer Auflagen dazu. Dennoch betrachten die Kopten diese Entscheidung als wohlwollendes Geschenk ihres Präsidenten.

6) Besonders dringlich fordern die Kopten ihren Schutz durch den Staat vor den ständigen Angriffen der Islamisten. In nur 12 Monaten wurden jüngst mindestens 117 Kopten bei Anschlägen gegen Kirchenbesucher ermordet: 30 in Kairo im Dezember 2016, acht im Nordsinai im Februar 2017, 40 in Tanta und Alexandria im April 2017, 30 beim Samuelskloster nahe El-Minya im Mai 2017 sowie neun in Helwan im Dezember 2017. Hinzu kamen Morde an Einzelpersonen, wie z. B. dem Erzpiester Samaan im Oktober 2017.

7) Die Kopten bitten ebenfalls um Schutz vor diskriminierender Willkür. Diese geht oft von den lokalen Behörden aus, die von Muslimbrüdern und Salafisten unterlaufen sind. Sie erschweren die Vergabe von Baugenehmigungen für kirchliche Einrichtungen – nicht nur für Kirchen, sondern auch für Kindergärten, Krankenhäuser oder ähnliches. Sie verhindern im Falle von gewalttätigen Angriffen gegen Kopten bzw. ihr Hab und Gut, dass diese zur Anzeige gebracht werden. Sollten dennoch Anzeigen aufgenommen werden, so werden sie oft nicht an die zuständigen Gerichte, sondern an die inoffiziellen islamischen Schlichtungsversammlungen verwiesen, die in der Regel durch salafistische Imame geleitet werden. Meist setzen diese die koptischen Kläger so lange unter Druck, bis sie ihre Anzeige zurückziehen.

Die Präsidentschaftswahlen werden über die Geschicke des Landes in den kommenden vier Jahren entscheiden. Nur wenn eine große Mehrheit der Bürger sich daran beteiligt, wird man von einem demokratischen Ergebnis sprechen können. Experten gehen davon aus, dass es eine über 4 Mio. Personen umfassende Gruppe von Menschen in Ägypten gibt, die kein Wahlrecht ausüben können. Es handelt sich dabei um Personen, die keine oder keine gültigen Personalausweise besitzen. Meist sind es arme Frauen und Männer in ländlichen Gebieten, oft Analphabeten, die nicht über die Fähigkeit und die finanziellen Mittel verfügen, um sich mit den Behörden auseinander zu setzen. So sind sie nicht in der Lage, ihre Rechte als Bürger des Staates wahr zu nehmen.

Appell

Die Kopten appellieren eindringlich an die westlichen Länder, sie mögen ihre guten Beziehungen zur ägyptischen Regierung nutzen, um auf eine Lösung der genannten Probleme hin zu wirken und sich insbesondere für eine Gewährleistung der Religionsfreiheit einzusetzen. Sie wünschen sehr, dass bei der Vergabe von Aufenthaltsgenehmigungen der prekären Lage vieler koptischer Geflüchteter in ihrer Heimat Rechnung getragen wird. Derzeit ist es so, dass z. B. Muslimbrüder, die offiziell durch den ägyptischen Staat verfolgt werden, bei uns leicht ein Bleiberecht erhalten, während es Christen verwehrt wird.

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