FÜR DIE MENSCHENRECHTE – Mitteilungen an Freunde und Förderer, Nr. 9 – Oktober 2025

Russland – Kein Recht für Putins Kritiker und ihre Familien

Von März 2021 bis Juli 2022 vertrat Aleksej Lipzer als einer von vier Verteidigern den am 16. Februar 2024 verstorbenen Oppositionellen Alexei Nawalny vor Gericht. Am 13. Oktober 2023 ordnete ein Moskauer Bezirksgericht für Lipzer und seine Anwaltskollegen wegen „Teilnahme an Aktivitäten einer extremistischen Vereinigung“ Untersuchungshaft an. Indem alle Aktivitäten Nawalnys als extremistisch und nach dem ‚Gesetz über ausländische Agenten‘ als verboten eingestuft wurden, wird auch sein Rechtsbeistand als extremistisch verfolgt. Am 17. Januar 2025 wurde Lipzer zu einer Gefängnisstrafe von fünf Jahren verurteilt und sitzt seitdem in der Untersuchungshaftanstalt Nr. 1 in Wladimir in der Region Zentralrussland.

Dieses Urteil ist das Signal an alle Anwälte, dass es zunehmend schwieriger wird, Menschen zu schützen, die in Russland aus politischen Gründen verfolgt werden. „Durch den Druck auf die Menschenrechtsverteidiger besteht die Gefahr, dass das wenige, das von der Rechtsstaatlichkeit übriggeblieben ist, zerstört wird. Anwälte sollten für ihre Arbeit nicht strafrechtlich verfolgt werden“, kommentiert Lew Ponomarjow, Mitgründer der russischen Menschenrechtsorganisation „Memorial“ – er ist der Großvater von Aleksej Lipzer – das Urteil in einem Schreiben an die IGFM.

Am 6. September 2025 verstarb Lipzers Mutter, selbst eine renommierte Anwältin, nach langer Krankheit. Die Redaktion der Nowaja Gaseta hatte daraufhin einen Aufruf veröffentlicht, dem in Untersuchungshaft befindlichen Anwalt Aleksej Lipzer zu erlauben, sich von seiner Mutter zu verabschieden. Die IGFM hatte diesen Appell unterstützt. Doch das Gericht reagierte mit dem formalen Bescheid: Da das Urteil gegen Lipzer angefochten wurde und somit noch nicht rechtskräftig ist, findet die Vorschrift, Personen aus dem Strafvollzug wegen außergewöhnlichen persönlichen Umständen Freigang zu gewähren, auf ihn keine Anwendung.

Lipzers junge Familie ist nach Sperrung seiner Bankkonten mittellos. Selbst die Reisekosten für den Besuch der 200 Kilometer entfernt liegenden Haftanstalt kann sie aus eigenen Mitteln nicht mehr bestreiten. Wegen des Verbots der direkten Unterstützung aus dem Ausland gehen wir Umwege über Freunde in Russlands Nachbarstaaten. Die IGFM-Hilfe für politische Gefangene in Russland umfasst sowohl die Beihilfe für Rechtsanwaltshonorare, den Kauf notwendiger Medikamente, die Bezahlung von Reisekosten zum Besuch der Gefangenen als auch die Finanzierung der Öffentlichkeitsarbeit, damit die politischen Gefangenen nicht in Vergessenheit geraten. Bitte helfen Sie uns dabei.

Dieser Artikel wurde publiziert in der  Oktober 2025-Ausgabe der Zeitschrift ‚Für die Menschenrechte‘

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