Statements von Medhat Klada und Hosny Bebawy zum Pressegespräch Ägypten

 

Die nachfolgenden Statements von Medhat Klada und Hosny Bebawy beziehen sich auf das Pressegespräch der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA) und der IGFM in Berlin vom 17. Oktober 2018. Die Statements geben die persönliche Meinung von Medhat Klada und Hosny Bebawy wieder.

Medhat Klada, der Präsident der Europäischen Union koptischer Menschenrechtsorganisationen (EUCHOR) (2.v.r.) und der koptische Aktivist und Vorsitzender der Koptischen Union, Hosny Bebawy (r.), schildern die aktuelle Situation der Kopten in Ägypten. (Foto: Michael Leh)

Medhat Klada: Die Diskriminierung und Verfolgung von Kopten und der ägyptische Staat

Medhat Klada ist koptischer-orthodoxer Christ und Menschenrechtsaktivist. Er ist Präsident der “European Union of Coptic Organizations” und lebt seit 1993 in der Schweiz. Klada schreibt regelmäßig in diversen Zeitungen und Zeitschriften auf Arabisch und Deutsch.

Die Kopten sind ein Kulturvolk und zählen wie die Nubier zu den Ureinwohnern Ägyptens. Sie sind die größte christliche Minderheit des Nahen Ostens. Die 20 bis 23 Millionen Kopten stellen knapp ein Viertel der 104,2 Millionen Einwohner Ägyptens (Gemäß Zählung am 30. September 2018 ). Trotzdem stuft die ägyptische Regierung ihren Anteil auf nur 10 – 15 Prozent der Bevölkerung herab und schafft damit die Grundlage für die Diskriminierung der Kopten in Staat und Gesellschaft.  Die aktuelle Statistik der akribisch geführten Taufregister der Koptisch-orthodoxen Kirche widerspricht dieser falschen Darstellung eindeutig!

Während der sogenannten „Widerstands-Revolution“ am 30. Juni 2013, geführt durch den jetzigen Präsidenten al-Sisi gegen das Regime von Muhammed Mursi und seine radikale „Muslimbruderschaft“ unterstützten die Kopten die Revolution und nahmen an den friedlichen Demonstrationen teil. Sie erhofften sich, Ägypten werde sich zu einem zivilen Staat entwickeln, in dem alle Bürger, ungeachtet ihrer Religion, gleiche Rechte genießen. Die Kopten, als Kirche und Bevölkerung, zahlten dafür einen hohen Preis und wurden erst recht zur Zielscheibe der radikalen Muslime.

Die neue Regierung unter General al-Sisi fiel in die Arme der saudisch-finanzierten und infiltrierten Salafisten. Die radikalen wahhabitischen Salafisten dominieren seither die Entscheidungen der Regierung. Als Beispiel für diese Sonderstellung durfte die salafistische Partei, al-Noor, in den letzten Parlamentswahlen von 2017 ihre Kandidaten für das ägyptische Parlament nennen und für diese im Namen der Partei Werbung machen. Dies, obwohl die ägyptische Verfassung, gemäss Artikel 54 politische Parteien auf religiöser Basis verbietet. Die Regierung hat hier beide Augen zugedrückt! Für die koptische Bevölkerung brachte der Sturz der Muslimbruderschaft keinerlei Verbesserung.

 

1. Diskriminierung und Verfolgung der Kopten vor der Ära al-Sisi
1.1 Die gesetzliche Verfolgung seit Gründung der Republik im Jahr 1952

 Drei Beispiele:

– Sämtliche Beglaubigungen und Zertifikate, die durch die ägyptischen Behörden ausgestellt werden, kosten Gebühren. Einzige Ausnahme ist die behördliche Bestätigung, dass eine Person zum Islam konvertiert ist.
– Wer den Koran oder einen Teil davon auswendig lernt, wird während der obligatorischen Militärpflicht als „Akademiker“ behandelt –  die Militärpflicht wird um die Hälfte verkürzt.
– Moscheen werden von der Liegenschafts-Steuer befreit. Kirchen hingegen müssen diese Zahlen.

 

1.2 Das ungeschriebene Gesetz der Verfolgung

Die Alltags-Praxis in den Staatsinstitutionen widerspiegelt die gleiche diskriminierende Einstellung gegenüber Christen.

– Kopten sind für Stellen beim Nachrichtendienst „Nicht erwünscht“. Sie haben dort „nichts zu suchen!“
– Kopten werden in höheren Kaderpositionen bei der Polizei nicht beschäftigt.
– Kopten werden als Gynäkologen nicht zugelassen.
– Es ist verboten, eine christliche Person als Dekan einer Universität oder einer Fakultät zu ernennen.

 

2. Verfolgung unter Präsidenten al-Sisi

Die Liste der amtlich geschlossenen Kirchen seit der Era von Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi ist sehr lang. Allein im Bistum Armant und Esna in der Nähe von Luxor wurden seit 2013 acht Kirchen geschlossen und sämtliche liturgischen Aktivitäten verboten.

Liste der geschlossenen Kirchen:
– Hl. Georg in Komer
– Hl. Karas in Hulaila
– Hl. Uannes in Ghuraira
– Hl. Abu-Sefän in Dukaira
– Hl. Muttergottes in Asfon
– Hl. Muttergottes und die Heiligen in Kamman
– St. Michael in Ezbet Gad, in Arment
– Hl. Muttergottes und Hl. Mehrael in Zunik

Den Schließungen gingen gewaltsame Proteste von Islamisten voraus. In der Regel wurden die Proteste von Gewalt gegen christliche Einwohner begleitet. Die Polizei hat entweder auf die erwarteten Bedrohungen gar nicht reagiert und ist Stunden später erschienen, oder sie war zugegen schaute aber nur zu. Die übliche Reaktion war die Verhaften von Kopten mit der Beschuldigung, Muslime provoziert zu haben.

In Beni-Menin, einem Dorf im Provinz von Beni Suef haben Islamisten am Samstag, dem 14. April 2018 die koptischen Einwohner, sowie ein Kirchengebäude angegriffen. Der Pöbel ging mit Stöcken, Ziegeln und Steinen gegen das Kirchengebäude, wie auch gegen Häuser der Christen vor. Als Begründung gaben sie an, die Kirche verunreinige ihr Dorf! Die Polizei bediente sich der gleichen Methode, wie oben erwähnt und verhaftete Kopten!

Ähnliches traf vor wenigen Wochen, am 31. August 2018, auch die Kopten des Dorfs Damschao Hashim, Minya-Provinz. Häuser der Christen wurden ausgeraubt und niedergebrannt.  Die Angreifer bedienten sich an Geld, Gold, und Haushaltapparaten aus den zerstörten Häusern der Kopten. Bei diesen Raubzügen wurden zwei Kopten und ein Feuerwehrmann verletzt. Der Vorwurf der Islamisten gegen die Opfer war das Gebet! Allein, das gemeinschaftliche Gebet der Christen reicht als Begründung für die Ausschreitungen durch fanatische Muslime. Diesmal verhaftete die Polizei 38 Muslimen, davon sind 19 noch in der Untersuchungshaft. Die Anderen sind frei.

Zu Dutzenden wurden Kirchen, meistens in der Provinz von Minya, der Hochburg der Islamisten in Oberägypten auf gleiche Weise demoliert, niedergebrannt und zugeschlossen. Die Angriffe erfolgten in der Regel im Anschluss an das Freitagsgebet in den Moscheen und wurden immer von körperlicher Gewalt gegen Christen begleitet. Leider geschah dies auch unter Aufsicht und unter Präsenz der Polizei! Wie zum Beispiel am 6. Juli 2018, natürlich ein Freitag(!), in Ezbet Sultan in Minya

Bis heute wurden in Ägypten 251 Kirchen auf Befehl der Polizei „zum Schutz der sozialen Sicherheit“ geschlossen. 52 Kirchen wurden allein in der Islamistenhochburg, der Provinz Minya zwangsgeschlossen.

Statt die Verantwortlichen in die Pflicht zu nehmen, versuchen die Behörden das Gesetz zu umgehen und eine „friedliche Versöhnung“ zu erzwingen. Die Polizei bedient sich dabei einer höchst fragwürdigen Methode: Einige Christen werden kurzerhand wegen angeblicher Provokation verhaftet. Somit gibt es Beschuldigte auf beiden Seiten.

 


2.1 Entführung der koptischen Mädchen und Frauen

Dutzende von koptischen Mädchen und Frauen werden jährlich entführt und zwangsislamisiert. Darunter gibt es viele Minderjährige. Die Polizei und die anderen Behörden helfen den Tätern.

Einige Beispiele:

·        Marina Nashat, 17, wurde am 8. März 2018 in Suhag, entführt und zwangsislamisiert.

·        Miray Girgis, 20, aus Suhag, wurde am April 2018 auf dem Weg zu ihrer Universität entführt und zwangsislamisiert.

·        Amira Hafiz, 15, wurde in Luxor am 25. März 2017 entführt zwangsislamisiert und zwangsverheiratet zu einem Muslim

Diese und andere Tragödien finden immer wieder in Ägypten statt. Die freie Welt sollte Druck auf das ägyptische Regime für eine humane Behandlung der ägyptischen Christen ausüben.

 

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Hosny Bebawy: Die Diskriminierung der Minderheiten in Ägypten

Mein Name ist Hosny Bebawy. Ich bin der Vorsitzende des koptisch-europäischen Vereins in Österreich. Ich bin heute hierhergekommen, um zu erklären, warum die Minderheiten in Ägypten leiden. Mit Minderheiten meine ich Christen, Schiiten, Baha‘i, Nubier und religionsfreie Menschen. Die Diskriminierung über die ich berichten möchte findet auf zwei verschiedenen Wegen statt. Der erste Weg ist die Diskriminierung von Seiten der Al Ashar Universität in Kairo. Der zweite Weg ist die Diskriminierung von Seiten des Staates Ägypten. Ich gebe zwei Beispiele der Diskriminierung von Seiten der als „wissenschaftlich“ geltenden Al Ashar Universität, um das Problem zu verdeutlichen.

1. Buch der Minderheitsgesetze: Geschrieben von Al Jusi (1292-1349). Darin geht es um die Verfälschung der Religion.  Es heißt, Christen, Juden … seien Ungläubige und müssen getötet werde. Geschrieben wurde es von Al Jusi im 13. Jahrhundert.  In diesem Buch werden die Verpflichtungen der Minderheiten genau aufgelistet. Darin heißt es: Christen, Juden und alle Nicht-Muslime sollen etwa Glocken um den Hals tragen, wenn sie Toiletten aufsuchen, um den Muslimen zu zeigen, dass hier eine unreine Person ist/war (Seite 524). Minderheiten dürfen auch keine gelbe oder blaue Kleidung tragen, denn diese zwei Farben haben Mohammed und seine Anhänger getragen. Auch wenn diese Kleidungsvorschriften nicht praktiziert werden und nicht dem Straßenbild entsprechen, deuten sie dennoch auf eine Herabstufung der Minderheiten hin.

2. Das Zweite Buch ist ein muslimisch-religiöses Buch, das alle Ägyptischen Kinder in der Schule lesen müssen. In der 6. Klasse, also mit 12 Jahren, gehört dieses Buch zur Pflichtlektüre in der Schule. Dieses Buch ist das Sachbuch für den Religionsunterricht. Publiziert wurde es von der Al Ashar Universität. Darin beschrieben ist vor allem die Überlegenheit der muslimischen Religion. Alle anderen Religionen und deren Anhänger wären vom Glauben abgefallen und somit von Gottes Segen ausgeschlossen. Bei manchen muslimischen Gesetzen, in welchen beschrieben wird, dass Nicht-Muslime aus Gottes Segen ausgeschlossen sind und sie auf der niedrigsten und tiefsten Stelle in der Hölle stehen, ist es auch erlaubt die „Ungläubigen“ zu töten.

 

Die Diskriminierung auf staatlicher Ebene

Der zweite Paragraph der ägyptischen Verfassung beschreibt Ägypten als ein muslimisches Land und dass sich alle Gesetze von der Scharia ableiten sollen. Im Gegensatz zu den europäischen Staaten und allgemein allen Demokratien gibt es hier keine Trennung von Kirche und Staat. Die muslimischen Religionen sind untrennbar mit dem ägyptischen Staat verbunden.

Die Scharia benachteiligt Minderheiten genauso wie etwa muslimische Frauen. Vor Gericht etwa hat die Aussage eines Angehörigen einer Minderheit weniger Gewicht als die Aussage eines Muslims. Ach die Aussage einer Frau ist nur halb so viel wert, wie die Aussage eines Mannes.

Menschen die sich kritisch gegen die Regierung, den Präsidenten oder das Staatssystem äußern werden gekidnappt und verschwinden. Manche mehrere Tage lang und andere für immer. Dr. Sharif Hafez ist zum Beispiel seit Juni verschwunden. Er kritisierte die Regierung auf Facebook.

 

Anmerkung: Aussagen von Referenten müssen nicht unbedingt in allen Punkten die Meinung der IGFM widerspiegeln.

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