Symbolismus kann Menschenrechte nicht ersetzen

Martin Lessenthin, Vorstandssprecher der IGFM.

Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi hat am 6. Januar 2019 die größte christliche Kirche im Nahen Osten eingeweiht. Die vom ägyptischen Staat finanzierte „Kathedrale der Geburt Christi“ wurde in der neuen Verwaltungshauptstadt Ägyptens 45 Kilometer östlich von Kairo errichtet. Kopten-Papst Tawadros II. sieht in der Eröffnung einen „in der Geschichte beispiellosen“ Vorgang. Präsident al-Sisi betonte, dass Christen ebenso wie Muslime zur nationalen Einheit Ägyptens gehören.
Tatsächlich hat sich unter dem ehemaligen Marschall al-Sisi das Verhältnis zwischen den staatlichen Behörden und der koptisch-orthodoxen Kirche erheblich verbessert. Die neue Kathedrale ist ein erfreuliches Symbol für den Wunsch al-Sisis, den Ägyptern und der Welt seine Toleranz und seine Loyalität gegenüber der christlichen Minderheit am Nil darzustellen. Sie ist aber kein Ersatz für hunderte Kirchen in Ägypten, die der Staat „aus Gründen der sozialen Sicherheit“ geschlossen hält. Denn der ägyptische Staat kann seine christlichen Staatsbürger nicht vor muslimischen Gewalttätern schützen. Aus Angst vor islamistischen Anschlägen kann das religiöse Leben der Christen daher in so vielen ihrer Gebetsstätten nicht stattfinden.

Islamisten terrorisieren Christen und wollen den ägyptischen Staat treffen

Für den islamistischen Terror sind die Kopten und ihre Kirchen ein „weiches“ Ziel. 2016 beim großen Anschlag auf die Kirche „Peter und Paul“ 2016 in Kairo wurden 27 Christen getötet. Seither wurden zahlreiche weitere Attentate auf Kirchen und Wachleute, Pilgergruppen, christliche Geschäfte und als Christen erkennbare Einzelpersonen verübt. Die Islamisten zielen zwar bevorzugt auf die Christen, wollen damit jedoch in erster Linie den ägyptischen Staat treffen.
Indes hat es das Regime al-Sisis bisher nicht vermocht, die alltäglichen Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierungen von Millionen Kopten zu beenden. Vor Gericht werden Kopten wegen ihrer Religion diskriminiert. In der Armee und Polizei, im Gesundheitswesen und Verwaltungen sind Kopten Schikanen und beruflichen Einschränkungen ausgesetzt. An den staatlichen Bildungseinrichtungen des Landes wie der al-Azhar Universität werden Studierende zu religiöser Intoleranz und Hass aufgestachelt. Christen werden als unrein und Menschen zweiter Klasse dargestellt.
Eine neue Kathedrale, freundliche Statements des Präsidenten und andere positive Symbole dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Kopten weiterhin eine systematisch unterdrückte Minderheit in Ägypten sind. Um dies zu ändern, müssen Muslime und Christen gesetzlich gleichgestellt werden. Die den Menschenrechten widersprechende islamische Rechtsordnung Scharia hätte dann keine Bedeutung mehr für das ägyptische Rechtssystem. Der Weg um dieses Ziel zu erreichen, ist mit großen politischen Anstrengungen verbunden. Symbolismus allein reicht nicht aus.

Martin Lessenthin

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