Gefangener des Monats Juni 2021

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Zum „Gefangenen des Monats Juni 2021“ haben die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) und die Evangelische Nachrichtenagentur idea den pakistanischen Christen Stephen Mughal Masih benannt. Sie rufen dazu auf, sich für den von der Todessstrafe bedrohten 40-Jährigen einzusetzen.

Christen mit Behinderung droht Todesstrafe

Stephen Masih wurde am 11. März 2019 in der Umgebung der Stadt Sialkot im Nordosten der Provinz Punjab wegen angeblicher Blasphemie (Gotteslästerung) festgenommen. Der Festnahme war eine Anzeige nach einem langjährigen Streit zwischen zwei muslimischen Nachbarn und seiner Familie vorausgegangen.
Ein Nachbar drang an dem Tag in das Haus der Familie ein und schlug Stephen Masih. Der Nachbar beschwerte sich, von draußen gehört zu haben, wie Masih laut und abschätzig über den islamischen Propheten Mohammed geschimpft habe, was einen Verstoß gegen das Blasphemiegesetz 295 C bedeutet. Dieser hat jedoch eine geistige Behinderung und ist nicht in der Lage, die Vorwürfe zu verstehen. Ein zweiter muslimischer Nachbar kam hinzu und stachelte Gewaltbereite an, den Beschuldigten und seine Familie brutal zu attackieren, bevor schließlich die Polizei hinzukam. Die kranke Mutter und elf weitere Familienangehörige mussten danach untertauchen und Stephens Bruder Francis verlor seinen Job und ist nun ohne Einkommen. Stephen Masih wird weiterhin im Distriktgefängnis festgehalten.

Hintergrund: Minderheiten im Fadenkreuz der Fanatiker

Das gesellschaftliche Klima in Pakistan wird für religiöse Minderheiten wie die Christen zunehmend schärfer und kälter. Islamisten gewinnen enorm an Zulauf. Schon seit längerem stehen die drakonischen Blasphemiegesetze, durch die unverhältnismäßig viele Angehörige von Minderheiten unter Druck geraten, im Zentrum der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen in Pakistan. Treibende Kraft ihrer Aufrechterhaltung ist die radikal-islamische Partei Tehreek-e-Labbaik Pakistan (TLP). Sie entstand nach dem 29. Februar 2016 unter den Anhängern von Mumtaz Qadri, des Mörders des Gouverneurs der Provinz Punjab, Salman Taseer. Qadri, der an dem Tag hingerichtet wurde, war zunächst Leibwächter des Politikers. Er radikalisierte sich und erschoss seinen Chef, weil dieser sich für die Freilassung der unschuldig wegen Blasphemie inhaftierten Christin Asia Bibi eingesetzt hatte. Nach deren Freispruch durch das Höchste Gericht legten TLP-Anhänger drei Tage lang mit ihren Protesten das öffentliche Leben im Land lahm. Der Gründer der Bewegung, der Islamgelehrte Khadim Hussain Rizvi, erlag am 19. November vorigen Jahres einer Infektion mit Symptomen wie bei COVID-19. Hunderttausende, wenn nicht gar Millionen Menschen in Pakistan betrauerten öffentlich den Tod des obersten Verfechters der Blasphemiegesetze. Nun kam sein Sohn Saad Hussain Rizvi ans Ruder, der jedoch am 12. April verhaftet wurde. Die Anhänger seiner Partei blockierten binnen einer Stunde nach Bekanntgabe der Festnahme die Autobahn zwischen der Provinzhauptstadt Lahore und der Hauptstadt Islamabad. Die Angst, die Angehörige von Minderheiten an solchen Tagen in dem Land ergreift, in dem es häufig zu Mobgewalt kommt, ist hierzulande kaum vorstellbar. Unglaublich großen Mut müssen Menschenrechtsanwälte aufbringen, die solche unschuldig Verfolgten wie Asia Bibi verteidigen. Es ist sehr verständlich, dass viele Christen unter diesem Druck das Land verlassen und versuchen, sich in Sicherheit zu bringen. Aufgrund der Auswanderung sinkt ihr Anteil an der Bevölkerung.

Die fanatischen Befürworter der Blasphemiegesetze machen zuweilen Jagd auf völlig hilflose Opfer, denen sie diese Vorwürfe anhängen; so kam es wiederholt bereits zu Anzeigen gegen Menschen mit Behinderungen, wie im Fall des „Gefangenen des Monats“, des Christen Stephen Mughal Masih.

Unsere pakistanische Partnerorganisation „The Voice Society“ hat uns um Unterstützung für ihn gebeten. Sie bekam den Fall im vorigen Jahr herangetragen und setzt sich für Stephen Mughal Masihs Rechte als Mensch mit Behinderung ein. Er ist verwandt mit dem 19-jährigen Asif Stephen, „Gefangener des Monats Februar 2018“, dessen Fall Ähnlichkeiten aufweist. Ein Lokalpolitiker führte einen Mob von rund 300 Beteiligten an, um den ebenfalls geistig Behinderten zu lynchen. Weltweit bekannt wurde die Causa Rimsha Masih vom August 2012. Das damals wohl erst elfjährige Mädchen mit Downsyndrom musste samt Familie in Kanada Zuflucht suchen, um nicht ermordet zu werden. Der Imam, der gegen sie Anzeige wegen Gotteslästerung erstattet hatte, räumte später ein, die Koranseiten eigenhändig verbrannt zu haben, um den Verdacht auf sie zu lenken. Er habe keine andere Möglichkeit gesehen, die Christen aus der Gegend zu vertreiben. Aus diesem Grund unterstützen Menschenrechtsorganisationen den Vorschlag, die Falschbezichtigung als eigenen Straftatbestand ins Gesetz aufzunehmen – oder diese drakonischen Gesetze am besten ganz abzuschaffen.

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