Unterdrückung mit allen Mitteln

Erster kubanischer Journalist durch „Knebelgesetz“ verurteilt

Die Rechtsverordnung 35 besagt, dass das Internet oder die sozialen Netzwerke nicht dazu benutzt werden dürfen, den Staat zu beleidigen oder Proteste anzuheizen. Das von der kubanischen Kommunikationsministerin Mayra Arevich unterzeichnete Dekret soll „mögliche feindliche, kriminelle und schädliche Aktivitäten, die im Cyberspace stattfinden könnten, verhindern, aufdecken und angemessen darauf reagieren”.

Erster kubanischer Journalist durch „Knebelgesetz“ verurteilt

IGFM: Internet-Dekret soll Proteste im Keim ersticken und Bürgerrechtler einschüchtern


Frankfurt am Main/Havana, 26. August 2021 – Wie die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) berichtet, gehört der kubanische Journalist Yoel Acosta zu den ersten Sanktionierten durch das „Knebelgesetz“. Wenige Wochen nach den landesweiten Protesten hat die kubanische Regierung am 18. August 2021 ein neues Internet-Dekret zur Cybersicherheit erlassen. Acosta wurde wegen kritischer Berichterstattung über die Lebenssituation der Menschen in der Stadt Baracoa im Osten Kubas zu einer Geldstrafe von 2.000 kubanischen Pesos (etwa 71,06 Euro) verurteilt – was auf der Karibikinsel drei durchschnittlichen Monatsgehältern entspricht.

Mit der Geldstrafe erging an Yoel Acosta auch eine schriftliche Verwarnung wegen „des Versuchs, die Souveränität des Landes zu verletzen und es mit seinen Videos und Berichten zu diskreditieren“. Ihm wurde eine Frist von 72 Stunden eingeräumt, um die Geldstrafe zu bezahlen, andernfalls droht ihm Gefängnis.

„Während der Proteste haben sich die Menschen auf Kuba über die sozialen Netzwerke organisiert und online Videos über die gewaltsame Reaktion des Regimes geteilt. Dadurch konnte die Welt live dabei sein und die Demonstrationen eine solche Wirkung entfalten. Daher versucht die castristische Führung, die freie Meinungsäußerung online weiter einzuschränken. Zukünftige Protestaktionen sollen bereits im Keim erstickt werden. Ein freies Internet ist eine wesentliche Voraussetzung für ein freies Kuba“, erklärt Martin Lessenthin, Vorstandssprecher der IGFM.

Informationslenkung und Isolierung nach Vorbild Chinas

Überwachungsstellen wie das Open Observatory of Network Interference und das Institut für Kriegs- und Friedensberichterstattung berichten über Spuren von chinesischen Quellcodes und der Marktherrschaft chinesischer Internetanbieter wie Huawei, TP-Link und ZTE. Hinzukommt, dass die schwedische Organisation Quirium in Erfahrung gebracht hat, dass Kuba die Huawei Netzwerkverwaltungssoftware eSight verwendet, um die Websuche zu filtern. Dank chinesischer Technik hat Kuba das nötige Arsenal, um seine Bevölkerung mundtot zu machen, kritisiert die IGFM.

Der Fingerabdruck Chinas ist der Telekommunikationsstruktur Kubas deutlich zu entnehmen. Das kubanische Unterseekabel ALBA-1, das die Telekommunikationsarchitektur der Insel über Venezuela mit Südamerika verbindet, wurde teilweise von chinesischen Unternehmen finanziert und gebaut.

Der kubanische Präsident Díaz-Canel mit dem verbündeten chinesischen Präsidenten Xi Jinping. Bild: Chinesische Botschaft in Schweden

Tür und Tor für willkürliche Verhaftungen geöffnet

Die Rechtsverordnung 35 besagt, dass das Internet oder die sozialen Netzwerke nicht dazu benutzt werden dürfen, den Staat zu beleidigen oder Proteste anzuheizen. Obwohl bereits am 13. April 2021 bestätigt, war der genaue Gesetzestext bis jetzt noch nicht veröffentlicht worden. Das von der kubanischen Kommunikationsministerin Mayra Arevich unterzeichnete Dekret soll „mögliche feindliche, kriminelle und schädliche Aktivitäten, die im Cyberspace stattfinden könnten, verhindern, aufdecken und angemessen darauf reagieren“. Das neue Gesetz verbietet Inhalte, die die „verfassungsmäßigen, sozialen und wirtschaftlichen Regeln Kubas verunglimpfen oder zu Handlungen aufrufen, die die öffentliche Ordnung stören“. Nach Aussage der in Frankfurt ansässigen Menschenrechtsorganisation ist mit dieser breit ausgelegten und vagen Formulierung „Tür und Tor für willkürliche Verhaftungen von Bürgerrechtlern und Regimekritikern geöffnet“.

Kritische Stimmen online mundtot machen

Mit dem Dekret soll nach offiziellen Angaben erreicht werden, dass das Land durch Cyberterrorismus nicht destabilisiert werde. Wie die IGFM berichtet, wurde das kubanische Institut für Radio und Fernsehen nun durch das Institut für Information und soziale Kommunikation ersetzt. Die Aufgaben des neuen Organs bestehen darin, „die Politik der sozialen Kommunikation des Staates und der Regierung zu leiten und zu kontrollieren“. Die Regierung fordert die Bevölkerung auf, Straftäter zu melden und zahlt ihnen dafür monatlich 6.000 kubanische Pesos (rund 212 Euro) – mehr als sechsmal so viele wie ein Kubaner im Durchschnitt pro Monat verdient. Die IGFM, die mit einer Sektion auf Kuba vertreten ist, kritisiert, dass das kubanische Regime mit dem Gesetz die Nutzung von Social Media und des Internets weiter einschränke. Für Diaz-Canel sind die Proteste ein willkommener Vorwand, um kritische Stimmen nun auch online mundtot zu machen – unter dem Vorwand, das Land vor Cyberterrorismus zu schützen“, so die IGFM.

Yoel Acosta ist ein unabhängiger Journalist, der mit einer Geldstrafe von 2.000 kubanischen Pesos (ca. 71 Euro) belegt wurde, weil er die Situation der Menschen in Baracoa, Guantanamo, anprangerte. Bild: ADN Cuba

Erstes Cybersecurity-Gesetz im Juli 2019

Seit Dezember 2018 hat die kubanische Bevölkerung kontrollierten Zugang zum mobilen Internet. Bereits am 4. Juli 2019 hatte das Regime die Rechtsverordnung 370 erlassen, welche jegliche Äußerungen im Internet unter Strafe stellte, die von den Behörden als unangemessen befunden worden sind. Besonders Journalisten wurden aufgrund dieser Rechtsgrundlage verhört, bedroht und mussten Geldstrafen zahlen. Wer dies nicht kann, muss für sechs Monate ins Gefängnis. Als Reaktion darauf hatten über 40 NGOs am 6. Mai 2020 eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet, die sich gegen die Rechtsverordnung 370 ausspricht. Das kubanische Regime wirft dem Ausland Manipulation durch soziale Medien vor und schränkte die Internet- und Mobilfunkverbindungen im Zuge der Proteste im Juli 2021 ein.

Teilen Sie diesen Beitrag!

Nach oben