Laogai Arbeitslager in China

Das Laogai-System ist ein Synonym für politische Haft, Zwangsarbeit und Folter.

Laogai (劳改) – Das Zwangsarbeitslagersystem der VR China

Im chinesischen Arbeitslagersystem werden Millionen Gefangene gefoltert und zur Arbeit gezwungen. Bei der offiziellen „Reform durch Arbeit“ handelt es sich eigentlich um Arbeitslager, in denen katastrophale Arbeitsbedingungen, schlechte Behandlung, Erniedrigung und Folter an der Tagesordnung stehen. Die Insassen werden oft entweder ohne gerichtliches Urteil eingewiesen, oder sind zwar formell nach chinesischem Recht verurteilt, jedoch nach internationalen Rechtsstandards zu Unrecht in Haft. Bei einer Vielzahl der Gefangenen handelt es sich um Menschenrechtsaktivisten, Gewerkschafter, oder vom Staat nicht anerkannte ethnische Minderheiten. Ziel ist es, Andersdenkende einzuschüchtern und gegen sie vorzugehen. Außerdem bereichern sich die Betreiber der Arbeitslager an der Zwangsarbeit der Insassen und schlagen aus ihnen Profit. Neben den Laogai Arbeitslagern gibt es viele andere Institutionen, in denen Menschen wegen absurden Delikten gegen ihren Willen gefangen gehalten und zur Arbeit gezwungen werden. Dazu zählen beispielsweise die „schwarzen Gefängnisse“ und die Administrativhaft. Alle diese Formen sind zutiefst menschenverachtend und nach internationalen Standards rechtswidrig. Neben diesen extremen Formen der Diskriminierung, werden Teile der chinesischen Bevölkerung auch im Alltag diskriminiert. Durch „Hukou“, ein administratives System der Wohnsitzkontrolle, wird die Stadtbevölkerung gegenüber der ländlichen Bevölkerung stark bevorzugt, und das, obwohl sich die Menschen ihren Wohnort gar nicht frei aussuchen können. Ziel ist es ebenfalls, die Bevölkerung kontrollieren und einschränken zu können.

„Reform durch Arbeit“ – Laogai

Laogai (劳改) [zu Deutsch: „Reform durch Arbeit“; im Englischen: „Reform Through Labour“; Abkürzung von „Lao Dong Gai Zao“] (劳动改造)

Laogai-Arbeitslager stellen die größte Komponente innerhalb des chinesischen Zwangsarbeitslagersystems dar. Die Laogai Research Foundation konnte bis Juni 2008 ca. 670 Laogai-Lager von insgesamt mindestens 1.422 verschiedenen Arbeitslagern in der Volksrepublik identifizieren, wobei die tatsächliche Anzahl der Lager vermutlich noch höher liegt. Auf die Laogai-Arbeitslager entfällt auch die Mehrheit der vermutlich bis zu 4 Millionen Häftlinge, die derzeitig im gesamten chinesischen Zwangsarbeitslagersystem inhaftiert sind.
Sträflinge, die ihre Haft in einem Laogai-Arbeitslager verbüßen, wurden zuvor in der Regel von einem Gericht formell nach chinesischem Recht rechtskräftig verurteilt. Hierbei muss jedoch berücksichtigt werden, dass die chinesische Justiz in ihrer Rechtsprechung von der regierenden Kommunistischen Partei Chinas abhängig ist. Die Justiz der Volksrepublik wird von der chinesischen Regierung als ein Instrument zur politischen Verfolgung eingesetzt. Daher zählen zu den Lagerinsassen neben Kriminellen auch Gewerkschafter, Bürgerrechtler, Dissidenten, Angehörige ethnischer und religiöser Minderheiten wie Uiguren, Tibeter, Mitglieder von staatlich nicht anerkannten christlichen Kirchengemeinden und Falun Gong Praktizierende – selbst wenn sich diese nach internationalen Rechtsstandards kein Delikt zu Schulden haben kommen lassen. Auch die Länge und Härte der Strafen, die in der Volksrepublik gegen Kriminelle verhängt werden, ist teilweise unter Juristen und Menschenrechtlern umstritten. Nichtsdestotrotz gehen unabhängige Experten davon aus, dass es sich bei der Mehrheit der Laogai-Insassen um verurteilte Kriminelle und nicht politische Gefangene handelt.

Ausbeutung durch Zwangsarbeit und Haftbedingungen

Neben dem eklatanten Mangel an Rechtsstaatlichkeit und der Instrumentalisierung für politische Verfolgung steht Laogai wegen der Anwendung der Zwangsarbeit in der internationalen Kritik. Häftlinge werden unter anderem in Fabriken, in der Landwirtschaft, in Minen und im Bau eingesetzt. Zudem haben ehemalige Sträflinge davon berichtet, dass sie zum Beispiel krebserregenden Asbest ohne Schutzkleidung abbauen mussten. Zahlreiche andere Häftlinge gaben an, dass sie toxischen Chemikalien und Batteriesäure ohne Schutz ausgesetzt waren. Ebenso haben mehrfach schwere Unfälle in den Arbeitslagern das Leben von Häftlingen gekostet. So gehörten zu den vielen tausend Todesopfern, die in den letzten Jahren bei den Einstürzen von Bergwerksschächten in China zu beklagen waren, auch viele Laogai-Gefangene. Die deutsche Übersetzung des Wortes „Laogai“ impliziert, dass die Gefangenen „reformiert“, also „gebessert“ werden. In der Praxis drängt sich der Schluss auf, dass die Gefangenen nicht nur eingeschüchtert, sondern dass ihr eigenständiger Wille gebrochen werden soll. Die Zwangsarbeit nimmt dabei eine zentrale Rolle ein, da die Insassen bei täglichen Arbeitszeiten von bis zu 14 Stunden unter harten Bedingungen beinah zwangsläufig an ihre physischen und mentalen Grenzen stoßen. In ihrem Bestreben, die Häftlinge nach ihren Vorstellungen zu „läutern“, setzt die Lagerleitung zusätzlich noch auf den Ansatz der „Gedanken-Reform“, die nicht mit Resozialisierungsmaßnahmen verwechselt werden darf.

Grundsätzlich ist es sehr schwierig, exakte Angaben über die Haftbedingungen in den vielen hundert Laogai-Lagern zusammenzustellen. Dies gilt auch für den Aspekt der Gedanken-Reform. Ursprünglich versuchte die vor allem unter dem KP Vorsitzenden Mao hochgradig ideologisierte und totalitäre Kommunistische Partei Chinas, den Maoismus fest im Bewusstsein der Chinesen zu verwurzeln. Angebliche „Konterrevolutionäre“ – eine Klassifizierung, die extrem vage ausgelegt wurde – sollten daher in den Zwangsarbeitslagern unter Anwendung von Folter und massiver Gehirnwäsche zu überzeugten Maoisten gemacht werden. Heutzutage ist der Staat wesentlich anspruchsloser geworden, was die Kontrolle über die Gedanken seiner Bürger angeht. Er greift in der Regel nicht mehr ein, solange sich Personen oder Personengruppen in der Öffentlichkeit apolitisch verhalten, die Kommunistische Partei und ihre Politik nicht kritisieren und die Eckpfeiler der Volksrepublik, insbesondere die Vormachtstellung der Kommunistischen Partei und die Ein-China-Politik uneingeschränkt anerkennen.
Dementsprechend gehören zu den heutigen Opfern der Gedanken-Reform primär Mitglieder von ethnischen und nicht-staatlich anerkannten religiösen Minderheiten und Menschen, die versuchen, sich z.B. mit Hilfe von Petitionen gegen die Willkür von Beamten und Behörden zu wehren. Diese werden heute noch dazu gezwungen, ihren Glauben oder ihre Ansichten in unterschriebenen Geständnissen zu verleugnen. Sie werden auch gefoltert, in Einzelhaft oder zu aggressiven Schwerverbrechern gesperrt, um sie zu zermürben. Das gleiche gilt für Personen, die sich für staatsunabhängige Gewerkschaften und Arbeitnehmerrechte einsetzen, kritische Journalisten, Blogger und andere, die in Konflikt mit Parteifunktionären oder Parteiinteressen geraten.

Das Laogai-System ist ein Synonym für politische Haft, Zwangsarbeit und Folter. Das Foto zeigt einen Beamten der Sektion „Politische Sicherheit“ des Büros für Öffentliche Sicherheit des Stadt Yuzhou, Provinz Henan, Volksrepublik China. Das Opfer ist Mitglied einer evangelischen Hauskirche. Bild: Committee for the Investigation on Persecution of Religion in China.

Laogai als Wirtschaftsfaktor

Zusätzlich zu den zwei Hauptfunktionen, die von den Laogai-Lagern ausgeübt werden, nämlich die Absicherung des Machtmonopols der Kommunistischen Partei Chinas und die Bestrafung tatsächlicher Krimineller, dient das Zwangsarbeitslagersystem dem chinesischen Staat auch als Wirtschaftsfaktor.
So ist fast allen Laogai-Arbeitslagern ein kommerziell ausgerichteter Betrieb angeschlossen, der Produkte, die von Zwangsarbeitern hergestellt wurden, sowohl auf dem Binnenmarkt, als auch auf dem Exportmarkt vertreibt. Versuche von ausländischen Regierungen, zumindest den Export von Laogai-gefertigten Produkten zu unterbinden, waren bisher nur in Teilen erfolgreich. Nach Untersuchungen der Laogai Research Foundation aus dem Jahr 2008 finden sich bei der amerikanischen Wirtschaftsauskunftei Dun & Bradstreet 314 kommerziell geführte Unternehmen, die an bis zu 256 Laogai-Arbeitslager angegliedert sind. Diese Unternehmen sollen 72 verschiedene Produkte herstellen, von Elektroartikeln und Keramik-Waren bis hin zu Zucker, die auch auf ausländischen Märkten vertrieben werden. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt der Volksrepublik China, das 2009 bereits bei über 4 Billionen US-Dollar lag, spielt der Laogai heutzutage gesamtwirtschaftlich nur eine untergeordnete Rolle für die Volksrepublik. In der Vergangenheit war die Bedeutung der Laogai-Zwangsarbeitslager für Chinas Wirtschaft jedoch wesentlich größer. In der frühen Mao-Zeit, in den fünfziger Jahren, starben nach übereinstimmenden Schätzungen von Beobachtern Millionen von Zwangsarbeitern beim Bau großer Infrastrukturprojekte. Noch 1997 soll ein Drittel des chinesischen Tees von Zwangsarbeitern geerntet worden sein.

Ursprünge und Geschichte des Laogai

Die Ursprünge und das Konzept des chinesischen Laogai gehen auf den sowjetischen Gulag zurück. Nach der Machtergreifung der chinesischen Kommunisten kam es in den frühen fünfziger Jahren zu einer starken Annäherung zwischen den damals größten kommunistischen Staaten der Erde, der Volksrepublik China und der Sowjetunion. Im Jahr 1950 unterzeichneten beide Staaten ein Verteidigungsabkommen, das unter anderem vorsah, dass die Sowjetunion China Unterstützung und „Hilfe“ u.a. im Justizsystem gewähre. Aus dieser Kooperation ging letztendlich das chinesische Laogai-Arbeitslagersystem in seinen späteren Ausmaßen hervor. Doch schon unmittelbar vor und während der Machtergreifung der Kommunistischen Partei Chinas wurden Andersdenkende, tatsächliche und vermeintliche Gegner und Skeptiker hingerichtet oder in Lager verschleppt. Bereits in den frühen Fünfzigerjahren des 20. Jahrhunderts hatte die chinesische KP unter Mao in China flächendeckend Arbeitslager errichtet.
Mit dem Laogai-System sollte jeglicher Dissens, sowohl von tatsächlichen Oppositionellen, als auch von potentiellen Gegnern des Regimes, den sogenannten „Klassenfeinden“ und „Konterrevolutionären“, unterdrückt werden. Gleichzeitig boten die Arbeitslager dem Regime auch die Möglichkeit, auf Millionen von unbezahlten Zwangsarbeitern zurückzugreifen. Dazu gehörten von Anfang an nicht nur echte oder angebliche „Großgrundbesitzer“ und wohlhabende Geschäftsleute, sondern auch mittellose Chinesen, die der chinesischen KP skeptisch gegenüberstanden. Nach den ersten von Mao initiierten Säuberungswellen, wie beispielsweise der „Kampagne gegen Rechts“, füllten sich die Laogai-Arbeitslager auch mit zahlreichen kommunistischen Parteimitgliedern, die als Abweichler diskreditiert wurden.
Ab den fünfziger Jahren wurden Millionen von Zwangsarbeitern aus den Laogai-Lagern eingesetzt, um Infrastrukturmaßnahmen, wie beispielsweise Staudämme, Minenschächte und Kanäle zu errichten. Durch die Arbeitsbedingungen wurden und werden die Häftlinge bis über die Grenzen des Erträglichen ausgebeutet. Nach übereinstimmenden Schätzungen starben insgesamt mehrere Millionen Laogai-Häftlinge an den Folgen von Unterernährung und menschenverachtenden Arbeitsbedingungen. Erst 1954 wurde für das Laogai-System mit der Verabschiedung der Bestimmungen zur „Reform durch Arbeit“ eine Rechtsgrundlage geschaffen. Im selben Jahr wurden sie um die Bestimmungen zur „erzwungenen Arbeitszuweisung“ ergänzt. Am 29. November 1979 folgten „Richtlinien zur Umerziehung durch Arbeit“ (关于劳动教养的补充规定) [in chinesischer Lautschrift Pinyin: Guanyu Laodong Jiaoyang de Buchong Guiding]

Änderungen seit 1978

Seit China 1978 unter Deng Xiaoping anfing, wirtschaftliche Reformen einzuleiten, hat es auch im Lagersystem der Volksrepublik Änderungen gegeben. So wurde der Begriff „Laogai“ 1994 aus dem offiziellen Sprachgebrauch gestrichen und durch die neutralere Formulierung „Jianyu“ („Gefängnis“), ersetzt. Sowohl das Wort „Laogai“ als auch andere anachronistische Bezeichnungen werden in der Regel jedoch in China inoffiziell weiterhin verwendet. Trotz enormer wirtschaftlicher Fortschritte bleiben schwerwiegende Verstöße gegen internationale Menschenrechtsstandards weiterhin bestehen. Grundsätzlich basiert das Rechtssystem noch immer auf Gesetzen, die der Kommunistischen Partei eine führende und privilegierte Rolle sichern. Diese Tatsache spiegelt sich auch teilweise in den folgenden Zahlen wieder. Nach Angaben der Laogai Research Foundation ist die Zahl der Richter in China, die in der Regel die Interessen des Staates bzw. der Kommunistischen Partei vertreten, von 130.000 im Jahr 2001 auf 190.000 im Jahr 2005 angestiegen. Hingegen ist die Anzahl der Anwälte im selben Zeitraum lediglich von 100.198 auf 110.000 gestiegen. Obwohl das Laogai-System heutzutage nicht mehr dem System zu Maos Zeiten entspricht, stellt sein Fortbestehen eine gravierende Verletzung der Menschenrechte und rechtsstaatlicher Grundsätze dar. Häftlinge werden weiterhin als Zwangsarbeiter unter teils menschenverachtenden Arbeitsbedingungen missbraucht. Arbeitsunfälle mit Todesfolge oder schweren Verletzungen sind weiterhin häufig.

„Umerziehung durch Arbeit“ – Laojiao

Laojiao (劳教) [zu Deutsch: „Umerziehung durch Arbeit“, im Englischen: „Reeducation Through Labour“; Abkürzung von Lao Dong Jiao Yang] (劳动教养)

Laojiao-Arbeitslager bildeten die zweitgrößte Komponente im chinesischen Zwangsarbeitslagersystem, bis am 27. Dezember 2013 das Präsidium des chinesischen Volkskongresses, die Praxis der Administrativhaft (Laojiao, „Umerziehung durch Arbeit“) für „ungültig“ erklärte. Soweit bekannt, sind daraufhin die Umerziehungslager nicht aufgelöst, sondern im Wesentlichen lediglich umbenannt worden. In der Regel in „Drogenrehabilitationszentren“ und Ähnliches.
In den chinesischen Umerziehungslagern waren die Insassen „administrativ“ in Haft. Die Opfer konnten in solchem Fall inhaftiert werden, ohne dass ein ordentliches Gericht geurteilt haben musste. Stattdessen wurde die Einweisung ins Arbeitslager direkt von einer Polizeibehörde verhängt – ohne Anklage, ohne Verfahren, ohne Möglichkeit Rechtsmittel einzulegen. Die „Beweislast“ galt bei vielen Insassen als äußerst vage. Die maximale Länge einer einzelnen „Umerziehungsmaßnahme“ betrug regulär drei Jahre, konnte aber willkürlich um ein weiteres Jahr verlängert oder auch verkürzt werden. Inzwischen müssten formell alle Insassen von Arbeitslagern in China von einem Gericht verurteilt worden sein. Ob das der Fall ist, lässt sich nicht nachprüfen, da die chinesischen Behörden jede Transparenz verweigern. Fest steht, dass zahlreiche Urteile in hochgradig unfairen Scheinprozessen zustande gekommen sind und chinesische Behörden nicht nur internationale Menschenrechtsverträge missachten, sondern auch chinesisches Recht. Dazu gehört der systematische Einsatz von Folter, die auch nach chinesischem Recht offiziell verboten ist.
Es liegen zahlreiche Berichte vor, dass in den heutigen „Drogenrehabilitationszentren“ (den früheren Laojiao Umerziehungslagern), keineswegs ausschließlich Drogensüchtige gefangen gehalten und zur Zwangsarbeit gezwungen werden. Willkürliche Einweisungen in Arbeitslager werden häufig gegen Andersdenkende angewandt. So zählen auch Gewerkschafter, Personen, die eine Petition eingereicht haben, ethnische „Separatisten“ und Anhänger von nicht staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften zu den Häftlingen.

Laojiao und internationales Recht

Da Laojiao-Insassen nicht als verurteilte Kriminelle deklariert waren, wurden sie in der VR China statistisch auch nicht als Häftlinge geführt. Dementsprechend werden ihre Rechte – nach Ansicht der chinesischen Regierung – auch nicht durch internationale Verträge geschützt, wie beispielsweise dem  „Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte“ oder den „Mindestgrundsätze[n] für die Behandlung der Gefangenen“.
Die Administrativhaft sollte in der Theorie gegenüber Straffälligen verhängt werden, die sich „kleinere“ Vergehen zu Schulden haben kommen lassen, zum Beispiel Diebstahl, Drogenkonsum oder Prostitution. Abgesehen davon, dass drei- bis vierjährige Haftstrafen für „kleinere“ Delikte offensichtlich unangemessen sind, verstößt das Prinzip der Administrativhaft, bei der es weder Anklage, noch Verteidigung noch Prozess oder Berufung gibt, gegen internationale Rechtsstandards und international bindendes Völkerrecht. In der gegenwärtigen Rechtspraxis hat sich für die Gefangenen praktisch nichts geändert. Auch wenn es nun formell eine Anklage und einen Prozess gibt (oder geben sollte), so haben die Angeklagten nach wie vor oft keine Möglichkeit, sich zu verteidigen und Rechtsmittel einzulegen. Das „Urteil“ wird ihnen vielfach nicht ausgehändigt.

„Schwarze Gefängnisse“ – Hei Jianyu

Hei Jianyu (黑监獄) [zu Deutsch: „Schwarzes Gefängnis“; im Englischen „Black Jail“]

Die sogenannten „Schwarzen Gefängnisse“ sind informelle Haftanstalten, in denen hauptsächlich Personen festgehalten werden, die beabsichtigten, Beschwerden über Lokalpolitiker in der Form von Petitionen einzureichen, oder die bereits eine Petition eingereicht haben. Dabei ist es wichtig zu erwähnen, dass seit der Gründung der Volkrepublik das Petitionsrecht in der chinesischen Verfassung verankert ist und offizielle Petitionsbüros in den politischen Zentren errichtet wurden. Zudem haben Politiker in der Vergangenheit die Bürger immer wieder dazu aufgerufen, Fehltritte der Behörden vor allem auf lokaler Ebene über den formell geschaffenen Weg anzuprangern. Nachdem die Zahl der Petitionssteller in den letzten Jahren jedoch dramatisch angestiegen ist, scheint die regierende Kommunistische Partei Chinas zunehmend nervös zu werden. So sind nach Angaben von Human Rights Watch unveröffentlichte Dokumente von Lokalregierungen aufgetaucht, in denen örtlichen Entscheidungsträgern Sanktionen angedroht werden, falls sie es versäumen sollten, entschieden gegen die Petitionsflut in Peking und den Provinzhauptstädten vorzugehen. Praktisch alle Lokalpolitiker in der Volksrepublik sind Mitglieder und Funktionäre der regierenden Kommunistischen Partei Chinas.
Die Haftzeit in den „Schwarzen Gefängnissen“, die sich häufig in staatlichen Gebäuden, aber auch in Hotels, Pflegeheimen oder psychiatrischen Anstalten verbergen, variiert in der Regel zwischen einigen Tagen bis hin zu einigen Monaten. Es liegen jedoch auch Berichte von Opfern vor, die eine Haftzeit von über einem Jahr verbüßt haben.
Ähnlich wie bei den formellen Haftanstalten der Volksrepublik China gibt es auch bei den „Schwarzen Gefängnissen“ große Unterschiede bei den Haftbedingungen. In den schlimmsten Fällen sind die Opfer Folter, Vergewaltigung, Drohungen, Raub und dem Mangel an Nahrung oder medizinischer Versorgung ausgesetzt. Es liegen auch Berichte vor, wonach Minderjährige in den „Schwarzen Gefängnissen“ festgehalten werden, was formell ebenfalls gegen chinesisches Recht verstößt. Da das System der „Schwarzen Gefängnisse“ gänzlich inoffiziell geführt wird, werden die Opfer in der Regel nicht von uniformierten Sicherheitskräften in öffentlich sichtbaren Räumen verhaftet. Vielmehr werden die Opfer häufig jenseits der öffentlichen Wahrnehmung auf offener Straße entführt und ohne jegliche Rechtsgrundlage in die „Schwarzen Gefängnisse“ verschleppt.

Noch im April 2009 stritt ein Vertreter des chinesischen Außenministeriums die Existenz der „Schwarzen Gefängnisse“ gegenüber Al-Jazeera Korrespondenten vehement ab. Im November 2009 veröffentlichte das staatlich kontrollierte chinesische Outlook-Magazin jedoch einen Artikel, in dem die Existenz der „Schwarzen Gefängnisse“ sowohl bestätigt, als auch kritisiert wurde. Der Artikel beschrieb ferner, dass der Staat die Gefängnisbetreiber, die anscheinend zum Teil privatwirtschaftlich „arbeiten“, angeblich mit einem Entgelt zwischen umgerechnet 10 und 20 Euro pro Tag für jeden gefangenen Petitionssteller entlohnt. Manche Beobachter gehen davon aus, dass das System der „Schwarzen Gefängnisse“ etabliert wurde, nachdem das Shourong Qiansong System [„Deportationslager“] formell geschlossen wurde. Dort wurden nicht nur, aber bevorzugt Chinesen inhaftiert, die über keine legale Aufenthaltserlaubnis in den Städten verfügten, wie beispielsweise Wanderarbeiter, aber auch Petitionssteller aus den Provinzen. In der Volksrepublik China verweigern die Behörden Landbewohnern, die nach wie vor die Mehrheit der Bevölkerung stellen, eine freie Wahl des Wohnortes. Mehr Informationen dazu finden Sie unter „Hukou“. Die „Schwarzen Gefängnisse“ werden im Jargon der lokalen Parteikader als „Rechtskundeunterricht“, bezeichnet. Im Englischen wird der Begriff oft als „law education classes“ übersetzt. Dazu liegen auch Berichte von ehemaligen Gefangenen vor, die in schmutzige Zellen gesperrt wurden, deren Wände mit Bannern mit der zynischen Bezeichnung „Rechtskundeunterricht“ dekoriert waren.

Administrativhaft – Xingzheng Chufa

Xingzheng Chufa (行政处罚) [zu Deutsch: Administrativhaft, im Englischen: „administrative detention“]

Administrativhaft wird in der Theorie eingesetzt, um „kleinere Vergehen“ zu ahnden, wie beispielsweise Diebstahl, Drogenkonsum oder Prostitution. Es liegen jedoch zahlreiche Berichte vor, wonach die Administrativhaft gegen Bürgerrechtler und Andersdenkende angewandt wurde. Die Betroffenen können in solchem Fall inhaftiert werden, ohne dass diese Maßnahme durch ein ordentliches Gericht bestätigt werden muss. Stattdessen wird die Strafe direkt von einer Polizeibehörde verhängt, und die Beweislast gilt in vielen Fällen als äußerst vage. Theoretisch ist es auch möglich, dass Familienmitglieder oder Arbeitgeber bei der Polizei Empfehlungen zur Verhaftung ihrer Angehörigen bzw. Angestellten stellen können, die dann gegebenenfalls ausgeführt werden. Das maximale Strafmaß beträgt regulär drei Jahre, kann aber um ein weiteres Jahr verlängert werden.
Abgesehen davon, dass drei- bis vierjährige Haftstrafen für „kleinere“ Delikte definitiv unangemessen sind, verstößt das Prinzip der Administrativhaft, in der es weder Anklage, noch Verteidigung noch Prozess oder Berufung gibt, gegen internationale Rechtsstandards und gegen international bindendes Völkerrecht.
Im Jahr 2004 stellte eine UN-Delegation der „Arbeitsgruppe für willkürliche Verhaftungen“ fest, dass die VR China keine signifikanten Fortschritte bei der Reform der Administrativhaft gemacht hat, um eine richterliche Überprüfung nach internationalen Gesetzen zu ermöglichen.
Die Administrativhaft kann in verschiedenen Haftanstalten verbüßt werden, wobei die meisten Sträflinge bis Ende 2013 in Umerziehungslagern (Laojiao) inhaftiert werden. Daneben gibt es aber auch die Haftanstalten für „Verwahrung und Erziehung“ (Shourong Jiaoyu) und für „Zwangsweise Drogenrehabilitation“ (Qiangzhi Jiedu).

Die chinesischen Behörden haben Personen in Administrativhaft nicht als verurteilte Kriminelle deklariert und nicht als Häftlinge geführt. Mit dieser „Begründung“ verweigerte die chinesische Regierung diesen Häftlingen elementare Rechte, die ihnen durch internationale Verträge, internationale Rechtsgrundsätze und das Völkerrecht zustehen.
Am 27. Dezember 2013 erklärte das 164-köpfige Präsidium des Volkskongresses, die Praxis der „Umerziehung durch Arbeit“, die auf Administrativhaft beruhte, für „ungültig“. Gegenwärtig scheint es so, dass sich lediglich die Begrifflichkeiten der chinesischen Behörden und Regierung geändert haben. Die Praxis willkürlicher Verhaftungen scheint de facto unverändert fortzubestehen.

Gefängnisse – Jianyu

Jianyu (监狱) [zu Deutsch: „Gefängnis“; im Englischen: „Prison“]

IIm Jahr 1994 wurde der Begriff „Laogai“ in der VR China im offiziellen Sprachgebrauch durch die neutralere und verharmlosende Formulierung „Jianyu“ ersetzt, da die ursprüngliche Bezeichnung von Teilen der internationalen Öffentlichkeit mit dem stalinistischen Gulag-System assoziiert wurde. Im Frühjahr

1995 berichtete die dem chinesischen Justizministerium angehörende Zeitung Beijing Legal Daily offen über die Beweggründe der Namensänderung:
„Die Umbenennung des Begriffs Laogai wird durch unsere Beziehungen mit der internationalen Gemeinschaft eine Notwendigkeit, und sie begünstigt zudem unseren internationalen Kampf für Menschenrechte. Daher wird Laogai als Begriff nicht mehr existieren, aber seine Funktion, Eigenschaften und Aufgabenbereiche bleiben unverändert erhalten“ [7. Januar 1995, staatliches Presseorgan „Beijing Legal Daily“] (法制日报). Das menschenrechtsfeindliche Laogai-System, die sogenannte „Reform durch Arbeit“, die mit Zwangsarbeit und „Gedanken-Reform“ durchgesetzt werden soll, bleibt trotz der Namensänderung bis heute bestehen. Auch die Mängel der chinesischen Rechtsprechung, wie zum Beispiel die unzureichenden Möglichkeiten auf Einspruch oder das Fehlen einer Gewaltenteilung zwischen der regierenden Kommunistischen Partei Chinas und der Justiz wurden bisher nicht behoben.

Erzwungene Arbeitszuweisung – Jiuye

Jiuye (就业) [Abkürzung von Liuchang Jiuye (留场就业), zu Deutsch: „Erzwungene Arbeitszuweisung“; im Englischen: „Forced Job Placement“ oder „Retention for in-camp employment“]

Das sogenannte Jiuye-System stellt innerhalb der VR China eine der gravierendsten Rechtsverletzungen dar. Es ermöglicht der Gefängnisleitung, Häftlinge zeitlich unbefristet über ihre zuvor festgesetzte Haftstrafe hinaus in einer Zwangsarbeits-Lagereinrichtung gefangen zu halten. Der Gefängnisleitung kommen dabei vage ausformulierte Paragraphen im chinesischen Recht zu Gute, die die Anwendung von Jiuye vorsehen, wenn der Häftling zuvor als nicht „ausreichend

reformiert“ eingestuft wurde. Das Jiuye-System soll nach Einschätzungen verschiedener Beobachter heutzutage deutlich weniger angewendet werden als noch in der Vergangenheit, nichtsdestotrotz ist es gegenwärtig immer noch Bestandteil des chinesischen Arbeitslagersystems. „Jiuye“ wurde besonders umfangreich nach dem Tiananmen-Massaker im Jahr 1989 eingesetzt, da die kommunistische Führung damals ein deutliches Bedrohungspotential innerhalb der chinesischen Bevölkerung ausgemacht zu haben glaubte.

Untersuchungsgefängnisse – Kanshousuo

Kanshousuo (看守所) [zu Deutsch: „Untersuchungsgefängnis“; im Englischen: „Detention Centre“]

In Kanshousuo-Lagern werden chinesische Staatsbürger gefangen gehalten, die noch auf eine Verurteilung warten oder die – im Widerspruch zum Namen „Untersuchungsgefängnis“ – zu einem Strafmaß mit weniger als zwei Jahren Gefängnissaufenthalt bereits verurteilt wurden. Außerdem werden zum Tode verurteilte Häftlinge zeitweise in Kanshousuo-Lagern inhaftiert. Dabei sind sowohl verurteilte, als auch nicht verurteilte Häftlinge gesetzlich zur Zwangsarbeit verpflichtet. Da die Kanshousuo-Lager von lokalen Parteikadern geführt werden und nur geringfügiger Kontrolle seitens der zentralen Staatsgewalt unterliegen, variieren die Haftbedingungen in den verschiedenen Kanshousuo-Lagern erheblich. Die chinesischen Kanshousuo unterscheiden sich deutlich von deutschen Untersuchungsgefängnissen, in denen keine verurteilten Straftäter inhaftiert werden.

Untersuchungshaftanstalten – Shourong Shencha

Shourong Shencha (收容审查) [zu Deutsch: „Untersuchungshaft“; wortwörtlich: „Verwahrung und Untersuchung“ im Englischen: „Shelter and Investigation“]

Diese Form der Inhaftierung erlaubt es der chinesischen Polizei, Personen bis zu drei Monate lang ohne Beweise und offizielle Anklage einzusperren. Theoretisch wurden 1996 dieser willkürlichen Inhaftierung starke Grenzen gesetzt. In der Praxis greifen diese Regelungen aber offenbar nicht.

Jugendhaftanstalten – Shaoguansuo

Shaoguansuo (少管所) [zu Deutsch: „Jugendhaftanstalt“; im Englischen: „Juvenile Offender Camp“]

In den Shaoguansuo-Anstalten werden Kinder und Jugendliche in Haft gehalten, die das Mindestalter für Arbeitslager noch nicht erreicht haben. In den letzten Jahrzehnten wurde die Altersuntergrenze mehrmals geändert. 1981 noch lag die Altersuntergrenze für die Erwachsenenlager bei 16 Jahren während sie zuletzt 1993 auf 14 Jahre herabgesetzt wurde. Die Häftlinge in den chinesischen Jugendhaftanstalten sind ebenfalls zur Zwangsarbeit verpflichtet wie die Häftlinge in Erwachsenenlagern auch.

„Gewahrsam und Rückführung“ – Shourong Qiansong

Shourong Qiansong (收容遣送) [zu Deutsch: „Verwahrung und Rückführung“ oder auch „Deportation“; im Englischen: „Custody and Repatriation“]

Das Shourong Qiansong-System wurde in den frühen achtziger Jahren unter anderem deshalb vom Staat geschaffen, um gegen Personen vorzugehen, die sich ohne Niederlassungserlaubnis (dem „Hukou“) in Städten ansiedelten. Das System „Gewahrsam und Rückführung“ bedient sich dabei der Administrativhaft. Wie bereits erläutert, erlaubte es den chinesischen Sicherheitskräften formell, Personen ohne Gerichtsbeschluss festzunehmen und gegebenenfalls zu bestrafen.
Zu den Opfern dieses Systems gehören Obdachlose, Prostituierte aber auch Bürger, die von ihrem Petitionsrecht Gebrauch machen wollen, sowie viele in der Praxis rechtlose Wanderarbeiter. Letztere stellen nach diversen Schätzungen eine Bevölkerungsgruppe von ca. 200 Millionen Menschen dar. Die Shourong Qiansong-Lager zeichnen sich durch eine verhältnismäßig hohe Häftlingsrate von Minderjährigen aus. Wie in den meisten anderen Gefängniseinrichtungen in China, müssen die Inhaftierten in den Shourong Qiansong Lagern Zwangsarbeit leisten.
Nach Angaben von Human Rights in China waren um die Jahrtausendwende über eine Million Menschen in Lagern dieses Strafsystems eingesperrt. Die Haftbedingungen sollen teilweise noch schlechter sein, als in den regulären Gefängnissen und Arbeitslagern.
Einen Wendepunkt für das Shourong Qiansong-System stellte der Tod des Modedesigners Sun Zhigang (孫志剛) im Frühjahr 2003 dar. Der junge Designer wurde in der südchinesischen Stadt Shenzhen verhaftet und kurz darauf zu Tode gefoltert, weil er seine Ausweispapiere zu Hause vergessen hatte. Trotz der allgemeinen Pressezensur gelang es der Familie von Sun Zhigang, die Nachricht und die Umstände seines Todes an die Öffentlichkeit zu bringen, die darauf

mit Empörung reagierte. Als Reaktion darauf verkündete Ministerpräsident Wen Jiabao bereits einige Monate später, dass das System für „Gewahrsam und Rückführung“ zügig abgeschafft werden sollte. Zudem beschloss die Zentralregierung in Peking „Maßnahmen zur Unterstützung von mittellosen Obdachlosen und Bettlern in Städten“, um die Probleme, die die Landflucht mit sich bringt, auf humanere Weise in den Griff zu bekommen.
Beobachter bezweifeln jedoch, dass das System wirklich komplett abgeschafft wurde. Immer wieder wird darüber berichtet, dass Personen ohne Niederlassungserlaubnis willkürlich verhaftet und bestraft werden. Auch bei den Olympischen Sommerspielen in Peking 2008 soll es im Vorfeld zu außerordentlich vielen Verhaftungen von unliebsamen Arbeitsmigranten und Obdachlosen gekommen sein.

Psychiatrische Anstalten

Jingshen Bingyuan (精神病院) [zu Deutsch: „Psychiatrische Anstalt“; im Englischen „Psychiatric Hospital“]

Neben normalen psychiatrischen Anstalten für tatsächlich erkrankte Patienten gibt es in der Volksrepublik China auch hochgesicherte psychiatrische Haftanstalten, die dem Ministerium für öffentliche Sicherheit unterstellt sind. Ähnlich wie bei der Administrativhaft besitzen chinesische Strafverfolgungsbehörden die Autorität, Personen ohne Haftbefehl in diese Art von psychiatrischen Anstalten einzuweisen. In dem „Menschenrechtsbericht China 2008“ des US-amerikanischen Außenministeriums wurden mindestens 20 solcher speziellen psychiatrischen Anstalten in der Volksrepublik identifiziert.
Bei dieser Form der psychiatrischen Verwahrung ist auffällig, dass es offenbar eine hohe Anzahl an politischen Gefangenen unter den Insassen gibt. So finden

sich politische Aktivisten, Anhänger von Untergrundkirchen, Petitionssteller, Arbeitsrechtler und Mitglieder der Falun Gong Bewegung unter den angeblich Geisteskranken. Nach Berichten von ehemaligen Insassen gibt es keine Möglichkeit, gegen die „Diagnose“ der Geisteskrankheit Widerspruch einzulegen oder alternative medizinische Gutachten einzuholen. Zudem liegen Berichte vor, wonach die Patienten gegen ihren ausdrücklichen Willen und gegen den Willen ihrer Angehörigen überdosierte Psychopharmaka verabreicht bekamen und Elektroschock-„Therapien“ ausgesetzt waren. Meldungen über weitere Formen der Misshandlungen, wie Schläge durch Aufseher, Nahrungsentzug oder Zusammensperren mit tatsächlich gewalttätigen Geisteskranken liegen ebenfalls vor. Der Weltverband der Psychiatrischen Vereinigungen (WPA) stellte 2002 fest, dass tausende Dissidenten zu Unrecht in psychiatrischen Anstalten eingewiesen wurden.
Eine der berüchtigtsten Psychiatrischen Haftanstalten, in die verhältnismäßig viele Dissidenten gesperrt worden sein sollen und angeblich auch noch immer eingesperrt werden, ist das Pekinger Ankang Krankenhaus (北京市安康医院) . Daher wird der Name Ankang (安康) [zu Deutsch: „Gute Gesundheit“; im Englischen: „Good Health“] gelegentlich als Synonym für das System der psychiatrischen Haftanstalten in der VR China verwendet.

Luxusgefängnisse

Ende 2009 tauchten Bilder mutmaßlicher Luxusgefängnisse, angeblich für kommunistische Parteikader, in chinesischen Internetforen auf. Auf den Bildern ist unter anderem das Gefängnis Yancheng (江苏盐城监狱) in der Provinz Jiangsu zu sehen. Neben üppigen Sportplätzen und einer Parkanlage zeichnet sich die Haftanstalt durch ihre gepflegte Gesamterscheinung aus. Auch die staatliche Tageszeitung Renmin Ribao (人民日报) [zu Deutsch: „Volkszeitung“; im Englischen: „People’s Daily“] berichtete am 27. November 2009 über luxuriöse „Erste-Klasse-Gefängnisse“, von denen es angeblich fünf geben soll. Die „Volkszeitung“, Presseorgan des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas, ist eine der auflagenstärksten Zeitungen innerhalb der Volksrepublik. Nach ihren Angaben habe ein Funktionär des Yancheng-Gefängnisses bestätigt, dass die im Internet veröffentlichten Fotos echt seien.
Die in Hong Kong ansässige Zeitung „South China Morning Post“ berichtete in diesem Zusammenhang, dass die wenigen Parteikader, die für Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden, vielfach einen höchst privilegierten Lebensstil in der Haft genießen. So soll der ehemalige Shanghaier KP-Chef Chen Liangyu (陈良宇), der zu einer 18jährigen Haftstrafe wegen massiver Korruption verurteilt wurde, zeitweise in einer 20 Quadratmeter großen Zelle mit eigener Dusche

und WC untergebracht worden sein. Zusätzlich soll er Speisen für umgerechnet 600 Euro im Monat serviert bekommen haben, diverse Luxusartikel, wie beispielsweise Zigarren, nicht eingerechnet. Anderen formell verurteilten Parteifunktionären soll sogar sporadisch gestattet worden sein, zu Hause zu nächtigen oder an privaten Feierlichkeiten außerhalb der Haftanstalt teilzunehmen.
Die Existenz dieser Luxusgefängnisse und die privilegierte Behandlung von Parteikadern steht im krassen Gegensatz zur offiziellen Staatspropaganda, die häufig den Eindruck zu erwecken versucht, dass selbst hochrangige Parteifunktionäre hart bestraft würden. Vor allem steht sie jedoch im völligen Widerspruch zu den menschenunwürdigen Haftbedingungen, die Millionen von Chinesen in den Zwangsarbeitslagern erleiden müssen. Ein Sprecher des Yancheng-Gefängnisses verteidigte die „Luxusbedingungen“ mit höheren Resozialisierungschancen für die Häftlinge. Allerdings scheint es sich bei den sogenannten Luxusgefängnissen nicht um ein institutionalisiertes System wie bei den diversen anderen Typen von Hafteinrichtungen zu handeln.

Wohnsitzkontrolle – Hukou

Hukou (户口) [zu Deutsch: „Wohnsitzkontrolle“; im Englischen: „residency permit system“; wortwörtliche Übersetzung: „eingetragener ständiger Wohnsitz“]

Die Behörden der VR China verweigern ihren Bürgern eine freie Wahl des Wohnortes. Zu diesem Zweck gibt es das „Hukou“ – ein administratives System der Wohnsitzkontrolle. Es ist in Teilen mit einer Aufenthaltserlaubnis vergleichbar, da es formell festschreibt, in welcher Stadt oder ländlichen Region ein Chinese legal wohnen und arbeiten darf. Die chinesische Regierung hat weitreichende Reformen der „Wohnsitzkontrolle“ angekündigt. Es bleibt abzuwarten wie und wann diese Ankündigungen umgesetzt werden.
Über das „Hukou“ werden soziale Belange wie Krankenversicherung, Rente, die Schulbildung oder die Zuweisung von sozialem Wohnraum geregelt. Diese sozialen Leistungen sind an den im „Hukou“ eingetragenen Wohnort gebunden und entfallen in der Regel, wenn sich der Hukou-Inhaber „illegal“ an einem anderen Ort ansiedelt.
Grundsätzlich stellt das Hukou-System eine deutliche diskriminierende Unterscheidung zwischen zwei Personengruppen dar: Der Stadtbevölkerung und der deutlich ärmeren Landbevölkerung, wobei letztere in ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung deutlich überwiegt. Die sozialen Leistungen in den Städten sind wesentlich umfangreicher als auf dem Lande, wo bestimmte Sozialleistungen gar nicht oder nur in deutlich reduzierter Form angeboten werden. Zudem ist ein Großstadt-Hukou auch häufig eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Arbeitsplatz- oder Studienplatzbewerbung, selbst wenn das Angebot aus einer anderen Stadt kommt. Dementsprechend ist es für die Inhaber eines Stadt-Hukou ebenfalls leichter, ein Hukou für eine andere Stadt zu erwerben.
Für die riesige Landbevölkerung gibt es im Prinzip nur zwei Möglichkeiten, um legal ein Stadt-Hukou zu erwerben: Entweder man bezahlt eine selbst für europäische Einkommensverhältnisse außerordentlich hohe Geldsumme oder man absolviert eine Ausbildung in Bereichen, die in den Städten gefragt sind. Dadurch kann der zu zahlende Betrag deutlich reduziert werden oder ein potentieller Arbeitgeber kommt im günstigsten Fall für die Kosten auf. Da die Ausbildungsmöglichkeiten auf dem Land völlig unzureichend und die Löhne selbst für chinesische Verhältnisse niedrig sind, bleibt vielen Chinesen nur die Möglichkeit, als Arbeitsmigranten ohne Hukou in die wohlhabenderen Städte zu ziehen, um den Lebensunterhalt für sich und die Familie zu sichern.
Zu Maos Zeiten war es für die Landbewohner faktisch unmöglich, die Wohnsitzkontrolle zu überwinden, da Nahrung in ganz China praktisch nur mit Lebensmittelmarken erworben werden konnte, die wiederum vom Staat vorrangig an linientreue Bürger verteilt wurden. Zudem war die Kontrolle in den Kolchosen und Staatsbetrieben so rigide, dass eine Flucht sehr schwer umzusetzen war.
Die ca. 200 Millionen Arbeitsmigranten, die heute ohne Stadt-Hukou in den städtischen Ballungsgebieten leben, leiden vor allem unter dem Umstand, dass sie

keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben und sie unter anderem ihre Kinder nicht zur Schule schicken können. Außerdem genießen sie beispielsweise keinerlei Rechtssicherheit vor Ausbeutung durch ihren Arbeitgeber. Der Status der Arbeitsmigranten kann daher durchaus mit dem Status von illegalen Einwanderern in vielen Industriestaaten verglichen werden.
Zudem sind die Arbeitsmigranten auch immer wieder der Willkür der Sicherheitskräfte ausgesetzt. Noch 2003 konnten chinesische Sicherheitskräfte auf der Grundlage des Shourong Qiansong-Systems („Gewahrsam und Rückführung“) Personen ohne legales Hukou „legal“ einsperren und in ihre Heimatregionen abschieben. Neben der temporären Einweisung in Gefängnisse, in denen Folter und andere Rechtsverstöße häufig sind, wurden Arbeitsmigranten auch zur Zwangsarbeit genötigt. Obwohl Premierminister Wen Jiabao 2003 die Auflösung des Shourong Qiansong-Systems persönlich ankündigte, soll es weiterhin zu Übergriffen auf Arbeitsmigranten von Seiten der Polizei kommen – wenn auch in weniger systematischem Umfang.
Als kleiner Lichtblick in jüngster Zeit kann die Tatsache bewertet werden, dass einige chinesische Städte zumindest einem Teil ihrer Arbeitsmigranten das begehrte Hukou kostenlos ausgestellt haben. Die verheerende soziale Lage der Arbeitsmigranten hat in den letzten zwei Jahrzehnten auch zu einem Anstieg an Kriminalität und sozialen Spannungen in China geführt. Eine (schrittweise) „Reform“ des Hukou-System ist vom Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas Ende November 2013 angekündigt worden. Ob, wann und wie diese Reform umgesetzt wird, muss sich zeigen.

Arbeitsstelle – Danwei

Danwei (单位) [zu Deutsch: „Arbeitsstelle“; im Englischen: „work unit“]

Das Danwei ist eine administrative Bezeichnung für „Arbeitsstelle“. In der Volksrepublik China vor 1979, in der es keine nennenswerte Privatwirtschaft gab, war der staatlich bereitgestellte Arbeitsplatz mit Privilegien sowie mit einer Reihe von Verpflichtungen und Beschränkungen eng verknüpft.
In jüngster Zeit hat das Danwei stark an Bedeutung verloren, da immer weniger Chinesen in Staatsbetrieben arbeiten und gleichzeitig die Befugnisse der Arbeitgeber beschnitten wurden. So dürfen Chinesen seit einigen Jahren ohne die Erlaubnis des Arbeitgebers heiraten. Allerdings üben in der Praxis viele Arbeitgeber immer noch viel Einfluss auf das Privatleben ihrer Angestellten aus. Dies wird unter anderem durch die autoritäre Ein-Parteien-Struktur gefördert, die Machtmissbrauch und mangelnde Rechtssicherheit begünstigt und zementiert.

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