„Sapad 2025" – eine Bedrohung für Europa?

Karte mit NATO-Mitgliedstaaten (blau) sowie Russland und Belarus (rot), die potenzielle Konfliktzonen im Baltikum zeigt. Dargestellt sind mögliche russische Offensiven aus Kaliningrad, Belarus und Russland in Richtung der baltischen Staaten und Polens sowie mögliche NATO-Gegenoffensiven. Markiert sind strategisch wichtige Punkte wie die Suwałki-Lücke, Pskow und große Städte des Baltikums – ein Hinweis auf die besondere Verwundbarkeit der NATO-Ostflanke. Bild: Foreign Policy Research Institut
Neuer Gesetzesentwurf in Belarus eingereicht
Belarus: Ausrufung des Kriegsrechts und Kriegseintritt belarusischer Truppen nach "Angriff" auf Russland?
Frankfurt am Main / Minsk, 28. August 2025 – Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) macht auf den am 5. August in die Nationalversammlung der Republik Belarus eingereichten Gesetzesentwurf aufmerksam. Ein "Angriff" auf den "Unionsstaat" Russland könne demnach die Ausrufung des Kriegsrechts und damit auch den Kriegseintritt belarusischer Truppen nach sich ziehen. Die IGFM warnt in dem Zusammenhang vor den Gefahren der russisch-belarusischen Militärübung „Sapad-2025" (Westen – 2025), die im September in Belarus stattfinden soll.
„Die Militarisierung von Belarus ist nicht nur ein geopolitisches Risiko, sondern auch eine massive Verschärfung der bereits bestehenden Menschenrechtskrise. Jede Stationierung russischer Truppen bedeutet mehr Überwachung, Einschüchterung und Unterdrückung für die Menschen in Belarus, und eine massive Zunahme der Gefahr für die Ukraine", warnt Valerio Krüger, Sprecher des Vorstands der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte.
Bereits am 6. August traf der erste Transport russischer Soldaten und militärischer Ausrüstung in Belarus ein. Offiziell spricht Minsk von rund 13.000 Teilnehmern, NATO-Schätzungen gehen jedoch von bis zu 150.000 Soldaten aus – eine Truppenstärke, die 15 Divisionen entspricht. Die Übung erinnert gefährlich an das Szenario Anfang 2022: Damals folgte auf „Sapad-2021" die Übung „Union Resolve-2022", nach dem die russischen Truppen in Belarus verblieben und am 24. Februar 2022 von dort aus in die Ukraine einmarschierten. Im Rahmen der Übungen sollen auch atomwaffenfähige Raketen vom Typ „Oreshnik" getestet werden.
Gesetzesänderung macht Kriegseintritt wahrscheinlicher
Der neue Gesetzesentwurf sieht vor, dass jeder Angriff auf Russland als „Angriff auf das Unionsstaat-Territorium" gilt – und damit die Einführung des Kriegsrechts in Belarus ermöglicht. Dieses Gesetz steht im Einklang mit dem Abkommen über gegenseitige Sicherheitsgarantien zwischen Russland und Belarus vom 6. Dezember 2024. Darin verpflichten sich beide Staaten zur Unterstützung, wenn die Sicherheit eines der beiden Länder oder der "Union" bedroht ist. Die IGFM warnt, dass dies de facto einen Blankoscheck für den Kriegseintritt an der Seite Russlands darstellt und die belarusische Bevölkerung in einen Krieg zwingen könnte.
Menschenrechtsdimension der Militarisierung
Wehrpflichtige und Reservisten stehen unter massivem Druck, denn Verweigerung oder Kritik am Militär werden strafrechtlich verfolgt. Mit dem Verweis auf „nationale Sicherheit" drohen zudem neue Wellen willkürlicher Festnahmen. Auch politische Gefangene, darunter Aktivisten und Journalisten, sind während der Militärübungen besonders gefährdet. Familienangehörige von Deserteuren oder Wehrdienstverweigerern laufen Gefahr, Repressionen ausgesetzt zu werden, warnt die IGFM.
Die IGFM fordert daher eine internationale Beobachtung der Militärübungen in Belarus, die Ausweitung von Schutzprogrammen für belarusische Kriegsdienstverweigerer und Deserteure in der EU. Zusätzlich müssen gezielte Sanktionen gegen Militär- und Sicherheitsorgane, die die Bevölkerung unterdrücken und Belarus in den Krieg treiben, geprüft werden. Schlussendlich fordert die IGFM die Freilassung aller politischen Gefangenen in Russland und Belarus.
Hintergrund:
„Sapad"-Manöver finden alle vier Jahre statt und gelten als zentrales Element der russisch-belarusischen Militärkooperation. 2021 und 2022 nutzte Moskau solche Übungen als Deckmantel für Truppenverlegungen. Seit Beginn des Krieges hat Belarus keine eigenen Truppen in die Ukraine entsandt, jedoch den russischen Angriff durch logistische und operative Unterstützung entscheidend erleichtert – einschließlich Raketenstarts von belarusischem Territorium.
Militärische Dauerpräsenz und parallele OVKS-Manöver
Zusätzlich zu „Sapad-2025" sollen Anfang September in Belarus gleich mehrere Großübungen im Rahmen der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) stattfinden, darunter „Wsaimodejstwije-2025" (Zusammenarbeit-2025) – mit den kollektiven Einsatzkräften, „Poisk-2025" – mit Aufklärungsverbänden und „Echelon-2025" (Kampfformation-2025) – mit Logistik- und Versorgungstruppen. Die gleichzeitige Durchführung dieser Manöver zeigt die zunehmende Militarisierung von Belarus als möglichem Aufmarschgebiet.
Auch diesmal kündigten belarusische Offizielle an, „neue Formen und Methoden des Einsatzes" auf Grundlage „aktueller militärischer Konflikte" zu trainieren – eine klare Anspielung auf den laufenden Krieg gegen die Ukraine.