Appell an Außenminister Wadephul

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), die Arbeitsgruppe Anerkennung – Gegen Genozid, für Völkerverständigung (AGA), der Zentralrat der Armenier in Deutschland (ZAD), die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM), Christian Solidarity International (CSI) sowie die Stephanus Stiftung für verfolgte Christen appellieren gemeinsam an Außenminister Wadephul, die Schweizer Friedensinitiative zu unterstützen und sich für die Freilassung politischer Gefangener in Aserbaidschan einzusetzen.

 Unterstützung der Schweizer Friedensinitiative und Einsatz für die Freilassung
politischer Gefangener in Aserbaidschan

Berlin/ Göttingen/ Frankfurt am Main, 21. August 2025

Sehr geehrter Herr Bundesaußenminister Dr. Wadephul,

als unterzeichnende Organisationen wenden wir uns mit einem dringenden menschenrechtlichen und völkerrechtlichen Anliegen im Rahmen des Friedensprozesses zwischen Armenien und Aserbaidschan an Sie.

Wir bekräftigen unser Bekenntnis zu einem gerechten und nachhaltigen Frieden im Südkaukasus und begrüßen ausdrücklich das am 08. August 2025 in Washington abgehaltene Treffen zwischen Präsident Donald Trump, Ministerpräsident Nikol Paschinjan und Präsident Ilham Alijew als einen wichtigen Schritt hin zu einer gewaltlosen Lösung des Konfliktes. Gleichzeitig sind wir zutiefst besorgt, dass die in Washington verabschiedete Friedenserklärung erhebliche Lücken aufweist, die die Aussichten auf eine gerechte und dauerhafte Lösung gefährden. Wahrer Frieden ist ohne die Sicherung der Rechte und der Sicherheit der gewaltsam vertriebenen Armenier aus Bergkarabach/Arzach nicht möglich. Deshalb rufen wir die Bundesregierung auf, gemeinsam mit der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten eine aktive und prinzipientreue Rolle in diesem entscheidenden Friedensprozess zu übernehmen.

In einem Schreiben vom 12. November 2024, als Antwort auf ein gemeinsames Schreiben von S. E. Bischof Serovpé Isakhanyan und dem Vorsitzenden des Zentralrats der Armenier in Deutschland (ZAD) an den Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU, Herrn Friedrich Merz, unterstrich Ihr Fraktionskollege, Herr Michael Brand, den menschenrechtlichen Kurs der CDU/CSU-Fraktion:

„Die CDU/CSU-Fraktion im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe des Deutschen Bundestages hat sich wiederholt mit der humanitären Lage in Bergkarabach nach der monatelangen Hungerblockade durch Aserbaidschan und dessen ungerechtfertigten militärischen Angriff befasst, der zu erheblichen Verstößen gegen das Völkerrecht geführt hat."

Herr Brand betonte zudem:

„Die mehr als 100.000 Armenier, die im September des Vorjahres aus ihrer Heimat in Bergkarabach vertrieben wurden, müssen gemäß dem Urteil des Internationalen Gerichtshofs vom 17. November 2023 ungehindert und umgehend zurückkehren können."

„Ein sofortiges Ende der Zerstörung des religiösen, kulturellen und historischen Erbes von Bergkarabach ist dringend geboten."

Zur deutschen Position im Kontext der COP29 führte Herr Brand aus:

„In seiner Sitzung am 13. November 2024 wird sich der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe des Bundestages mit der Menschenrechtslage in Aserbaidschan im Kontext der 29. UN-Klimakonferenz befassen. Die CDU/CSU-Fraktion wird ihre Forderungen deutlich gegenüber den Vertretern des Auswärtigen Amtes formulieren."
„Die Außenministerin muss als Teil der deutschen Regierungsdelegation jede diplomatische Gelegenheit auf höchster Ebene nutzen, um sich für die Freilassung der armenischen Kriegsgefangenen und Geiseln einzusetzen."

Sehr geehrter Herr Außenminister, in Anknüpfung an diese klare Position Ihrer Fraktion fordern wir Sie eindringlich auf, diese Verantwortung nun mit diplomatischer Entschlossenheit wahrzunehmen. Konkret bitten wir Sie, drei zentrale Maßnahmen zu ergreifen:

1. Unterstützung der Schweizer Friedensinitiative für Bergkarabach
Die am 26. Mai 2025 in Bern veröffentlichte Grundsatzerklärung der Schweizer Friedensinitiative für Bergkarabach ist von besonderer Bedeutung. Der Schweizer Bundesrat kündigte darin an, ein internationales Friedensforum zu organisieren, das einen offenen Dialog zwischen Aserbaidschan
und den gewaltsam vertriebenen Vertretern der Armenier aus Bergkarabach unter internationaler Aufsicht ermöglichen soll.

Die Initiative entspricht unmittelbar den Forderungen des Internationalen Gerichtshofs (IGH) vom 17. Oktober 2023, der Aserbaidschan verpflichtete:
„Alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass Personen, die aus Bergkarabach geflohen sind, ungehindert und sicher zurückkehren können."
Die Schweiz bringt mit ihrer Neutralität und Vermittlungserfahrung ideale Voraussetzungen mit, um diesem jahrzehntelangen ungelösten Konflikt eine neue friedliche Perspektive zu eröffnen.

Wir bitten Sie daher, sich dafür einzusetzen, dass sich die Bundesregierung offiziell hinter diese wichtige Friedensinitiative stellt.

2. Diplomatische Schritte zur Freilassung armenischer Geiseln und politischer Gefangener in Aserbaidschan.
Über 23 armenische Zivilisten, Kriegsgefangene und frühere Amtsträger aus Bergkarabach werden nach wie vor in Aserbaidschan festgehalten und rund 80 weitere gelten als gewaltsam verschwunden. In dem oben erwähnten Schreiben vom 12. November 2024 betonte die CDU/CSU-Fraktion im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe des Bundestages die dringende Notwendigkeit, dass sich die deutsche Außenpolitik sich für die Freilassung der armenischen Kriegsgefangenen und Geiseln einzusetzen."
Auch die Resolution 2580 (2025) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates fordert unmissverständlich „die unverzügliche, bedingungslose Freilassung aller inhaftierten armenischen Amtsträger, Kriegsgefangenen und Zivilisten durch Aserbaidschan."

Gleichzeitig verschärft sich die politische Repression innerhalb Aserbaidschans. Die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen ist stark eingeschränkt, und rund 200 Menschen sitzen als politische Gefangene in Haft. Ende 2024 war Aserbaidschan mit 13 inhaftierten Journalisten laut CPJ weltweit eines der Länder mit der geringsten Pressefreiheit. Am 20. Juni 2025 wurden acht Journalisten, darunter der in Prag promovierende Politologe Bahruz Samadov, zu Haftstrafen zwischen 7 ½ und 15 Jahren verurteilt. Samadov, der sich für eine friedliche Lösung der Karabach-Frage engagierte, an internationalen Friedensprozessen beteiligt war und für internationale Medien schrieb, wurde wegen angeblichen „Hochverrats" festgenommen; der Strafantrag der Staatsanwaltschaft führte bei ihm zu einem Selbstmordversuch und Hungerstreik. Sein Fall steht exemplarisch für die systematische Kriminalisierung friedensorientierter Intellektueller.

Bei einer Sonderveranstaltung am Rande der 58. Sitzung des UN-Menschenrechtsrats in Genf, organisiert von Christian Solidarity International (CSI), kamen Berichte über systematische Misshandlungen dieser Gefangenen ans Licht, darunter Schläge, Scheinhinrichtungen und psychische Gewalt. Die Lage verschärfte sich zusätzlich, nachdem dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) der Zugang zu Gefangenen untersagt wurde.

Angesichts dieser ernsthaften Lage appellieren wir an Sie, sehr geehrter Herr Außenminister, sich auf bilateraler Ebene, im Europarat und gegenüber der EU Kommission aktiv für die Freilassung aller politischen Gefangenen in Aserbaidschan einzusetzen – einschließlich der armenischen Geiseln.

3. Rechtliche Bewertung der anhaltenden Inhaftierungen im Lichte derVölkermordkonvention

Die gezielte Gefangennahme führender Personen aus Bergkarabach, die systematische Vertreibung und Verhinderung einer gesicherten Rückkehr der Vertriebenen sowie die psychologische Gewalt gegen die gesamte armenische Gemeinschaft aus Bergkarabach erfüllen nach Auffassung internationaler Juristen Tatbestände gemäß der UN Völkermordkonvention, insbesondere Artikel 2 (b) und (c).

Am 30. Oktober 2023 erklärte der erste UN-Sonderberater für die Verhütung von Völkermord, Juan Méndez:
„Die Entscheidung, das Land zu verlassen – verursacht durch den Angriff, aber auch durch neun Monate der Entbehrung – zeigt den schweren psychologischen Schaden, der allen ethnischen Armeniern durch die offizielle Politik und Praxis Aserbaidschans zugefügt wurde. Dies entspricht der Definition von Völkermord gemäß Artikel 2(b) der Völkermordkonvention."

Laut Internationalem Gerichtshof entsteht die Verpflichtung zur Prävention eines Völkermords in dem Moment, in dem ein Staat von der ernsthaften Gefahr eines solchen Kenntnis erlangt oder hätte erlangen müssen.

In diesem Sinne setzen Sie sich bitte entschlossen dafür ein, eine unabhängige völkerrechtliche Prüfung in Auftrag zu geben, um die Inhaftierungspraxis Aserbaidschans sowie die gewaltsame Vertreibung der Armenier im Lichte der Völkermordkonvention zu bewerten – und gegebenenfalls weitere Schritte zur Einleitung eines internationalen Verfahrens zu prüfen.

Sehr geehrter Herr Außenminister, Deutschland trägt gegenüber dem armenischen Volk eine besondere Verantwortung – und kann durch klare Unterstützung und diplomatische Entschlossenheit einen entscheidenden Beitrag leisten.

Mit freundlichen Grüßen,

Sarah Reinke, Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV)
Dr. Tessa Hofmann, Arbeitsgruppe Anerkennung – Gegen Genozid, für Völkerverständigung (AGA)
Jonathan Spangenberg, Zentralrat der Armenier in Deutschland (ZAD)
Valerio Krüger, Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM)
Dr. John Eibner, Christian Solidarity International (CSI)
Michaela Koller, Stephanus Stiftung für verfolgte Christen

Der Appell an den Bundesaußenminister 
Dr. Johann Wadephul zur Unterstützung
der Schweizer Friedensinitiative und den
Einsatz für die Freilassung politischer
Gefangener in Aserbaidschan

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