Baktash Abtin

Baktash Abtin leistete seit September 2020 seine sechsjährige Haftstrafe aufgrund von „Propaganda gegen das Regime“ im Evin-Gefängnis ab. Als er sich im Dezember 2021 im Gefängnis mit dem Coronavirus infizierte, verweigerte das Gefängnispersonal dem Schriftsteller trotz einer Vorerkrankung der Lunge so lange eine medizinische Behandlung, dass dieser schließlich ins künstliche Koma versetzt werden musste. Etwa eine Woche später erlag Abtin seiner Erkrankung.

Wegen fehlender Behandlung an COVID-19 verstorben

Ein Grabstein bin ich!
Leb immer in Klagegesängen
Und jeden Tag
Sprechen die Finger eines siegreichen Mannes
ein Todesgebet auf meinem Körper!
Jede Andeutung bin ich!
Hab tausend Namen dreh mich zu jedem um, den ich hör!
Bin Mondschein, Stern, Morgenröte
Schlaf bis zum Morgen nicht, Nacht bin ich!
Auch tausend anderen Namen bin ich!
Nur manchmal im Ausweis und in Mutters Träumen
Bin ich ein Engel!
Bin ich es nicht?

Ausschnitt aus „Der Engel“ von Baktash Abtin

Baktash Abtin, 1974 in Teheran geboren, war ein iranischer Dichter, Filmemacher und Mitglied des iranischen Schriftstellerverbandes. Abtin sprach sich unter anderem gegen die Zensur aus und setzte sich für Meinungsfreiheit und die Abschaffung der Todesstrafe ein. Im Mai 2019 wurde er wegen „Propaganda gegen den Staat“ und „Verschwörung gegen die nationale Sicherheit“ zu sechs Jahren Haft verurteilt. Seit September 2020 saß er im Evin-Gefängnis seine Haftstrafe ab.

Im Dezember 2021 infizierte sich Abtin im Gefängnis mit dem Coronavirus. Trotz einer Vorerkrankung der Lunge verwehrte das Gefängnispersonal ihm so lange eine medizinische Behandlung, dass er am 1. Januar 2022 schließlich ins künstliche Koma versetzt werden musste. Am 8. Januar 2022 erlag Abtin seiner Erkrankung.

Jahrelange Einschüchterung

Im Mai 2016 begann das Geheimdienstministerium Druck auf Abtin auszuüben. Unter anderem durchsuchten Geheimdienstagenten sein Haus und verhörten ihn mehrere Tage lang aufgrund von Protesten der Grünen Bewegung 2009 und einer „illegalen“ Veröffentlichung. Im selben Jahr wurde Abtin kurzzeitig inhaftiert, nachdem Sicherheitskräfte die Gedenkfeier für Mohammad Mokhtari und Mohammad Jafar Pooyandeh, beide ehemalige Mitglieder der iranischen Schriftstellervereinigung und Opfer politischer Attentate, gewalttätig beendet hatten.

Foto-von-Mazdak-Zarafshan-veröffentlicht-von-Baktash-Abtin

Nach seiner Freilassung veröffentlichte Abtin in einem sozialen Netzwerk ein Foto von Mazdak Zarafshan, einem weiteren
Mitglied des Vereins, der ihn zur Gedenkfeier begleitet hatte. Das Foto zeigt Zarafshan mit Verletzungen im Gesicht, gebrochenen Wangenknochen und Rippen, die ihm von den Sicherheitskräften zugefügt wurden. Nach der Veröffentlichung des Fotos verurteilte das Islamische Revolutionsgericht von Karaj den Schriftsteller zu einer Geldstrafe und drei Monaten Zwangsarbeit im Austausch für ein Jahr Gefängnis aufgrund von „Propaganda gegen den Staat“. Die Zwangsarbeit wurde später durch das Berufungsgericht gestrichen.

Urteil und Haftbedingungen

Im Mai 2019 wurde Abtin vom Islamischen Revolutionsgericht in Teheran zu sechs Jahren Gefängnis aufgrund von „Propaganda gegen das Regime“ und „Verschwörung gegen die nationale Sicherheit“ (die Anklage aus dem Jahr 2015) verurteilt. Von den sechs Jahren musste Abtin fünf Jahre in Haft verbringen, wie durch das Berufungsgericht bestätigt wurde.  Im September 2020 wurde Abtin ins Evin-Gefängnis gebracht, um seine Haftstrafe zu vollziehen. Vom 17. bis 23. März 2021 trat Abtin in einen Hungerstreik, aus Protest gegen vermehrte Transfers von Menschenrechtsaktivisten in Gefängnisse anderer Provinzen. Die Besuchsmöglichkeiten für Angehörige sind dort stärker eingeschränkt.

Tödliche Coronainfektion

Die Covid-19 Pandemie verschlimmerte die Lage in den Gefängnissen weiter. Anfang April 2021 wurde Abtin zwar negativ auf das Virus getestet, hatte sich aber eine Lungenentzündung zugezogen, die in Zusammenhang mit einer Covid-19 Infektion stehen könnte. Sein Zustand war durch eine bestehende Vorerkrankung der Lunge kritisch, weswegen er in den Krankenflügel des Gefängnisses verlegt wurde. Der Schriftsteller hatte aufgrund von Atemnot Probleme, überhaupt zu sprechen. Mitte April verbesserte sich sein Zustand, weswegen er in seinen Trakt zurückverlegt wurde.

Im Dezember 2021 infizierte sich Abtin erneut mit dem Coronavirus. Am 1. Januar 2022 wurde er ins Krankenhaus eingewiesen. Trotz seiner Vorerkrankung  hatte das Gefängnispersonal Abtins Beschwerden so lange ignoriert, dass er schließlich ins künstliche Koma versetzt werden musste. Aufgrund der viel zu späten Behandlung seiner Infektion, erlag Abtin mit nur 48 Jahren am 8. Januar 2022 schließlich seiner Erkrankung.

Nationale und internationale Reaktionen 

Die World Pen Association gab im Mai 2019 eine Erklärung ab, in der sie ihre Besorgnis über die Prozesse gegen die Mitglieder der iranischen Schriftstellervereinigung, Baktash Abtin, Reza Khandan Mahabadi und Keyvan Bazhan, zum Ausdruck brachte. Der iranische Schriftstellerverband erklärte: „Dies ist nicht nur ein Prozess und eine Verurteilung von drei Schriftstellern. Dies ist nicht nur ein Prozess gegen den iranischen Schriftstellerverband. Dies ist eine Verurteilung aller Schriftsteller und aller, die das Recht auf „Meinungsfreiheit“ vertreten.“

Zahlreiche internationale Organisationen forderten die sofortige Freilassung der Schriftsteller und riefen zur Solidarität auf, um die Meinungsfreiheit in der Islamischen Republik zu verteidigen. Mehr als 1.300 iranische Schriftsteller, Dichter, Künstler, sowie soziale und politische Aktivisten gaben im Dezember 2020 eine Erklärung ab, in der sie gegen die Inhaftierung von Mitgliedern der iranischen Schriftstellervereinigung protestierten und deren Freilassung forderten.

Nachdem Abtins Corona-Erkrankung öffentlich geworden war, veröffentlichte PEN America am 4. Januar 2022 einen dringenden Appell, in dem Abtins sofortige Entlassung aus der Haft gefordert wurde. Nach seinem Tod postete der Schriftstellerverband ein Statement, in dem dieser erklärt, dass Abtins Tod vollkommen vermeidbar gewesen war. „Abtin wurde die medizinische Behandlung verweigert, seine Begleiterkrankungen wurden ignoriert, und zeitweise war er an sein Bett gefesselt.“, so PEN weiter. Seine Inhaftierung im Evin-Gefängnis sei einer Todesstrafe gleichgekommen.

Weitere politische Gefangene im Iran

Manouchehr Bakhtiari

Manouchehr Bakhtiari ist der Vater des Aktivisten Pouya, der am zweiten Tag der landesweiten Proteste 2019 ermordet wurde. Seit dem Tode seines Sohns stellte sich Manochehr öffentlich gegen das Regime der Islamischen Republik und wurde mehrfach verhaftet.

Alireza Farshi

Alireza Farshi sitzt im Iran im Gefängnis, weil er sich für das Recht auf Muttersprache eingesetzt hat. Der aserbaidschanischstämmige Aktivist wurde verurteilt, weil er Bibliotheken gründete und den UNESCO-Tag der Muttersprache unterstützte. Nun droht ihm im Gefängnis die Erblindung – medizinische Hilfe wird ihm verweigert.

Sharifeh Mohammadi

Die iranische Arbeitsrechtaktivistin Sharifeh Mohammadi wurde am 07. Dezember 2023 wegen angeblicher „bewaffneter Rebellion" festgenommen. Sie wurde 4. Juli 2024 von der Abteilung 1 des Islamischen Revolutionsgerichts in Rasht zum Tode verurteilt. Am 13. Februar 2025 bestätigte Revolutionsgericht und Mitte August 2025 das Obersten Gericht das Todesurteil gegen Mohammadi.

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