Gültan Kışanak

Gültan Kışanak, die kurdische Politikerin und Ex-Bürgermeisterin von Amed (Diyarbakır), ist seit 2016 unrechtmäßig inhaftiert. Nun wurde ein neuer Haftbefehl gegen sie erlassen, weil ihr eine Beteiligung an den Kobanê-Protesten von 2014 vorgeworfen wird
Erneute Anklage gegen inhaftierte Kurdin
Am 25. Oktober 2016 wurde die Politikerin Gültan Kışanak, Jahrgang 1961, verhaftet und in Untersuchungshaft genommen. Ihr wurde vorgeworfen, Verbindungen zu der kurdischen Untergrundorganisation PKK zu haben. Vorgeworfen wurden ihr zudem die „Gründung und Leitung einer terroristischen Organisation“ und „Propaganda für die PKK“. Zu den Anklagepunkten gehörten unter anderem die Einführung der genderparitätischen Doppelspitze, die durch Gültan Kışanaks Initiative Vorstandspositionen mit einer Frau und einem Mann besetzt. Im Februar 2019 wurde Gültan Kışanak zu 14 Jahren und drei Monaten Haft verurteilt.
Noch im selben Jahr wurde das Urteil von einem Revisionsgericht aufgehoben. 2020 wurde der Prozess erneut aufgenommen. Am 17. Oktober des selben Jahres wurde Gültan Kışanak aufgrund eines Ermittlungsverfahrens im Zusammenhang mit den Kobanê-Protesten 2014 erneut angeklagt. Vorgeworfen wurde ihr eine Beteiligung an den Protesten, die sich gegen den IS-Überfall auf die Stadt Kobanê und die Unterstützung der türkischen Regierung für die dschihadistische Terrormiliz richteten.
Im August 2023 wurden Gültan Kışanak vier Stunden Hafturlaub für die Beerdigung ihrer Schwester gewährt. Direkt nach der Beisetzung ihrer Schwester wurde Gültan abgeführt und zurück in das Hochsicherheitsgefängnis Kandıra gebracht.
Frühere Verhaftungen
Mit 19 Jahren wurde Gültan Kışanak während des Militärputsches am 12. September 1980 das erste Mal festgenommen. Zwei Jahre lang war sie im Diyarbakır-Gefängnis im berüchtigten Kerker „Hölle Nr. 5“ inhaftiert und wurde dort gefoltert. Schon während ihrer Schulzeit begann Gültan Kışanak sich für Politik zu interessieren. Nach ihrem Schulabschluss studierte sie zunächst Türkisch an der Dicle-Universität, brach das Studium jedoch ab und begann 1986 Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit an der Ege Universität zu studieren.
Nach ihrem Studium arbeitete sie als Journalistin und Chefredakteurin für verschiedene prokurdische Zeitungen. Seit 1997 setzte sich Gültan Kışanak in der Frauenbewegung ein und engagierte sich für Frauenrechte.
Am 11. Dezember 2009 trat sie der Partei des Friedens und der Demokratie (BDP) bei und wurde 2010 zur Co-Vorsitzenden gewählt. Bei den türkischen Parlamentswahlen 2011 wurde Gültan Kışanak als von der BDP unterstützte Kandidatin ins Parlament gewählt. 2014 wurde sie bei den Regionalwahlen als erste Frau zur Bürgermeisterin von Amed (Diyarbakır) gewählt.
Kurden in der Türkei
Kurden werden als größte ethnische Minderheit in der Türkei gezielt unterdrückt. Bis 1991 waren kurdische Medien in der Türkei verboten. Lange Zeit wurde auch die kurdische Sprache vollkommen verboten. Erst 2013 wurden kurdische Namen, die Buchstaben wie Q, W oder X enthielten, erlaubt. Im selben Jahr wurde „unbewaffneter Terrorismus“ im Zusammenhang mit dem Anti-Terror Gesetz von 1991 als Vorwand genutzt um seitdem Menschen zu verhaften, die sich gewaltfrei für Rechte der Kurden einsetzen. Seit den Regionalwahlen im Jahr 2019 wurden in den meisten Städten die pro-kurdischen Bürgermeister aus dem Amt entfernt, sofern ihnen das Amt nicht schon von vornherein verweigert worden war.