Appell an irakische Regierung

Die geplante Gesetzesänderung im Irak stuft das Heiratsalter für Mädchen von 15 auf neun Jahre herab. Dieses Vorhaben stellt einen massiven Eingriff in die Rechte für Frauen und junge Mädchen dar. Die IGFM appelliert gemeinsam mit weiteren Organisationen gegen diese „Legalisierung“ der Kinderehe und fordert von der irakischen Regierung, ihren Verpflichtungen gegenüber Frauen und jungen Mädchen angemessen nachzukommen. Foto: Pixabay
Legalisierung von Kindesmissbrauch
Geplante Gesetzesänderung im Irak gefährdet massiv die Rechte von Frauen und jungen Mädchen
Frankfurt am Main/ Bagdad, 29. August 2024 – Das irakische Parlament plant die Verabschiedung eines umstrittenen Vorschlags, welcher eine stärkere religiöse Einflussnahme auf das Familienrecht ermöglichen soll. Dazu zählt die Herabstufung des gesetzlichen Mindestalters für die Ehe junger Mädchen von 15 auf neun Jahre. Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) ist entsetzt über diesen Entwurf, der eine massive Einschränkung für die Rechte von Frauen und jungen Mädchen darstellt. Diese Form des Kindesmissbrauchs darf unter keinen Umständen geltendes Recht werden. Gemeinsam mit weiteren Organisationen appelliert die IGFM daher an die irakische Regierung, dieses menschenunwürdige Vorhaben sofort einzustellen.
Nach Bekanntwerden der Einzelheiten, sieht der Änderungsvorschlag zum Personenstandsgesetzes Nr. 188 von 1959 eine Herabstufung des gesetzlichen Mindestalters für die Ehe junger Mädchen von 15 auf neun Jahre vor. Während das offizielle Heiratsalter von Mädchen derzeit noch bei 18 Jahren liegt, gibt es bereits richterliche Ausnahmen, bei denen minderjährige Mädchen im Alter von 15 Jahren verheiratet werden dürfen.
Die Untergrabung grundlegender Menschenrechte bedeutet einen Rückschritt für die gesamte irakische Zivilgesellschaft und gefährdet die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte. Ein Blick auf das Nachbarland Iran zeigt, wie die Herabstufung der Volljährigkeit iranischer Jungen und Mädchen im Jahr 1981 den Grundstein für die „Legalisierung“ der Kinderehe legte und die Verheiratung iranischer junger Frauen bis heute legitimiert. Mit der bevorstehenden Gesetzesänderung steht auch der Irak vor einer „Legalisierung“ der Kinderehe, mit der die systematische Unterdrückung und Misshandlung junger Mädchen durch deutlich ältere Männer einhergeht. Die IGFM und weitere Organisationen appellieren dringlichst an das irakische Parlament, diesen gefährlichen Änderungsvorschlag zu verwerfen und die Rechte von Frauen und jungen Mädchen zu schützen.
Internationale rechtliche Verpflichtungen
Die irakische Regierung hat sich mit der Ratifizierung der UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) im Jahr 1994 dazu verpflichtet, die Rechte junger Mädchen zu achten und zu schützen. Der Irak verletzt systematisch die vertraglich festgelegten Rechte des Kindes und verfehlt insbesondere die Pflicht eine entsprechende Rechtslage zum Schutz der Kinder herzustellen (Art. 3 Satz 2 UN-KRK).
Der Schutz junger Mädchen ist durch die Herabstufung des gesetzlichen Mindestalters für die Ehe massiv bedroht, die Kinderehe greift in die freie geistige und schulische, sowie die körperliche Entwicklung des Kindes ein (Art. 6 Satz 2 UN-KRK). Zu den schwerwiegendsten Folgen der Kinderheirat zählen Entwicklungsstörungen, frühe Schwangerschaften und Depressionen. Betroffene Mädchen haben nach der Hochzeit oft keinen Zugang mehr zu Bildungsmöglichkeiten und sind häufiger Gewalt ausgesetzt. Der Änderungsvorschlag steht entgegen der Verpflichtung der irakischen Regierung junge Mädchen gemäß Art. 34 UN-KRK „vor allen Formen sexueller Ausbeutung und sexuellen Missbrauchs zu schützen“. Mit der „Legalisierung“ einer Heirat ab neun Jahren werden junge Mädchen im Irak regelrecht sexueller Gewalt ausgesetzt.
Hintergrund
Seit langem drängen konservative und religiöse Gruppen, insbesondere schiitische Geistliche und Parteien, dazu, das Personenstandsgesetz stärker an islamische Scharia-Prinzipien anzupassen. Bereits 2017 gab es den Versuch, mit Hilfe einer Gesetzesänderung den religiösen Einfluss zu stärken und das gesetzliche Mindestalter für die Ehe herabzusetzen. Der Vorschlag hätte es religiösen Gemeinschaften erlaubt, Ehe- und Familienangelegenheit nach ihren eigenen religiösen Regeln zu regeln, bei dem u.a. Männer in Scheidungsfällen stärker bevorzugt werden und das Heiratsalter für Mädchen auf 9 Jahre herabgestuft. Die konfessionellen Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten könnten durch die Gesetzesänderung verstärkt werden.