Menschenrechtslage im Iran

Nach dem Tod des ehemaligen Präsidenten Ebrahim Raisi im Mai 2024 fanden in der Islamischen Republik Iran nun Neuwahlen statt. Die IGFM berichtet über die Wahlergebnisse und informiert in diesem Iranbericht zudem über die gegenwärtige Menschenrechtslage im Land.
Präsidentschaftswahl im Iran: Die Bevölkerung hat sich mit einem deutlichen „Nein“ gegen die Islamische Republik ausgesprochen.
Die vorgezogenen Präsidentschaftswahlen im Iran, die nach dem Tod des ehemaligen Präsidenten Ebrahim Raisi am 28. Juni 2024 stattfanden, gingen mit einer Wahlbeteiligung von rund 40 % in die zweite Runde. 39,96 Prozent ist die offizielle Bekanntgabe des iranischen Innenministeriums und wird in der Regel nach oben korrigiert. Dies ist die niedrigste Wahlbeteiligung in der Geschichte der Islamischen Republik und ein eindeutiges Zeichen des zivilen Ungehorsams zur Delegitimierung der Wahlen der Regierung. Einer Regierung die in den vergangenen zwei Jahren, insbesondere während der „Frauen, Leben, Freiheit“-Bewegung, Gewalt zur Unterdrückung der iranischen Demonstranten eingesetzt hat.
Auch zahlreiche politische Gefangene, darunter die Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi und die Islamwissenschaftlerin Sedigheh Vasmaghi, haben zum Boykott der iranischen Präsidentschaftswahlen aufgerufen und nicht an den Wahlen teilgenommen.
Kandidaten und Wahlergebnisse laut staatlicher Informationen:
Im Rahmen der vorliegenden Wahl haben sich vier Kandidierende zur Wahl gestellt. Die Kandidatur umfasste vier Vertreter des Hardliners sowie einen sogenannten Moderaten.
Ex-Gesundheitsminister Massoud Peseschkian (Moderat) erhielt im ersten Wahlgang gut 10,41 Millionen Stimmen (42 Prozent). Said Dschalili folgte dahinter mit gut 9,47 Millionen Stimmen (38 Prozent). Der konservative Parlamentspräsident Mohammed-Bagher Ghalibaf erhielt 3,38 Millionen Stimmen (13 Prozent), gefolgt von rund 1,56 Millionen ungültigen Stimmen (4 Prozent). Der konservative Geistliche Mostafa Purmohammadi erhielt nur 206.397 Stimmen (0,8 Prozent).
Gemäß Artikel 117 der Verfassung der Islamischen Republik Iran kann derjenige zum Präsidenten gewählt werden, der im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit der Stimmen der Wahlberechtigten erhält. Absolute Mehrheit bedeutet 50 % plus eine Stimme.
Wer neuer Präsident der Islamischen Republik wird, entscheidet sich am 5. Juli 2024 in einer Stichwahl zwischen dem moderaten Massoud Peseschkian und dem ultrakonservativen ehemaligen Atomunterhändler Said Dschalili.
Die Kandidaten und die Menschenrechte:
Im Rahmen der Wahlkampfdebatte wurde ersichtlich, dass keiner der Präsidentschaftskandidaten einen Plan zur Verhinderung von Gewalt gegen Frauen bezüglich des obligatorischen Kopftuchs vorzuweisen hat. Dschalili bezeichnete das Gesetz als „Redekapitel“ und führte aus, dass, solange das Tragen eines Kopftuchs gesetzlich verpflichtend sei, dessen Umsetzung erfolgen müsse. Peseschkian gab zu verstehen, dass er die allgemeine Politik der Islamischen Republik bzw. der Revolutionsführer Ali Khamenei umsetzen wolle.
Menschenrechtsverletzungen gegen religiöse Minderheiten:
1 – Repressionen und Hafturteile gegen Bahá’í
Arash Nabavi, ein 38-jähriger Baha’i aus Isfahan, wurde vom dortigen Revolutionsgericht zu zehn Jahren Haft verurteilt (von denen er fünf absitzen muss). Fünf Jahre wegen „Mitgliedschaft in Gruppen, die die nationale Sicherheit gefährden“ und fünf Jahre wegen „Propagandaaktivitäten, die gegen die islamische Scharia verstoßen“. Nabavi wurde zunächst am 14. August 2023 verhaftet und nach zwei Monaten gegen Kaution freigelassen.
Weitere zu Unrecht zu Haftstrafen verurteilte Bahá’í sind Arshia Rohani und Hamid Monzavi. Die in Isfahan lebenden Bahá’í wurden am 8. Juni 2024 vom dortigen Revolutionsgericht zu jeweils fünf Jahren Haft verurteilt. Die Anklage lautete auf „Propaganda gegen das Regime“ und „Mitgliedschaft in einer Gruppe mit dem Ziel, die Sicherheit des Landes zu stören“.
Im Oktober 2023 wurden sie vorgeladen und verhaftet. Nach einem Tag wurden sie gegen Kaution freigelassen.
2 – Fünf Jahre Haft für den christlichen Konvertiten Esmaeil Narimanpour
Esmaeil Narimanpour wurde am 28. Mai vom Revolutionsgericht in Ahvaz mit dem Vorwurfs „Handelns gegen die nationale Sicherheit“ zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Er wartet nun auf die Vorladung zum Antritt seiner Strafe.
Der christliche Konvertit, der Mitglied der „Payam-e-Rahai“-Kirche ist, wurde am 24. Dezember 2023 von Agenten des Geheimdienstministeriums in der Stadt Dezful in der Provinz Khuzestan verhaftet und im April 2024 gegen Kaution freigelassen. Bereits 2021 wurde er wegen seiner religiösen Überzeugungen und Aktivitäten festgenommen.
3 – Verurteilung des christlichen Konvertiten Yasin Mousavi zu 15 Jahren Haft
Das Gericht beschuldigte Mousavi der „Mitgliedschaft in Gruppen, die auf die Störung der nationalen Sicherheit abzielen“ und der „Propaganda gegen die Islamische Republik durch die Förderung des Christentums“.
Mousavi wurde erstmals am 24. Dezember 2023 zusammen mit anderen christlichen Konvertiten in der Stadt Izeh in der Provinz Chuzestan festgenommen und am 30. April 2024 gegen Kaution freigelassen. Zuvor war er bereits im Oktober 2017, im April 2021 und im November 2022 inhaftiert worden.
Neben Yasin wurden zudem folgende christliche Konvertiten durch das Revolutionsgericht Ahvaz verurteilt: Hamid Afzali zu zehn Jahren Haft, Nasrullah Mousavi, Bijan Qolizadeh und Iman Salehi jeweils zu fünf Jahren Haft sowie Zahrab Shahbazi zu neun Monaten Haft.
Obwohl Christen im Iran als religiöse Minderheit anerkannt sind, geht das Regime hart gegen diejenigen vor, die vom Islam zum Christentum konvertieren.
Weitere Verurteilungen und Menschenrechtsverletzungen:
1 – Iman Pourgholizadeh, ein weiterer protestierender Filmemacher, wurde im Iran getötet
Am 25. Juni 2024 berichtete Khaneh Cinema, dass die leblose Leiche von Iman Pourgholizadeh, einem Kinoregisseur und Redakteur, in seiner Wohnung gefunden wurde und die Todesursache noch unbekannt ist. Pourgholizadeh wurde während des revolutionären Aufstands „Frau, Leben, Freiheit“ zweimal verhaftet. Zuvor ereilte einen anderen Kinoregisseur, Bahareh Lelahi, ein ähnliches Schicksal. Während des revolutionären Aufstands wurde er auch zweimal verhaftet. Vor einigen Tagen wurde die Nachricht von Lelahis Tod veröffentlicht.
2 – Eine Beamtin griff ein kleines Mädchen in der U-Bahn unter dem Vorwand an, keinen Hijab zu tragen
An einer der U-Bahn-Stationen in Shiraz in der Provinz Fars hinderten Hidschab-Wächter ein kleines Mädchen und ihre Mutter daran, die U-Bahn zu betreten, weil das Kind nicht die islamische Hidschab-Regel befolgt hatte. Die Mutter erklärte den Hidschab-Wächtern, dass ihre Tochter das Pflichtalter von neun Jahren noch nicht erreicht habe und es für sie folglich keine Verpflichtung gebe, den islamischen Hidschab zu tragen. Um die Reife des Mädchens zu beurteilen, drückte eine Hidschab-Wächterin die Brust des Mädchens so fest, dass sie auf diese Weise eine Prellung verursachte und sie so zum Weinen brachte. Die Wächterin behauptete, dass das Mädchen einen Schleier tragen müsse, weil ihre Brust gewölbt sei. Obwohl es sich bei der Hidschab-Wächterin um eine Frau handelte, verringerte ihr Geschlecht die Schwere des Angriffs auf das Mädchen nicht. Diese Aktion hat bei vielen Menschen Wut und Proteste ausgelöst.
3 – Mehr als zwei Jahre Haft für den augengeschädigten Demonstranten Matin Hasani
Matin Hasani, 23 Jahre alt, nahm an den landesweiten Protesten im November 2021, bekannt als Blutiger November, teil und verlor durch Schüsse der Beamten auf einem Auge die Sehfähigkeit. Diese Strafe reichte dem Regime der Islamischen Republik jedoch nicht aus. Hasani wurde kürzlich zu zwei Jahren und sieben Monaten Gefängnis verurteilt.
Er wurde am 23. Januar 2024 ohne Gerichtsbeschluss von Sicherheitskräften im Haus seiner Familie festgenommen und nach einem Monat aus dem Bukan-Gefängnis (in der Provinz West-Aserbaidschan im Nordosten des Iran) entlassen. Seine Gerichtsverhandlung fand am 16. Mai 2024 in der Abteilung 101 des Strafgerichtshofs Bukan statt, wo ihm vorgeworfen wurde, Menschen dazu angestiftet zu haben, sich gegenseitig zu bekämpfen und zu töten, mit der Absicht, die nationale Sicherheit zu stören und Propaganda gegen das Regime zu betreiben.
4 – Sieben High-School-Mädchen wurden von der Teilnahme an der Aufnahmeprüfung ausgeschlossen, weil sie die Hidschab-Regel nicht befolgten
Sieben Schülerinnen wurde von der Teilnahme an der Aufnahmeprüfung der Hochbegabtenschule in Teheran ausgeschlossen, weil sie die islamische Hidschab-Regel nicht befolgten. Trotz der Anwesenheit ihrer Eltern vor der Schule verweigerte der Schulleiter den Schülerinnen den Zutritt, wodurch sie durch das Versäumen der Aufnahmeprüfung die Chance auf ein Studium an der Hochbegabtenschule verloren.
5 – Rezvaneh Ahmad Khan Beigi und ihre Schwangerschaft im Evin-Gefängnis
Rezvaneh Ahmad Khan Beigi, die zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt wurde, befindet sich im sechsten Monat ihrer Schwangerschaft im Evin-Gefängnis, ohne medizinische Versorgung und ohne angemessene Ernährung. Die Schwangere leidet sie zudem an Epilepsie, was Krankenhausbesuche und medizinische Versorgung erforderlich machen. Ihr Ehemann, Behfar Lalezari, verbüßt ebenfalls eine fünfjährige Haftstrafe im Evin-Gefängnis.
Rezvaneh Ahmad Khan Beigi und Behfar Lalezari wurden im September 2023 verhaftet und es wurde ein gemeinsames Verfahren gegen sie eingeleitet. Seitdem sitzen sie im Gefängnis. Beide sind aufgrund ihres politischen Engagements und ihrer Menschenrechtsaktivitäten in der Vergangenheit immer wieder verhaftet und inhaftiert worden.
6 – Maryam Bayramian, Mutter von zwei Kindern, wurde zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt
Maryam Bayramian ist im Gefängnis von Täbris (in der Provinz Ost-Aserbaidschan im Nordosten des Iran) inhaftiert. Am 23. Juni 2024 verurteilte das Revolutionsgericht von Täbris sie wegen Beleidigung der Behörden und Verstößen gegen die nationale Sicherheit zu zwei Jahren Gefängnis. Sie ist eine 45-jährige Mutter von zwei Kindern und das Oberhaupt ihrer Familie. Bayramian wurde im Juni 2023 während einer Rede von Ebrahim Raisi, dem ehemaligen Präsidenten der Islamischen Republik, in Täbris festgenommen und ins dortige Gefängnis gebracht.
7 – Hungerstreik von Mohammad Davari in Einzelhaft
Drei Wochen sind vergangen, seit der Arbeitsaktivist Mohammad Davari am 8. Juni 2024 in Einzelhaft im Gefängnis Adel Abad in Shiraz, Provinz Fars im Südwesten des Iran, einen Hungerstreik begonnen hat. Seine Kommunikation mit seiner Familie wurde unterbrochen, weshalb seine Familie und seine weiteren Verwandten besorgt sind. Zur Verbüßung seiner Haftstrafe wurde er am 15. Mai 2024 erneut verhaftet.
Mohammad Davari, geboren 1994, ist Student der Politikwissenschaften und ehemaliger politischer Gefangener. In seinem jüngsten Fall verurteilte ihn Anfang Dezember letzten Jahres die erste Abteilung des Shiraz-Revolutionsgerichts unter der Leitung von Richter Seyed Mahmoud Sadati zu drei Jahren wegen Beleidigung der Führung und verbot ihm die Ausreise durch die Annullierung seines Reisepasses, hielt ihn von Cyber-Aktivitäten fern und zwang ihn, zwei Jahre lang in der Stadt Bardsir in Kerman zu bleiben. Außerdem erhielt er eine Haftstrafe von einem Jahr und sechs Monaten wegen angeblicher Propaganda gegen das Regime zugunsten feindlicher Gruppen im Internet.