Menschenrechtslage im Iran

Die Menschenrechtslage im Iran hat sich im November 2024 vor dem Hintergrund einer zunehmend schwierigen internationalen und regionalen Lage dramatisch verschlechtert, was das Regime zu noch größerer Härte und Brutalität im Innern treibt.
Die Menschenrechtslage im Iran verschärft sich diesen Monat weiter. Die systematische Unterdrückung von Frauen wird durch ein neues Dekret ausgeweitet, in Gefängnissen wird die Höchstanzahl an Todesstrafen verhängt. Gleichzeitig erhöht sich der Druck auf Teheran hinsichtlich der politischen Lage im Nahen Osten.
Mohammad Baqer Qalibaf, Sprecher des iranischen Parlaments, kündigte das Inkrafttreten des neuen Regierungsdekrets „Hijab und Keuschheit“ am 13. Dezember 2024 an – eine Maßnahme, die die systematische Unterdrückung der Frauen im Land weiter verschärft. Dieses Gesetz steht nicht im Einklang mit dem täglichen Leben der Bürger und beraubt sie ihrer persönlichen und sozialen Freiheiten. Gleichzeitig wurden allein im Oktober 2024 mindestens 161 Todesurteile in iranischen Gefängnissen verhängt, die höchste monatliche Zahl in diesem Jahr. Damit ist der Iran für 75 Prozent aller im Jahr 2023 weltweit dokumentierten Hinrichtungen verantwortlich – ein erschreckendes Zeugnis seiner repressiven Politik.
Diese Welle der Gewalt steht in direktem Zusammenhang mit der zunehmenden internationalen Isolation und der prekären Lage des Regimes. Das Debakel der Hisbollah und der Hamas, Irans bedeutendsten Stellvertretern in der Region, im Konflikt mit Israel hat der außenpolitischen Position des Iran einen schweren und tiefgreifenden Schlag versetzt. Der Druck auf Teheran verstärkt sich zusätzlich durch die grausame Ermordung des deutsch-iranischen Oppositionellen Jamshid Sharmahd sowie durch Irans offene Unterstützung für Russland im Ukraine-Krieg, insbesondere durch die Lieferung von Drohnen und Raketen an das Putin- Regime. Diese Entwicklungen und die enge Zusammenarbeit mit Moskau belasten die Beziehungen zu den westlichen Staaten erheblich. Gleichzeitig beabsichtigt der Westen, angesichts des intransparenten iranischen Atomprogramms den Druck weiter zu erhöhen.
Inmitten dieser Entwicklungen drohen die iranischen Revolutionsgarden am 30. November mit einer „Operation wie am 7. Oktober“ gegen Israel – eine verzweifelte Geste, die zeigt, dass sich das Regime in die Enge gedrängt fühlt. Diese geopolitischen Herausforderungen projiziert die Führung auf die eigene Bevölkerung und setzt systematisch auf Gewalt, um ihre Macht zu sichern. Besonders Frauen, Journalist:innen, Aktivist:innen und Dissident:innen sindim Fokus dieser Unterdrückung.
Ein besonders tragisches Beispiel ist der sogenannte Ekbatan-Fall: Sechs junge Menschen wurden zum Tode verurteilt, nachdem ein regimetreuer Basidschi-Milizionär bei einer Protestaktion während der Frau- Leben- Freiheit- Bewegung getötet wurde – obwohl die genauen Umstände seines Todes weiterhin unklar sind. Dieser Fall zeigt, wie das Regime seine Justiz als Werkzeug der Einschüchterung und Unterdrückung missbraucht.
Trotz dieser brutalen Repression bleibt der Wille der iranischen Bevölkerung ungebrochen.Die Forderungen nach Freiheit und Gerechtigkeit hallen weiter durch das Land, auch wenn das Regime mit aller Härte versucht, diese Stimmen zu ersticken. Die Menschenrechtsverletzungen im Iran sind nicht nur ein Ausdruck der Schwäche und Angst des Regimes, sondern auch ein Zeichen für den unaufhaltsamen Widerstand der Zivilgesellschaft gegen Unterdrückung.
Studentin protestiert gegen Sittenwächter
Anfang November kursierte in den sozialen Medien das Video einer Studentin der Azad Universität, Ahoo Daryaie. Sie zog sich in der Öffentlichkeit bis auf die Unterwäsche aus, um gegen die Sittenwächter zu protestieren, die sie wegen ihres Hijabs angegriffen hatten. Aufnahmen zeigten, wie die Studentin gewaltsam in ein Auto gebracht wurde. Ahoo wurde festgenommen und in eine psychiatrische Einrichtung eingewiesen.
Mehri Talebi Darestani, Leiterin der Frauen- und Familienabteilung der staatlich finanzierten Organisation „Gutes befehlen und Böses verbieten“ kündigte wenige Tage nach dem Vorfall an, dass in Tehran eine „soziale Schönheitsklinik“ errichtet werden soll, um Frauen, die die islamischen Kleidervorschriften nicht einhalten, zu helfen – mit einem Budget von umgerechnet 3,5 Millionen Euro! Mit der Einrichtung dieser Klinik versucht das Regime, diejenigen, die den Hijab entdecken, als „Patienten mit einer Persönlichkeitsstörung“ zu definieren. In dieser Klinik soll mit Hilfe der wissenschaftlicher und psychologischer Methoden das „Problem“ der Frauen gelöst werden, die sich nicht an die Kleidervorschriften des Regimes halten, heißt es in iranischen Medien.
Peitschenhiebe für Kritikerin der Zwangsverschleierung
Roshanak Molaei ist eine weitere mutige Frau, die Anfang November ohne Kopftuch auf der Straße von einem Motorradpolizisten belästigt wurde und sich zur Wehr setzte. Gegen sie wurde ein Verfahren wegen „Nichteinhaltung der Verschleierungsvorschriften“ eingeleitet. Sie wurde vorgeladen und im Gefängnis von Qarchak inhaftiert. Die Kritikerin der Zwangsverschleierung wurde freigelassen, nachdem sie ihre Strafe, Peitschenhiebe , verbüßt hatte.
Todesurteile
Sechs politische Gefangene wurden von Richter Iman Afshari von der Abteilung 26 des Revolutionsgerichts in Tehran wegen Baqŷ (bewaffneter Rebellion) durch „Mitgliedschaft in regimefeindlichen Gruppen“ zum Tode verurteilt: Akbar Daneshvar Kar, Mohammad Taghavi Sangdehi, Babak Alipour, Pouya Ghabadi Bistooni, Vahid Bani Amerian und Abolhasan Montazer .
Baqŷ, ein Begriff aus der islamischen Rechtsprechung, bezeichnet Rebellion gegen den herrschenden Imam oder Führer.
Konvertit zu zehn Jahren Haft verurteilt:
Tomaj Ariankia ist zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Ihm wird unter anderem vorgeworfen, er habe „Propaganda“ betrieben, indem er das Christentum verbreitete. Der Konvertit wurde zudem der „Zusammenarbeit mit den feindlichen Regierungen Israels, Großbritanniens und der USA“ sowie der Mitgliedschaft in „regimefeindlichen Gruppen“ für schuldig befunden.
Christliche Konvertitin im Evin-Gefängnis:
Ghazal Marzban Jorshari, eine in Teheran lebende konvertierte Christin, wurde am 5. November 2024 von der Sicherheitspolizei gewaltsam verhaftet und befindet sich ohne eindeutiges Gerichtsverfahren im Gefängnis. Der Jurastudentin wird unter anderem „Propaganda gegen die Regierung“ und „Abnehmen des Kopftuchs“ vorgeworfen.
Christ in Untersuchungshaft
Darüber hinaus verhafteten Geheimdienstkräfte des IRGC am 17. November 2024 in Nowshahr in der Provinz Mazandaran den christlichen Konvertiten Javad Amini und überstellten ihn in Untersuchungshaft. Auch er wurde wegen seiner religiösen Überzeugungen verhaftet.