Menschenrechte in Nordkorea

Am 1. Dezember 2023 veranstaltete die IGFM in Kooperation mit der südkoreanischen Menschenrechtsorganisation PSOCRE ein Symposium zur aktuellen Menschenrechtslage in Nordkorea. Im Rahmen der Veranstaltung wurden insbesondere die Themen Internetfreiheit, Kontrolle des Zugangs zu Informationen, Klimakrise und Frauenrechte beleuchtet. Zusätzlich konnte eine nordkoreanische Überläuferin Erfahrungen aus erster Hand teilen.

Korea-Symposium mit PSCORE

Nordkorea gilt als die geschlossenste Gesellschaft der Welt. Sowohl Nachrichten, die aus der Außenwelt in das Land gelangen, als auch die Informationen über Nordkorea selbst, die nach außen dringen, werden strengstens vom Staat überwacht und reguliert. Aufgrund der starken Abschottung des Landes gibt es kaum Augenzeugenberichte über die Lebens- und Menschenrechtssituation der nordkoreanischen Bevölkerung.

Umso besonderer war daher die Möglichkeit, die sich im Rahmen des Korea-Symposiums bot, mehr über das alltägliche Leben der Nordkoreaner zu erfahren. Im Fokus standen die Themen Internetfreiheit, Kontrolle des Zugangs zu Informationen, Klimakrise und Frauenrechte. Zu Wort kamen dabei Menschen, die die Verhältnisse dort selbst erlebt haben oder auf wissenschaftlicher Grundlage dazu forschen.

Das Symposium entstand in Kooperation mit der südkoreanischen Menschenrechtsorganisation „People for Successful Corean Reunification“ (PSCORE) und dem „Korean Institute for National Unification“ (KINU), einem von der südkoreanischen Regierung finanzierten ThinkTank, der das Ziel einer friedlichen Wiedervereinigung verfolgt.

Volker Storch, Pressesprecher der IGFM, eröffnete das Korea-Symposium mit einem Grußwort. Bild: IGFM

Nach einem kurzen Grußwort durch die IGFM übergab Pressereferent Volker Storch das Wort an den Direktor der Forschungsabteilung für humanitäre Hilfe und Zusammenarbeit am KINU, Wootae Lee. Seinen Vortrag über Informationszugangs-Kontrolle in Nordkorea und die wachsende Popularität südkoreanischer Pop-Kultur begann der Forscher mit einer Zahl, die einige Zuhörer überraschte. Trotz der starken Abschottung des Landes und der Regulierung des Informationszugangs hätten über 98% der Nordkoreaner bereits einmal ausländische Medien konsumiert – insbesondere Filme aus dem Nachbarland Südkorea wären populär.

Lee führte daraufhin aus, wie sich die Nordkoreaner Zugriff zu diesen Medien verschaffen, dass diese Einfluss auf deren Vokabular und Modestil hätten und zu einem wachsenden Interesse der Bevölkerung am Nachbarland führten. Als Reaktion auf diese Entwicklung erließ die nordkoreanische Regierung in den letzten Jahren drei Gesetze, die unter anderem den Besitz und die Verbreitung sämtlicher Materialien mit Bezug zur südkoreanischen Kultur für verboten erklären sowie Handlungen von jungen Menschen und Regeln für Kleidung, Frisur und Sprache festlegen. Verstöße gegen diese Gesetze würden mit jahrelangen Freiheitsstrafen oder sogar mit der Todesstrafe geahnt, berichtete Lee.

Wootae Lee, Direktor der Forschungsabteilung für humanitäre Hilfe und Zusammenarbeit am KINU, hielt einen Vortrag über die Informationszugangs-Kontrolle in Nordkorea in Bezug auf die wachsende Popularität südkoreanischer Pop-Kultur. Bild: IGFM

Anschließend referierte Bada Nam, Generalsekretär von PSCORE, über „Internetfreiheit“ in Nordkorea. Grundlage seines Vortrags war eine von PSCORE selbst durchgeführte Forschungsstudie über die „globale Internet- und Intranetnutzung in Nordkorea“. Die Grundfrage dieser Studie lautete, ob die Befragten den Zugang zum Internet für ein Menschenrecht halten.

Generell sei es so, dass sofern kein staatlicher beruflicher Bedarf bestünde, die meisten Nordkoreaner überhaupt nicht wüssten, dass das Internet überhaupt existiert. Dementsprechend beschrieben befragte Überläufer den Moment, in dem sie das erste Mal Zugang zum Internet hatten, als lebensverändernd. Bis dahin kannten sie lediglich die von der nordkoreanischen Regierung bereitgestellte „Alternative“ zum freien Internet: das Intranet. Dadurch würde seit Mitte der 1990er Jahre versucht, die Gefahr zu minimieren, aufgrund des Internetzugangs die Kontrolle über Informationen zu verlieren.

Die totalitäre Regierung überwache Kommunikationsfunktionen und -inhalte streng, um die Verbreitung abweichender Meinungen zu verhindern. Praktisch sehe das so aus, dass fast 60 % der Überläufer angaben, Zugriff auf ein elektronisches Gerät wie ein Smartphone gehabt zu haben, der Zugriff jedoch über das Intranet erfolge, das restriktiv sei und streng überwacht werde. Wenn man, als einer der wenigen Nordkoreaner, tatsächlich Zugang zum Internet bekomme, dann nur unter unfassbar strikten Vorschriften. Die Berichte von Überläufern verdeutlichen auch das eindrucksvoll.

Zuletzt resümiert Bada Nam, dass auch wenn derzeit in keinem internationalen Vertrag ein ausdrückliches Recht auf das globale Internet bestünde, es starke Hinweise darauf gäbe, dass in den geltenden Menschenrechtsverträgen ein stillschweigendes Recht darauf bestehe.

In Videointerviews durchgeführt von PSCORE, berichteten nordkoreanische Überläufer von der „Internetfreiheit“ in ihrem Heimatland. Bild: IGFM

Der dritte Beitrag des Symposiums erfolgte durch YongWoo Na, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsabteilung für humanitäre Hilfe und Zusammenarbeit am KINU. In seinem Vortrag über Menschenrechte des nordkoreanischen Volkes im Zeitalter der Klimakrise beschreibt der Forscher zunächst, dass auch in Nordkorea bereits Auswirkungen des Klimawandels zu spüren und die Entwicklungen beunruhigend seien. Genau wie das Nachbarland Südkorea, habe sich auch Nordkorea als Unterzeichner des Pariser-Klimaabkommens zur Einhaltung verschiedener Ziele in diesem Kontext verpflichtet. YongWoo Na beschreibt daraufhin den Zusammenhang von globalem Klimawandel und den Menschenrechten.

In der Zusammenfassung werden drei Bereiche erkennbar, die besonders ins Augenmerk fallen. So hätten aufeinanderfolgende nationale Katastrophen im Zusammenhang mit dem Klimawandel negative Auswirkungen auf das Leben und die Gesundheit der Menschen. Zudem komme es nach heftigen Regenfällen und Überschwemmungen in Nordkorea jedes Jahr zu durch Wasser übertragenen Infektionskrankheiten und zuletzt habe auch COVID-19 das Recht der nordkoreanischen Bevölkerung auf Gesundheit beeinträchtigt. Insbesondere durch die lang andauernde Grenzschließung wurde es für Nordkorea schwieriger, Impfstoffe zu beschaffen, was zu einem Rückgang der Impfquote bei Kindern führte.

Bei der Veranstaltung kamen sowohl Mitarbeiter der südkoreanischen Menschenrechtsorganisation PSCORE und des von der südkoreanischen Regierung finanzierten ThinkTanks KINU als auch eine nordkoreanische Überläuferin zu Wort. Bild: IGFM

Eunlee Joung, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei KINU, referierte im folgenden Beitrag über Frauenrechte in Nordkorea, genauer gesagt über die Frage, ob die nordkoreanischen „Jangma-Dang“ einen positiven Effekt auf diese haben. Jangma-Dang sind öffentliche Märkte in der Volksrepublik, die sich seit den frühen 2000er-Jahren aus den einstigen Bauernmärkten entwickelt haben. Mittlerweile gibt es rund 400 dieser Märkte, bei deren Institutionalisierung Frauen eine wesentliche Rolle spielen.

Da den Männern in Nordkorea ihre schlecht vergüteten Berufe meist vom Staat zugewiesen würden, arbeiteten üblicherweise die Frauen auf den Jangma-Dang. Dadurch trügen sie einen Großteil zum Einkommen bei und sind die Versorgerinnen der Familie. Die Jangma-Dang würden daher als fundamentales Element für die Förderung der Frauenrechte angesehen. In der Tat habe besonders die junge sogenannte „Jangma-Dang-Generation“, oder auch „digitale Generation“, ein relativ hohes Gleichberechtigungsgefühl zwischen Männern und Frauen.

Dass dieses aber noch lange nicht bei allen Koreanern angekommen ist, zeigen allein schon die erschreckend niedrigen Zahlen weiblicher Mitglieder des Zentralkomitees der Partei. Die grundsätzliche Verbesserung der Rechte nordkoreanischer Frauen werde Eunlee Joung zufolge durch das politische System sowie das traditionelle feudale Denken verhindert.

Eunlee Joung, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei KINU, referierte über Frauenrechte in Nordkorea und darüber, welche Rolle die öffentlichen Märkte dabei spielen. Bild: IGFM

Zum Abschluss folgte das Highlight des Symposiums: Der Beitrag der nordkoreanischen Überläuferin Evelyn Joeng, die aus erster Hand von ihrem Leben in dem abgeschotteten Land berichtete. So erfuhren die Zuhörer beispielsweise von Evelyns Kindheit in Nordkorea. Auch erzählte sie wie sie mit ihrer Mutter über einen zugefrorenen Fluss nach China flüchten konnte und wie sie von dort aus, nach einem 10-monatigen Aufenthalt in einem Flüchtlingslager in Thailand, die USA erreichte.

Zudem ging Evelyn Joeng in ihren Ausführungen auf die zuvor von den Forschern beschriebenen Themen ein. So berichtete sie von ihrer Wahrnehmung hinsichtlich der Auswirkungen des Klimawandels, der Internetfreiheit sowie der Stellung der Frau in der Gesellschaft.

In ihrem Beitrag berichtete die nordkoreanische Überläuferin Evelyn Joeng von ihrer Kindheit in Nordkorea und aus ihrer Flucht, die sie über China und Thailand in die USA führte. Bild: IGFM.

Videobeitrag: Bada Nam (PSCORE) über „Internetfreiheit“ in Nordkorea

Aus datenschutzrechtlichen Gründen benötigt YouTube Ihre Einwilligung um geladen zu werden. Mehr Informationen finden Sie unter Datenschutzerklärung.

Zusammenfassung der einzelnen Vorträge

Wootae Lee Ph.D. / Research Fellow vom Korea Institute for National Unification(KINU) ging der Ausbreitung der koreanischen Welle und Informationszugangs-Kontrolle in Nordkorea nach. Sein Ausgangspunkt war die Charakterisierung Nordkoreas als geschlossener und kontrollierter Gesellschaft. Im Kontrast dazu bestehen Bestrebungen der Nordkoreaner, auch Inhalte der südkoreanischen Popkultur konsumieren zu wollen („Koreanische Welle“).

Es werden sowohl die aktuelle Musik als auch die Filme aus Südkorea im Norden konsumiert.

Als Mittel des Zugangs fungieren Datenträger wie USB-Sticks, SD-Karten oder Computerfestplatten. Abspielbar sind die Dateien also auf bereits vorhandenem Gerät in Nordkorea, z.B. Smartphones.

Ergebnisse einer telefonisch geführten Untersuchung bei fünfzig Einwohnern Nordkoreas haben im Jahr 2022 gezeigt, dass die große Mehrheit (98% der Befragten) bereits Kenntnis ausländischer Videos hat, wobei ausdrücklich nach südkoreanischem Material gefragt wurde. Die Art der bevorzugten Filme verteilte sich in der Mehrheit auf solche aus Südkorea (96%). Gleich danach kamen in der Rangfolge Filme aus China (84%) oder allgemeine Koreanische Darbietungen (68%). Auch US-amerikanische Western waren zumindest einem kleinen Teil der Befragten (2%) vertraut.

Die Herkunft des an sich in Nordkorea keinesfalls offiziell verfügbaren Materials verteilt sich auf drei mögliche Quellen: zum allergrößten Teil beschafften sich die Befragten die Filme aus dem Kreis von Familie und Freunden auf Leihbasis (64 bzw. 50%). Außerdem ergab sich, dass eine nicht geringe Zahl der Befragten Datenträger über „Händler“, gemeint ist der Schwarzhandel, bezog (22%).

Befragt nach dem Resultat des Filmkonsums stellte sich heraus, dass dadurch bei den meisten (79%) das Interesse am südkoreanischen Nachbarn gestiegen ist. Mehr als jeder zweite Konsument berichtete, dass mit dem Medienkonsum der Gebrauch von südkoreanischem Vokabular Einzug hielt (56%). Bei einer vergleichsweise großen Zahl (39%) führte es zudem dazu, dass der Modestil aus Südkorea imitiert wurde.

Auf diese Entwicklung versucht inzwischen das nordkoreanische Regime Einfluss zu nehmen, indem mehrere diesbezügliche Gesetze erlassen wurden:

1) Gesetz zur Ablehnung reaktionärer Ideologie und Kultur (2020)

2) Gesetz zur Sicherheit der Jugendbildung (2021)

3) Pjöngjangs Gesetz zum Schutz der Kultursprache (2023)

In dem zuerst erlassenen Gesetz (1) wird der Besitz und die Verbreitung sämtlicher Materialien mit Bezug zur südkoreanischen Kultur für verboten erklärt. Das bedeutet, dass der Konsum südkoreanischer Filme oder Musikdarbietungen mit Gefängnisstrafen zwischen fünf und fünfzehn Jahren bestraft werden kann. Die Verbreitung solcher Materialien kann mit lebenslanger Haft oder mit der Todesstrafe geahndet werden.

Das Regime in Pjöngjang sucht seinen Einfluss auf die Jugend zu erhalten, indem im Gesetz von 2021 (2) festgelegt wird, dass alle Handlungen junger Menschen, einschließlich ihrer Kleidung, Frisur, Sprache und Handlungen, „den sozialistischen Normen“ entsprechen müssen. Somit sind „Sprechen oder Schreiben auf nicht-nordkoreanische Weise“ und die Verwendung ebensolcher Mode- und Körperpflege-Artikel verboten.

Noch weiter geht das Gesetz aus dem Jahr 2023 (3): es verlangt durchgängig die reine Verwendung der Standardsprache des Nordens. Verwendung oder Verbreitung der südkoreanischen Sprache wird mit mehr als sechs Jahren Gefängnis oder mit der Höchststrafe, der Todesstrafe, bestraft. Es stellt den Gipfel der möglichen Sanktionen dar, wenn es hier heißt: „öffentliche Hinrichtungen“ von Gesetzesbrechern sollen durchgeführt werden, um das nordkoreanische Volk aufzurütteln.

Als Fazit ist zu ziehen, dass es sich bei Nordkorea wohl kaum um ein „normales“ Land handeln kann, wenn man dort einfach aufgrund eines konsumierten Musikvideos aus Südkorea getötet werden kann.

Bada Nam, Generalsekretär von PSCORE, fasst die Situation in seinem Vortrag zusammen. Er arbeitet seit 2010 für PSCORE, organisiert öffentliche und private Veranstaltungen, Spendenaktionen und Praktikumsprojekte. Mit einem Hintergrund in internationalen Beziehungen setzt er sich für Menschenrechte in Nordkorea und die Wieder-vereinigung eines gemeinsamen Koreas ein. Seit 2012 hat er bereits an einigen Menschenrechtsforen der UN mitgewirkt.

Da aufgrund des Mangels an Literatur nur geringes externes Wissen vorhanden ist, führte PSCORE eine Forschungsstudie über die „globale Internet- und Intranetnutzung in Nordkorea“ selbst durch. Diese Studie baut auf dem vorherigen PSCORE-Bericht zur Einschränkung der Menschenrechte in Nordkorea, mit Bezug auf die digitalen Rechte auf. Sie konzentriert sich darauf, inwieweit der Internet- und Intranetzugang mit Menschenrechtsverletzungen in Nordkorea zusammenhängt.

Die Studie trägt den Titel „Digital Hostages – Digitale Geiseln“. In der angewandten Methodik basiert der Bericht auf 24 teilweise strukturierten persönlichen Interviews und einer von PSCORE durchgeführten Online-Umfrage. Dabei wurden von 187 kontaktierten Personen 158 vollständige Antworten gesammelt. Grundfrage ist: Halten Sie den Zugang zum Internet für ein Menschenrecht? Daran knüpft die Frage an: Was bedeutet der Internetzugang für den Einzelnen?

Bada Nam zitiert den UN-Sonderberichterstatter Frank La Rue. Dieser hält den Netzwerkzugang für einen Katalysator für die freie Meinungsäußerung. Er ermögliche es Einzelpersonen, Informationen und Ideen sofort und kostengünstig über nationale Grenzen hinweg zu empfangen und weiterzugeben. Das heißt im einzelnen: man kann über Grenzen hinweg nach Inhalten suchen, sie empfangen und weitergeben. Das bedeutet: Es ermöglicht Menschen, sich verbunden und als Teil einer Gemeinschaft zu fühlen.

Hieran schloss sich die Frage an: Welche Bedeutung hat Internetzugang für die Gesellschaft? Es ist bekanntlich so, dass Internetzugang Wirtschaftswachstum und Entwicklung eines Landes erheblich unterstützen kann. So entfallen in den Industrieländern auf den IT-Sektor durchschnittlich 21 % des jährlichen Wachstums. Ungefähr fünf Milliarden Internetnutzer weltweit würden durchschnittlich sieben Stunden pro Tag online verbringen, was 65,7 % der Weltbevölkerung entspricht.

Von hier aus kam Bada Nam auf das Thema ‚Überwachungs-Staat’ zu sprechen. Denke man an Orte, an denen das Internet eingeschränkt ist, werde China häufig als Land mit der restriktivsten Nutzung des Internets angesehen. Es werde als „Überwachungsstaat“ bezeichnet. Ähnliches gelte für Russland, doch tatsächlich hätten 85 % der russischen Bevölkerung Zugang zum Internet, was ihrem Wissen und ihren Rechten zugutekomme.

In diesem Zusammenhang ging Bada Nam näher auf die Situation in Nordkorea ein. PSCORE habe einen Bericht über die Realität der weltweiten Internetnutzung in Nordkorea erstellt, mit dem Ergebnis: In Nordkorea gelten beispiellose Beschränkungen des Internetzugangs, was stark autoritäre Züge widerspiegele. Die Familie Kim untersage normalen Bürgern den weltweiten Internetzugang, um eine Bedrohung der Stabilität des Regimes durch Zufluss auswärtiger Informationen abzuwenden.

Tatsächlich wüssten die meisten Nordkoreaner nichts von der Existenz des Internets. Von PSCORE befragte Überläufer sagten, die erstmalige Nutzung des Internets in China sei für sie eine lebensverändernde Erfahrung gewesen. Dies belegte Bada Nam durch aufgezeichnete Zitate, wie:

„Ich kannte das Konzept von WLAN nicht. Ich wusste nichts über Google oder YouTube. Ich habe mein Smartphone nur zum Musikhören, Spielen, Übertragen von Daten (PDF, TXT, Word), Anrufen und Texten genutzt.“ (Jeong-Hyuk Choi)

„Ich kannte das Konzept des globalen Internets, als ich in Nordkorea war, aber ich wusste nicht, dass darüber so viele Informationen ausgetauscht werden.“ (Geum-Seong Oh)

„Es gab einen Computerkurs namens Informationstechnologie. Wir haben etwas über den Aufbau von Computern gelernt. Mir wurde das World Wide Web beigebracht, und ich musste es sogar für eine Prüfung auswendig lernen, aber ich kannte das Internet nur theoretisch. Ich wusste, dass es sich um eine Art Netzwerk handelte, in dem man suchen kann, wusste aber nicht, was es eigentlich war. Wir lernen durch unsere Vorstellungskraft, genauso wie wir etwas über Physik und Neutronen lernen.“ (Woo-Jin Jung)

An diese Umschau unter geflüchteten Nordkoreanern schloss sich die Darstellung der von Pjöngjang dargebotenen „Alternative“ zum freien Internet an: das Int-ra-net. Seit Mitte der 1990er Jahre versuche die nordkoreanische Regierung, die Gefahr zu minimieren, aufgrund des Internetzugangs die Kontrolle über Informationen zu verlieren. Sie überwache Kommunikations-Funktionen und -Inhalte streng, um die Verbreitung abweichender Meinungen zu verhindern. Praktisch sehe das so aus, dass fast 60 % der Überläufer angaben, Zugriff auf ein elektronisches Gerät wie ein Smartphone zu haben, der Zugriff erfolge jedoch über das Intranet, das restriktiv sei und streng überwacht werde.

Die Quintessenz: Sofern kein staatlicher beruflicher Bedarf bestehe, hat der durchschnittliche Nordkoreaner noch nie vom Internet gehört oder weiß etwas davon.

Zum Thema der Nutzung dieses Intranets in Nordkorea brachte Bada Nam ein Zitat von Suk-Han Kim, einem Forscher, der das Internet fünfmal genutzt habe. Er erklärte die strengen Bedingungen beim Navigieren im Internet in der folgenden Weise: Ein Bibliothekar überwache kontinuierlich, was die Leute auf welchen Seiten suchen. Alle fünf Minuten friere dann der Bildschirm automatisch ein, und der Bibliothekar müsse eine Fingerabdruck-Authentifizierung durchführen, um die weitere Internetnutzung zu ermöglichen. Insgesamt durften die Forscher das Internet eine Stunde lang nutzen. Um das Internet dann erneut zur Verfügung zu haben, hätten sie eine neue Erlaubnis einholen müssen. Es sei ein Staatssicherheitsbeamter immer anwesend.

Um für einen Bekannten, der an einer Autoimmunerkrankung litt, entsprechende Informationen zu finden, suchte der Forscher auf der Website nach Informationen von einem Arzt, der die Krankheit behandelte, und erhielt einen Verweis. Man dürfe nur auf Artikel zugreifen. Der Forscher sei von einem Beamten des Staatsschutzes beleidigt worden, was dazu führte, dass er das Internet seitdem nicht mehr nutze. Man hätte nur englische oder chinesische Daten herunterladen dürfen. Es sei verboten gewesen, koreanische Daten herunterzuladen. Man musste die Daten in einem Ordner zusammenstellen und an die Abteilung für Veröffentlichungskontrolle senden, um nach einer Woche die Erlaubnis zum Herunterladen zu erhalten.

Diese Vorgehensweise sei weitverbreitet in den staatlich kontrollierten Institutionen. So erkläre der ehemalige nordkoreanische Diplomat Jung-Ho Lee: „Selbst das Außenministerium hatte keinen Zugang zum Internet.“

Folgen der Internetnutzung in Nordkorea behandelte Bada Nam im Anschluss. Es stelle sich die Frage, inwieweit das Internet Nordkorea verändern könnte: Dazu berichtete Cheol-Jin Kim, ein ins Ausland entsandter nordkoreanischer Arbeiter, da das Internet sonst verboten war, habe er heimlich im Internet gesucht, als er allein war. Er habe das Internet jeden Tag genutzt: Nachrichten, Fernsehserien. Er habe seine Realität mit den Dingen verglichen, die er gesehen habe. Das führte ihn zu der Frage: Es gibt Menschen, die anders leben. Warum lebe ich so? Es habe also Fälle gegeben, in denen nordkoreanische Arbeiter versuchten, heimlich auf das globale Internet zuzugreifen. Wenn man jedoch erwischt werde, drohten schwere Strafen, einschließlich Verschwindenlassen.

Ein weiterer Nordkoreaner – Jung-Ho Lee – habe berichten können, er habe das globale Internet genutzt, als er an einem Projekt mit einem auswärtigen diplomatischen Korps in Pjöngjang gearbeitet habe. Sie hätten das Internet nur in ihrem Büro nutzen können. Es habe keine Überwachungskamera gegeben, sodass man nicht identifizieren konnte, ob die Person dort im Zimmer, die das Internet nutzte, Ausländer war oder Nordkoreaner. Also habe er das Internet in dem Büro genutzt. Eines Tages ging eine Person aus der Abteilung des nordkoreanischen Außenministeriums ins Internet im Büro des ausländischen diplomatischen Korps, als sich dort keine Ausländer befanden. Somit sei der Internetnutzer als Nordkoreaner identifiziert worden. Infolgedessen se er gefasst worden und verschwand. Seitdem hat man ihn nicht mehr gesehen.

Am Schluss seines Vortrages kam Bada Nam auf das Thema „Internetzugang als Menschenrecht“ zu sprechen. Auch wenn derzeit in keinem internationalen Vertrag ein ausdrückliches Recht auf das globale Internet bestehe, gebe es starke Hinweise darauf, dass in den geltenden Menschenrechtsverträgen ein stillschweigendes Recht dafür bestehe. Hieran schloss sich ein Forderungskatalog, dem sich die IGFM in allen Punkten anschließt:

„Was getan werden muss:

Wir unterstützen und wollen uns dafür einsetzen, bis 2030 eine universelle Konnektivität zu erreichen, was Ziel von UN-Generalsekretär António Guterres für die digitale Zusammenarbeit ist.

Wir unterstützen das Ziel von UN-Generalsekretär António Guterres, den universellen Zugang zum Internet bis 2030 als grundlegendes Menschenrecht anzuerkennen, und ermutigen die UN, die Mittel zur Erreichung dieses Ziels bereitzustellen.

Wir verlangen, dass die internationale Gemeinschaft einen rechtlichen Rahmen für den globalen Internetzugang schafft, indem sie ihn als grundlegendes Menschenrecht anerkennt, das durch internationale rechtsverbindliche Vereinbarungen geschützt ist.

Wir empfehlen den Vereinten Nationen, Forschung und Berichte zu diesem Thema zu unterstützen, da der für Nordkorea vorgelegte Bericht einen gravierenden Mangel an Informationen und die Unterschätzung des fast nicht vorhandenen Zugangs zum globalen Internet in der DVRK anzeigt.

Wir wenden uns an die Vereinten Nationen, darauf zu bestehen, dass die DVRK die globale Internetverbindung für ihre Bevölkerung auf Grundlage des SDG 9 in ihre freiwillige nationale Überprüfung (VNR) und ihren strategischen Rahmen der Vereinten Nationen (UNSF) einbezieht.“

Yongwoo Na vom Korea Institute for National Unification (KINU) ist dort wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung für humanitäre Hilfe und Zusammenarbeit. Er hat seinen Schwerpunkt im Bereich der Politikwissenschaften, internationalen Beziehungen und Energiepolitik und konzentriert sich in letzter Zeit auf Austausch und Zusammenarbeit zwischen Süd- und Nordkorea.

Sein Vortrag hatte den Fokus beim Thema der Klimakrise, wo sich die Frage noch einmal neu stellt: Was sind die Menschenrechte des nordkoreanischen Volkes? Als erstes widmete er sich den Trends in den Reaktionen auf den globalen Klimawandel seit 1992 (Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC; kurz Klimarahmenkonvention). Nord- wie Südkorea sind Mitglieder der UNFCCC.

Gemäß dem Übereinkommen von Paris 2015 sehen sich beide Staaten verpflichtet, mit Blick auf die Entwicklung der CO2-Emissionen einen jeweils individuellen „National festgelegten Beitrag“ (NDC) zu leisten. Nach Stand von 2015 ergeben sich für Nordkorea erklärtermaßen folgende vorgelegte Werte für die National festgelegten Beiträge: Von 2016 bis 2019 steigt der NDC für Nordkorea von 8% auf 16,4% Reduktion.

Yongwon Na kam dann auf den Zusammenhang von globalem Klimawandel und den Menschenrechten zu sprechen. Mit Hilfe eines Schaubildes wurde der wechselseitige Einfluss verdeutlicht: Vom Klimawandel mit daraus folgenden Katastrophenszenarien über den Ernährungsaspekt bis hin zum Kampf gegen Armut und für Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen. Diesbezüglich bedeutsam ist besonders der Bereich „menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum“ mit den Unteraspekten „moderne Sklaverei, Heimatvertreibung, Konflikte“ und die zugrundeliegenden Fragen zum Recht auf: Nahrung, Wasser, Gesundheit, Wohnraum und Leben.

Ebenso hat das Themenfeld „sauberes Wasser und sanitäre Einrichtungen“ Wechselwirkung mit dem Klimawandel bezüglich der Aspekte „Bevölkerungswachstum, Umweltzerstörung, schlechtes Wassermanagement, Armut und Ungleichheit“. Hieraus resultiert das Engagement für verringerte Armut, verringerte Ungleichheit, eine Qualität der Bildung und für die Geschlechtergerechtigkeit.

Mit Blick auf die koreanische Halbinsel unter dem globalen Klimawandel ist festzustellen: Es hat bereits ein Wechsel der Jahreszeiten eingesetzt. Es kommt im Vergleich zur Verteilung vor einem Jahrhundert mittlerweile zu längeren Sommern und kürzeren Winter. Ein Anstieg der Anzahl tropischer Nächte und Hitzewellentage ist genauso zu verzeichnen wie ein Rückgang des Jahresniederschlags. Nach dem von Germanwatch 2013 vorgelegten Klimarisikoindex, der die Zeitspanne von 1992 bis 2011 überblickt, nimmt Nordkorea einen beunruhigenden siebenten Platz ein.

Was heißt das nun für den Zusammenhang von globalem Klimawandel und den Menschenrechten der nordkoreanischen Bevölkerung? Als Bezugsgröße der Bewertung diente Yongwon Na der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, ICESCR) und der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR), die 1976 in Kraft traten. Zusammen mit dem UN-Sozialpakt und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte bildet letzterer die grundlegenden Menschenrechtsabkommen der Vereinten Nationen. Der Pakt garantiert rechtsverbindlich grundlegende Menschenrechte, die auch als Menschenrechte der 1. Generation bezeichnet werden: Recht auf Leben, Verbot der Sklaverei und Zwangsarbeit, Recht auf persönliche Freiheit und Sicherheit, Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit sowie das Recht auf Teilnahme an allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlen. Auch wird dort Gleichberechtigung von Mann und Frau zugesichert. Nordkorea ist ein Staat der diesen Pakt unterzeichnet und damit ratifiziert hat, es hat jedoch erklärt, dass es den Vertrag verlassen möchte.

Yongwon Na rückte jüngste Naturkatastrophen in Nordkorea ins Blickfeld. Dazu gehören der Taifun von 2015 (Goni) in seinen Auswirkungen in Naseon, Hamgyeong-do, genauso wie die ein Jahr später in derselben Region stattfindende Überschwemmung und die Wetterereignisse mit Starkregen und Überschwemmung dort im Jahr 2021.

Eine Tabelle verweist für die Jahre 2015 bis 2020 auf hohe Zahlen von Todesfällen und vermissten Personen aufgrund einer Katastrophe. Besonders das Jahr 2016 sticht dort statistisch heraus mit einer durchschnittlichen Vervierfachung der Opferzahlen. Mit Blick auf die Todesfälle und vermisste Personen geht es hier um das Recht auf Leben (ICCPR, Artikel 6). Hier ist festzustellen: Es kam zu schweren menschlichen Schäden bei Naturkatastrophen aufgrund mangelnder Reaktionsfähigkeit der nordkoreanischen Regierung. Diese Verletzung des Rechts auf Leben ist verursacht durch die komplexe Kombination von Ernährungs- und Gesundheitsproblemen, die sich aus Umweltveränderungen aufgrund des Klimawandels ergeben

Ein zweiter Bereich der Menschenrechte, die durch den Klimawandel in Mitleidenschaft gezogen werden ist das Recht auf Bewegungsfreiheit und freie Wahl des Wohnsitzes (Artikel 12). In Nordkorea kam es zu einer Verabschiedung eines Notfallquarantänegesetzes (2020). Im Falle einer das Überleben der Bewohner gefährdenden Notlage wird festgelegt, dass Bewegungseinschränkungen vorgenommen werden können. Darüber hinaus gilt, dass bei schwerwiegenden Verstößen gegen wichtige Maßnahmen dieses Gesetzes die Höchststrafe der Todesstrafe verhängt wird.

Außerdem muss auf das Recht auf Nahrung (ICESCR, Artikel 11) näher eingegangen werden, so Yongwon Na. Eine vorliegende Statistik aus dem Jahr 2021 verzeichnet für die Jahre 2014 bis 2020 (Quelle: DVRK, Voluntary National Review 2021) einen Rückgang der nordkoreanischen Nahrungsmittelproduktion aufgrund von Naturkatastrophen, die sich jedes Jahr wiederholen und verschlimmern. Dies erkennt auch die nordkoreanische Regierung, dass Naturkatastrophen und geringe Widerstandsfähigkeit Ursache für Nahrungsmittelknappheit sind. Es sind besonders die negativen Auswirkungen der Umwelt- und Waldzerstörung, die als Ursache für Nahrungsmittelknappheit zu werten sind. Im globalen Hungerindex 2022 liegt Nordkorea auf Platz 97 von 121 Ländern, für die ausreichende Daten zur Berechnung der WHI-Werte für 2022 vorliegen. Mit einem Wert von 24,9 ist die Hungersnot in Nordkorea als eine der Schweregradstufe „schwer“ einzuschätzen.

Beim Recht auf Gesundheit (ICESCR, Artikel 12) muss es besonders um Veränderungen der Impfraten bei nordkoreanischen Kindern nach der COVID-19-Pandemie gehen. Hier sind annähernde Halbierungen feststellbar sowohl bei der Bekämpfung der Diphterie (von 98% auf 42%) als auch bei Hepatitis B (97% zu 41%). Bei den Impfungen gegen Polio fiel die Impfrate gar von 98% auf 17%.

In der Zusammenfassung werden drei Bereiche erkennbar, die besonders ins Augenmerk fallen:

Aufeinanderfolgende nationale Katastrophen im Zusammenhang mit dem Klimawandel haben negative Auswirkungen auf das Leben und die Gesundheit der Menschen.

Nach heftigen Regenfällen und Überschwemmungen kommt es in Nordkorea jedes Jahr zu durch Wasser übertragenen Infektionskrankheiten

COVID-19 hat das Recht der nordkoreanischen Bevölkerung auf Gesundheit beeinträchtigt. Insbesondere durch die lang andauernde Grenzschließung wurde es für Nordkorea schwieriger, Impfstoffe zu beschaffen, was zu einem Rückgang der Impfquote bei Kindern führte.

Teilen Sie diesen Beitrag!

Nach oben