Nazanin Zaghari-Ratcliffe

In der Vergangenheit hat die Islamische Republik Iran mehrfach willkürlich Ausländer und Menschen mit zweifacher Staatsbürgerschaft verhaftet, um sie in politischen Auseinandersetzungen als Geiseln einzusetzen. Nach Überzeugung der IGFM hat die iranische Regierung auch die Doppelstaatlerin als Druckmittel gegen Großbritannien missbraucht. Nazanin Zaghari-Ratcliffe war von April 2016 bis März 2020 im Evin-Gefängnis in Haft und wurde im April 2021 wegen „Propaganda gegen den Staat“ erneut verurteilt. Am 16. März 2022 konnte sie endlich zu ihrer Familie nach England zurückkehren.
Iranisch-britische Journalistin erneut zu einem Jahr Haft verurteilt
Nazanin Zaghari-Ratcliffe ist eine britisch-iranische Journalistin, die für den öffentlich-rechtlichen Rundfunkdienst BBC gearbeitet hat. Im April 2016 wurde sie am Imam Khomeini-Airport in Teheran festgenommen und war bis zu ihrer vorübergehenden Freilassung im März 2020 aufgrund der Coronavirus-Pandemie im Evin-Gefängnis inhaftiert. Seitdem stand sie in ihrem Elternhaus in Teheran unter Hausarrest und muss zur ständigen Überwachung eine elektronische Fußfessel tragen. Im März 2021 wurde der Hausarrest offiziell beendet.
Bereits vor ihrer Freilassung, am 2. November 2020, musste Nazanin erneut vor dem Revolutionsgericht erscheinen, um sich neuen Vorwürfen, unter anderem „Propaganda gegen den Staat“, zu stellen. Bei den neuen Vorwürfen handelt es sich um eine Anklage, mit der die iranischen Behörden Nazanin bereits im Jahr 2017 gedroht hatten, die dann aber fallen gelassen wurde. Im April 2021 wurde Nazanin schließlich erneut zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Das Berufungsverfahren scheiterte im Oktober 2021. Nazanins Ehemann, der seine Frau seit fünf Jahren nicht gesehen hat, trat aus diesem Grund Ende Oktober 2021 in einen Hungerstreik, um die englische Regierung dazu zu bewegen, sich stärker für Nazanins Freilassung einzusetzen. Diese wartet nun jeden Tag darauf, wieder ins Gefängnis zurückkehren zu müssen.
Zur Person und Inhaftierung
Die 1978 in Teheran geborene Journalistin zog 2007 nach Großbritannien, wo sie ihren Ehemann, Richard Ratcliffe, kennenlernte. Das Paar hat eine kleine Tochter, Gabriella, geboren 2014, die nach Nazanins Festnahme durch die iranischen Behörden den Großeltern übergeben wurde. Nazanin durfte ihre Tochter während ihrer Inhaftierung wöchentlich nur eineinhalb Stunden sehen. Im Oktober 2019 konnte die Tochter nach Großbritannien zurückkehren, um dort ihre Schule anzutreten. Im April 2016 wurde Nazanin von iranischen Behörden auf der Rückreise nach einem Familienurlaub in Teheran wegen angeblicher Spionage verhaftet. Sie selbst und die BBC bestreiten die Vorwürfe nachdrücklich. Ihre Tätigkeit für nicht-iranische Medien bzw. deren Stiftungen werteten Vertreter der iranischen Regierung jedoch als Mittel eines Umsturzversuches und begründeten so die Verurteilung zu fünf Jahren Gefängnis. Rund eineinhalb Jahre verweigerte ihr die iranische Justiz den Kontakt zum britischen Konsulat. Zudem behinderte die iranische Justiz ihre Verteidigung, u.a. durch willkürlich verweigerte Akteneinsicht und verschleppte Bearbeitung. Nach Angaben ihres Ehemannes hat sich Nazanin im Evin-Gefängnis – einer Haftanstalt, die für Misshandlung und Folter von politischen Gefangenen berüchtigt ist – auch mit dem Corona-Virus infiziert, ihr Gesundheitszustand hat sich seitdem aber wieder deutlich verbessert.
Hintergrund
Vor der Verhaftung von Nazanin Zaghari-Ratcliffes verschärften sich lange bestehende Reibungen zwischen der britischen und der iranischen Regierung. Die iranische Republik besteht u.a. auf noch ausstehende Zahlung von ca. 300 Millionen Pfund für ausgebliebene Waffenlieferungen aus dem Jahr 1976. Gleichzeitig betrachtet die iranische Regierung jede Form von unabhängigem Journalismus als feindselig. Im Herbst 2017 hatte der Iran die Konten von 150 im Land tätigen BBC-Mitarbeitern eingefroren.
Während ihres Prozesses 2017 wurde Nazanin Zaghari-Ratcliffe ein aus Unwissen entstandenes Statement des damaligen britischen Außenministers Boris Johnson zum Verhängnis, der kurz nach ihrer Inhaftierung erklärte, sie habe während ihres Iran-Aufenthaltes lediglich junge Journalisten ausgebildet. Johnson entschuldigte sich für die Falschaussage. Sein Statement wurde von iranischen Behörden jedoch als “Beweis” für die angebliche Zusammenarbeit mit iranischen Journalisten zur “Spionage” ausgelegt.
Doppelstaatler als politisches Druckmittel
Nach Überzeugung der IGFM missbraucht die Islamische Republik Iran die Doppelstaatlerin, um ausländische Journalisten und Korrespondenten einzuschüchtern und zur Selbstzensur zu nötigen. In der Vergangenheit hat das iranische Regime mehrfach offenkundig und willkürlich Ausländer und Menschen mit doppelter Staatbürgerschaft verhaftet, um sie in politischen Auseinandersetzungen als Geisel einzusetzen.
Stand: März 2022