Asia Bibi

Sie ist die erste Frau, die in Pakistan wegen angeblicher „Gotteslästerung“ zum Tode verurteilt wurde. Sie verbrachte über neun Jahre im Gefängnis. Tausende Islamisten demonstrierten für ihre Hinrichtung und hielten durch Massenproteste ganz Pakistan in Atem. Das Oberste Gericht sprach sie 2018 frei, im Mai 2019 konnte sie nach Kanada ausreisen. Asia Bibi hat überlebt – aber der Druck auf die nicht-muslimischen Minderheiten ist in Pakistan weiter gewachsen.

Drama mit halbem Happy End

Die Christin Asia Bibi ist die erste Frau, die in Pakistan wegen Gotteslästerung zum Tode verurteilt wurde. Am 19. Juni 2009 nahmen pakistanische Behörden sie im Dorf Itanwali in der Provinz Punjab fest, unter dem Vorwurf, sie habe als ,,Ungläubige‘‘ durch ihre Berührung das Trinkwasser ihrer muslimischen Feldarbeiterinnen verunreinigt und in einer Auseinandersetzung den Propheten Mohammed beleidigt. Asia Bibi selbst bestreitet dies bis heute. Ihre Familie musste wegen mehrerer Morddrohungen untertauchen. Islamisten protestierten in Massenkundgebungen für ihre Hinrichtung und ermordeten zwei pakistanische Politiker, die Bibi unterstützt hatten.

Nach neun Jahren in Haft – acht davon in einer Todeszelle – wurde sie schließlich am 31. Oktober 2018 aufgrund mangelnder Beweise vom Obersten Gericht Pakistans freigesprochen. Nach dem Urteil demonstrierten tausende Islamisten gewaltsam gegen das Urteil und forderten zu Gewalttaten gegen die Christin und ihre Familie auf. Die Regierung unterband eine Ausreise von Asia Bibi zunächst und hielt sie an einem unbekannten Ort versteckt. Anfang Mai konnte sie schließlich nach Kanada ausreisen.

Todesurteil wegen angeblicher Blasphemie

Asia Bibi gehört zur kleinen christlichen Minderheit in Pakistan, die rund 2% der Bevölkerung ausmacht. Vor ihrer Festnahme arbeitete die Mutter von fünf Kindern – drei davon aus einer früheren Ehe ihres Mannes Ashiq Masih – als Tagelöhnerin in einer Obstplantage. Als sie einige Tage nach dem Vorfall von wütenden Muslimen verfolgt und misshandelt wurde, nahm die Polizei sie am 19. Juni 2009 in ,,Schutzhaft‘‘. Einige Monate später erhob die Justiz Anklage wegen Blasphemie und verurteilte Asia Bibi am 8. November 2010 durch das Oberste Gericht in Lahore aufgrund des Blasphemiegesetzes zum Tode durch Erhängen. Das Gericht stand dabei unter massivem Druck durch islamistische Gruppen. Das Gesetz sieht die Todesstrafe für jeden vor, der den Propheten Mohammed beleidigt.

Drohungen und Morde durch Islamisten

In der Vergangenheit bedrohten islamische Eiferer vielfach Richter und Anwälte in Blasphemie-Verfahren mit dem Tod. In einigen Fällen sind Richter, die die Angeklagten wegen erwiesener Unschuld freisprachen, von Islamisten umgebracht worden. Ein Imam setzte im Jahr 2010 eine Kopfprämie von umgerechnet 4.870 Euro für Asia Bibis Tötung aus.

2011 wurden zwei pakistanische Politiker, die sich für die Freilassung Asia Bibis einsetzten und die Änderung des Blasphemiegesetzes gefordert hatten, umgebracht. Am 4. Januar 2011 wurde der Gouverneur der Provinz Punjab, Salman Taseer, von seinem Leibwächter ermordet. Als Motiv gab er die kritische Haltung des Gouverneurs zum Blasphemiegesetz an. Der Mörder, der inzwischen hingerichtet ist, gilt in vielen Teilen der Bevölkerung trotz des Mordes an Taseer als Märtyrer. Einige Monate später, am 2. März 2011, wurde der pakistanische Minister für religiöse Minderheiten, Shahbaz Bhatti, auf offener Straße ermordet. Er war der einzige Christ in der pakistanischen Regierung. Zu dem Mord bekannte sich eine Gruppe der radikal-islamischen Taliban aus der Provinz Punjab.

In einem an Papst Franziskus gerichteten Brief vom Januar 2014 berichtete Asia Bibi von den unmenschlichen Zuständen im Gefängnis in Lahore und der Trennung von ihrer Familie die aufgrund von Morddrohungen durch Extremisten untertauchen musste. Zudem waren die Sicherheitsmaßnahmen nicht ausreichend, da sie als Blasphemie-Angeklagte innerhalb des Gefängnisses durch Mithäftlinge und religiöse Fanatiker bedroht wurde.

Nach internationalem Protesten ließ das Oberste Gerichts Pakistans am 22. Juli 2015 eine Berufung gegen das Urteil des Lahore High Court zu und setzte die Todesstrafe bis zu einer endgültigen Entscheidung durch das Oberste Gericht aus.

In Haft trotz Freispruch

Am 31. Oktober 2018 wurde Asia Bibis Todesurteil aus Mangel an Beweisen aufgehoben. Trotz des Freispruchs war es Asia Bibi nicht erlaubt, Pakistan zu verlassen und es war lange Zeit unklar, wo sich die Christin genau aufhielt. Seit der Entscheidung kam es immer wieder zu massiven Protesten von Islamisten, darunter viele Anhänger der radikalislamischen Partei Tehreek-e-Labaik Pakistan (TLP), in zahlreichen Städten des Landes. Islamische Verbände hatten die Regierung dazu genötigt, eine weitere Revision des eigentlichen letztinstanzlichen Urteils zuzulassen.

Die IGFM sorgt sich um andere Pakistaner, die wegen angeblicher Beleidigung Mohammeds inhaftiert sind. Lynchmorde bei Blasphemie-Vorwürfen sind in Pakistan keine Seltenheit, weshalb die IGFM die pakistanische Regierung des mehrheitlich muslimischen Landes dazu aufruft, die Sicherheit der Gefangenen zu gewährleisten. Von den rund 200 Millionen Einwohnern Pakistans sind über 95 Prozent Muslime, rund zwei Prozent Christen, zwei Prozent Hindus und der Rest Sikhs, Buddhisten und Anhänger anderer Religionen.

Das pakistanische Blasphemiegesetz

In Pakistan verbietet dieses Gesetz unter Androhung der Todesstrafe abwertende Äußerungen über den Islam. Insbesondere in den 1980er Jahren wurde das Gesetz massiv verschärft und die Islamisierung des Landes weiter vorangetrieben. Seit 1991 wurden etwa 200 Christen wegen des Verdachts auf Gotteslästerung angeklagt. Die Mehrheit der Opfer des Blasphemiegesetzes sind Muslime und Hindus. Die Zahl der christlichen Opfer ist aber bedeutend höher als ihrem Bevölkerungsanteil entsprechen würde. Die IGFM und viele andere Beobachter gehen davon aus, dass das Gesetz in der Regel als Mittel bei persönlichen Auseinandersetzungen benutzt wird. Durch die Artikel 295-B und -C des pakistanischen Strafgesetzbuches ist Blasphemie gegen den Islam mit lebenslanger Haft und der Todesstrafe zu bestrafen:

Artikel 295-B, Schändung etc. von Ausgaben des Heiligen Korans

Wer auch immer eine Ausgabe des Heiligen Korans oder einen Auszug daraus willentlich schändet, beschädigt oder entweiht oder in irgendeiner herabwürdigenden Weise oder für irgendeinen ungesetzlichen Zweck verwendet, wird mit lebenslanger Haft bestraft.

Artikel 295-C, Verwendung herabsetzender Bemerkungen etc. mit Bezug auf den Heiligen Propheten

Wer auch immer mit Worten, entweder gesprochen oder geschrieben, oder durch sichtbare Darstellung oder jegliche Unterstellung, Anspielung oder versteckte Andeutung, direkt oder indirekt, den heiligen Namen des Heiligen Propheten Mohammad (Friede sei auf ihm) schändet, wird mit dem Tod bestraft oder lebenslanger Haft, und wird außerdem zu einer Geldstrafe verpflichtet.

Die IGFM kritisiert dieses Gesetz auf das Schärfste, und sieht darin einen klaren Verstoß gegen die Menschenrechte und den auch von Pakistan ratifizierten Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte. Trotz internationaler Verpflichtungen sind Anklagen und Verfahren wegen Blasphemie an der Tagesordnung. Es liegen jedoch keine Informationen über eine tatsächliche Vollstreckung der Todesstrafe vor. Todesfälle durch Ausschreitungen extremistischer Muslime sind aber keine Seltenheit.

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