Tag der Menschenrechte 2020

Am Internationalen Tag der Menschenrechte, dem 10. Dezember 2020, fand in Berlin eine Kundgebung vor der chinesischen Botschaft statt.

Demonstration vor der China-Botschaft

Gemeinsame Protestkundgebung am Tag der Menschenrechte in Berlin

Am 10. Dezember 2020 hielten mehrere Menschenrechtsorganisationen eine Protestkundgebung vor der Botschaft der Volksrepublik China in Berlin ab. Beteiligt waren neben der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), die Tibetinitiative, der Weltkongress der Uiguren, die International Campaign für Tibet, „Germany stands with Hongkong“ und Sino Euro Voices e.V.

Tienchi Martin-Liao am Rednerpult, neben ihr Pfarrer Roland Kühne.

Gemeinsam erklärten die Menschenrechtler: “In Xinjiang / Ostturkestan findet vor den Augen der Weltöffentlichkeit ein kultureller Genozid statt. Die uigurische, kasachische, tibetische und mongolische Volksgruppe, aber auch christliche Gemeinschaften, Angehörige der Menschenrechtsanwaltschaft sowie die Menschen in Hongkong leiden unter dem zunehmend eisernen Griff der Kommunistischen Partei Chinas. Die Volksrepublik China bedroht auch immer aggressiver militärisch das demokratische Taiwan. Die Organisationen fordern Freiheit für alle politischen Gefangenen sowie die Wahrung der Menschen- und Minderheitenrechte für alle Menschen und Volksgruppen in China.“ Tienchi Martin-Liao, Präsidentin des Unabhängigen chinesischen PEN-Clubs aus Köln – sie hat auch Werke von Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo auf Deutsch herausgegeben –  erklärte auf der Kundgebung:

„Wir kommen jedes Jahr hierher und wir werden so lange protestieren, wie die Menschenrechte durch ein diktatorisches System mit Füßen getreten werden.“

Es sei „unerträglich, dass heute noch Lager so ähnlich wie Konzentrationslager“ auf dem Gebiet Xinjiangs für Uiguren errichtet worden seien. In Hongkong gebe es nicht nur viele Verhaftungen von politischen Aktivisten und normalen Bürgern, auch die Medien und das Bildungssystem seien „höchst gefährdet“. In den Schulen solle nunmehr eine „sogenannte patriotische Erziehung“ erfolgen. „Die jungen Leute sollen jetzt die kommunistische Partei und den großen Führer Xi Jinping lieben“, erklärte sie. Taiwan werde fortgesetzt auch militärisch durch die Volksrepublik bedroht, mit Kampfflugzeugen und Kriegsschiffen.

Eine Hongkongerin forderte die Bundesregierung dazu auf, „Sanktionen gegen Einzelpersonen und Unternehmen zu verhängen, die Menschenrechte verletzen, sowie Lieferketten umzustellen und Unternehmen, die mit Chinas 5G-Technologien in Verbindung stehen auszuschließen“. Auch Hanno Schedler von der GfbV forderte, den chinesischen Huawei-Konzern nicht am Ausbau des 5G-Netzes zu beteiligen:

„Huawei liefert dem chinesischen Staat die technischen Werkzeuge, um Minderheitenangehörige noch wirksamer identifizieren zu können, die dann ohne Prozess in Lager gesteckt werden. Die Kommunistische Partei nennt das Unternehmen einen ‚nationalen Champion‘. Diese Meister der Überwachung dürfen nicht mit Milliarden-Verträgen zum 5G-Ausbau belohnt werden.“

Die Geschäftsführerin der Tibetinitiative, Tenzyn Zöchbauer, mit dem Bild des inhaftieren Sängers Lhundrub Drakpa.

Die Geschäftsführerin der Tibetinitiative, Tenzyn Zöchbauer, schilderte besonders das Schicksal des tibetischen Sängers Lhundrub Drakpa. Dieser wurde zu sechs Jahren Haft verurteilt, weil er in einem Lied den Untergang der tibetischen Kultur und die politische Unterdrückung in seiner Heimat beklagt hatte.

Der uigurische Vertreter Haiyuer Kuerban am Rednerpult.

Der Leiter des Büros des Uigurischen Weltkongresses in Berlin, Haiyuer Kuerban, erläuterte eindringlich die Verfolgung seiner Landsleute in Xinjiang. „Die Menschenrechtslage der Uiguren ist sehr ernst“, sagte er. Es gebe keinerlei Anzeichen für einen Kurswechsel der chinesischen Regierung. Vielmehr würden noch neue Umerziehungs- und Zwangsarbeitslager für die Uiguren und weitere Volksgruppen errichtet. Uigurische Frauen würden in großer Zahl innerhalb und außerhalb der Lager zwangssterilisiert. IGFM-Vorstandsmitglied Michael Leh erklärte:

„Wer hätte vor diesem Annus horribilis gedacht, wie viele Menschen in Europa und Amerika wegen des Coronavirus sterben müssen. Wir haben jetzt eine Situation, in der wir noch nicht sagen können, wie der Wettkampf der Systeme letztlich ausgehen wird.“

Dabei habe sich das aus China stammende Virus gerade durch anfängliche Vertuschung im KP-Regime besonders ausbreiten können. Inzwischen trage man die Nase in Peking jedoch sehr hoch und rühme die geringeren eigenen Sterbezahlen als Beweis der Überlegenheit des eigenen Systems. Dabei habe am erfolgreichsten auf der ganzen Welt das demokratische Taiwan das Virus bekämpft: „Bis heute gibt es in Taiwan nur sieben Todesfälle durch das Coronavirus und nur rund 760 Infektionsfälle. Und dies bei 23 Millionen Einwohnern und nur 200 Kilometer von Festlandchina entfernt.“

Deutschland hätte von der sofortigen effizienten Corona-Bekämpfung Taiwans lernen können, erklärte Leh. „Statt dessen hat sich die politische Ausgrenzung Taiwans jetzt auch an unserer Gesundheit gerächt. Der letzte Bundesminister, der Taiwan besuchte, war Günter Rexrodt von der FDP im Jahr 1997. Wen man nicht kennt, von dem kann man auch nichts lernen“, sagte Leh.

Der deutsche Außenminister Heiko Maas habe im Unterschied zum US-Außenminister, zum britischen Außenminister, zu Frankreich und auch zu Joe Biden im Januar nicht einmal den Taiwanern zu ihren demokratischen Wahlen und der wiedergewählten Präsidentin Tsai Ing-wen gratuliert. Erfreulicherweise habe vor kurzem die deutsche Vizepräsidentin des Europäischen Parlamentes, Nicola Beer, eine Reise nach Taiwan angekündigt.

Leh plädierte für eine Lockerung der strengen Einreiseverbote für die  demokratisch gewählten obersten Repräsentanten Taiwans in die EU und nach Deutschland:

„Weder die Präsidentin Taiwans, der Vizepräsident, der Ministerpräsident, der Parlamentspräsident oder der Vorsitzende des Obersten Gerichts in Taiwan dürfen hierher einreisen. Nicht einmal zu einem Privatbesuch wäre es erlaubt. Dies alles nur, um die Regierung in Peking nicht zu verärgern.“

In den USA hingegen werde ein Aufenthalt führender Repräsentanten Taiwans zum Beispiel bei einem Stop-over lockerer gehandhabt. Tsai Ing-wen habe sich schon mit Bürgermeistern in den USA treffen oder in New York an einer Diskussion in einer Universität teilnehmen können – „und dies, obwohl auch die USA offiziell eine Ein-China-Politik betreiben“, erklärte Leh.

An die Teilnehmer aus Hongkong gerichtet sagte der IGFM-Vertreter: „Es ist wichtig, dass wir möglichst gut über die Fälle von Verhafteten in Hongkong unterrichtet werden. Wie heißen die politischen Gefangenen, für wie lange sind sie verurteilt, welche Prozesse drohen noch, wie lauten die Gefängnisadressen. Informieren Sie uns bitte auch, wo Sie vielleicht auch hier in Deutschland der Schuh drückt, etwa bei aufenthaltsrechtlichen Problemen. Damit wir vielleicht helfen können, müssen wir Ihre Sorgen noch genauer kennen.“

Es folgen weitere Eindrücke der Mahnwache:

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