Doppelstaatler in Gefahr

Von links nach rechts: der Deutsch-Kubaner Luis Frometa Compte, inhaftiert, weil er mit seinem Handy einen friedlichen Protest aufgezeichnet hatte; Nahid Taghavi, die deutsch-iranische Frauenrechtlerin; der in Deutschland und in den USA lebende Regimekritiker Jamshid Sharmahd; der Deutsch-Türke Erdener Demirel. 

Deutsche politische Gefangene als politisches Faustpfand missbraucht 

Zum Aktionstag für die Freiheit politischer Gefangener am 18. März: IGFM fordert Freilassung deutscher politischer Gefangener in Kuba, dem Iran und der Türkei

Frankfurt am Main, 17. März 2022 – Doppelstaatler als Spielball internationaler Politik missbraucht: Sie waren zur falschen Zeit am falschen Ort, haben das Regime kritisiert oder sich für Menschenrechte in ihrer zweiten Heimat eingesetzt. Die Folge: Sie wurden willkürlich festgenommen und in einem unfairen Prozess zu hohen Haftstrafen verurteilt. Anlässlich des Aktionstages für die Freiheit politischer Gefangener am 18. März weist die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) auf Deutsche hin, die in Kuba, dem Iran und der Türkei aus politischen Gründen inhaftiert sind und fordert deren sofortige Freilassung.

„Autoritäre und diktatorische Regime verhaften gezielt Doppelstaatler, um sie als Faustpfand für politisches Entgegenkommen von Deutschland einzusetzen. Die Opfer erhalten keinen fairen Prozess, sitzen oft jahrelang unschuldig hinter Gittern und ihnen wird oft jegliche konsularische Betreuung durch die deutsche Botschaft verweigert“, erklärt Martin Lessenthin, Vorstandssprecher der IGFM.

Die in Frankfurt ansässige Menschenrechtsorganisation stellt vier inhaftierte deutsche Doppelstaatler exemplarisch vor:

Kuba: Luis Frómeta Compte

Als einer von rund zweitausend Demonstranten wurde der 59-Jährige Deutsch-Kubaner Luis Frómeta Compte am 11. Juli 2021 bei den Protesten gegen die Diktatur festgenommen, als er diese spontan mit seinem Smartphone filmte. Der Familienvater aus Dresden hat seinen Lebensmittelpunkt seit 1985 in Deutschland und ist deutscher Staatsbürger. Trotzdem verweigert das kubanische Regime bis heute die konsularische Betreuung durch die deutsche Botschaft in Havanna. Kurz vor Weihnachten wurde er wegen „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ und „Anstiftung zum Aufruhr“ zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. Dieses Strafmaß wird als ein politisches Signal an Deutschland interpretiert, eine regimefreundlichere Haltung einzunehmen. Die IGFM, die mit einer Sektion auf Kuba vertreten ist, setzt sich seit der Inhaftierung von Luis Frómeta Compte zusammen mit dessen in Deutschland lebenden Töchtern für seine sofortige Freilassung ein. Der sächsische Bundestagsabgeordnete Lars Rohwer hat die politische Patenschaft für den Dresdner übernommen und Außenministerin Annalena Baerbock kürzlich in einem Brief gebeten, sich für die Freilassung des Deutschen einzusetzen.

Iran: Nahid Taghavi 

Seit über 500 Tagen befindet sich die Deutsch-Iranerin Nahid Taghavi in politischer Gefangenschaft im Iran. Die Architektin aus Köln setzt sich seit Jahren für Menschenrechte im Iran ein – insbesondere für Frauenrechte und Meinungsfreiheit. Am 16. Oktober 2020 wurde die 67-Jährige in ihrer Wohnung in Teheran festgenommen und anschließend wegen „Mitgliedschaft in einer illegalen Gruppe“ zu zehn Jahren und acht Monaten Gefängnis verurteilt. Bis dahin wurde sie mehr als 1.000 Stunden verhört und war sechs Monate in Einzelhaft. Iran-Experten kritisieren die Gefangenschaft der Frauenrechtlerin als Geiselnahme, um auf Deutschland politischen Druck auszuüben. Trotz starker Arm- und Rückenschmerzen wird ihr kein Hafturlaub zur medizinischen Behandlung gewährt. Auch die konsularische Betreuung durch die Deutsche Botschaft wird ihr bis heute verweigert. Im berüchtigten Evin-Gefängnis gibt sie Mithäftlingen aktuell Deutschunterricht und hat die Verantwortung für die Gefängnisbibliothek übernommen. Zusammen mit ihrer Tochter Mariam Claren fordert die IGFM seit der willkürlichen Inhaftierung der Kölnerin deren sofortige Freilassung.

Iran: Jamshid Sharmahd 

Der in Deutschland und in den USA lebende Regimekritiker Jamshid Sharmahd reiste im August 2020 nach Indien. Als er einen dreitägigen Zwischenstopp am Flughafen Dubai einlegen musste, wurde der 66-Jährige in den Iran entführt. Seitdem befindet sich der Deutsch-Iraner in Einzelhaft und konnte weder seine Familie kontaktieren, noch hatte er Zugang zu einem unabhängigen Anwalt. Seine Tochter Gazelle Sharmahd berichtete der IGFM, dass ihr Vater schwer abgemagert und „nicht mehr er selbst” sei. In einem politischen Schauprozess wurde er Anfang Februar 2022 der „Korruption auf Erden“ angeklagt. Die IGFM geht davon aus, dass das Geständnis durch Folter erzwungen wurde und befürchtet die Verhängung der Todesstrafe. Jamshid Sharmahd stand bereits an drei Verhandlungstagen vor dem Revolutionsgericht. Der Anwalt seines Vertrauens sowie Vertreter der deutschen Botschaft konnten an keinem Verhandlungstag teilnehmen. Auch Jamshid Sharmahd wird von Iran-Experten als politische Geisel gegen Deutschland angesehen.

Türkei: Erdener Demirel

Seit 2006 ist der Deutsch-Türke Erdener Demirel aus Moers in der Türkei aus politischen Gründen inhaftiert. Ihm wird vorgeworfen, den türkischen Staat stürzen zu wollen, an einem Raubüberfall beteiligt gewesen zu sein und den türkischen Präsidenten beleidigt zu haben. Wegen der ersten beiden Anschuldigungen wurde er zu 47 Jahren Gefängnis verurteilt. Das Verfahren bezüglich der Präsidentenbeleidigungen wird aktuell – nach einem Freispruch im Herbst 2019 – neu aufgerollt. Erdener Demirel ist seit seiner Jugend in Deutschland politisch engagiert. Im Gefängnis in Tekirdag wurde er nach Informationen der IGFM wiederholt gefoltert, setzt sich aber auch dort für demokratische Rechte ein. Erdener Demirel leidet unter Hepatitis, wird aber in der Haft nicht ausreichend medizinisch versorgt. Die IGFM fordert seine sofortige Freilassung und die Einstellung des Verfahrens.

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