Interview: Musik im Iran mit Arash Rahbary

Arash Rahbary, der Gründer der Plattform Music is not a crime, engagiert sich für verfolgte Künstler

Arash Rahbary ist Mitglied der iranischen Heavy Metal Band „TarantisT“, die im Jahr 2000 in Teheran gegründet wurde und seit 2008, aufgrund von Repressionen durch den iranischen Staat, in Los Angeles lebt. „TarantisT“ begannen im Untergrund ihre Musik zu produzieren und zu veröffentlichen, Konzerte spielten sie an geheimen Orten. Sie waren der iranischen Regierung ein Dorn im Auge, da dieses Musikgenre nicht zum Mainstream der Gesellschaft im Iran gehört. Sie wurden unterdrückt, verfolgt und ihr Gitarrist sogar verhaftet. Arash Rahbary und seine Bandkollegen konnten jedoch rechtzeitig fliehen und starteten von Los Angeles aus die Kampagne „Music Is Not A Crime“. Diese hat es sich zum Ziel gesetzt, anderen unterdrückten Musikern zu helfen. Das Spektrum ihrer Aufgaben reicht vom Produzieren der Musik der einzelnen Künstler bis hin zu finanziellen Hilfen für Musiker, die hohe Geld- und oder Gefängnisstrafen, aufgrund ihrer Musik, zu erwarten haben.

Wie sieht es mit der aktuellen Lage von Musikern im Iran aus?

Es existieren immer noch erhebliche Einschränkungen, es wird noch immer massiv zensiert. Systemkritische Musiker werden verfolgt und unterdrückt. Konzerte und Veranstaltungen werden abgesagt oder die Veranstalter erhalten erst gar keine Genehmigung, natürlich ohne Angabe von Gründen. Solange Du keine Beziehungen zu Mitarbeitern des Staates hast oder Deine Würde für die Genehmigung verkaufst, wird es Dir verboten, in der Öffentlichkeit aufzutreten oder Deine Musik legal zu veröffentlichen. Das größte Problem hierbei ist die Selbstzensur: Verzweifelte Musiker beugen sich der Regierung und zensieren sich selbst, verändern ihre Texte zu zuckersüßem Blödsinn, verändern ihre Musik zu „islamischen Produktionen“, und das alles nur um die Genehmigung für Konzerte zu erhalten. Die Mainstream-Musik ist heute so traurig, dass sie für jede Beerdigung passend wäre.

Kritischere Künstler werden immer noch isoliert und müssen ihre Musik meist in ihren eigenen Häusern aufnehmen und produzieren – ohne gute Technik. Qualitativ hochwertige Instrumente und Ausrüstung sind Mangelware und sehr teuer.

Die Anstandswächter und die Polizei in Städten wie beispielsweise Mashhad, Kerman oder Shiraz empfehlen „jedem, der Musik machen möchte oder Konzerte besuchen will, lieber die Stadt zu verlassen“. Ansonsten gehen Musiker im Iran ein sehr großes Risiko ein: Sehr leicht wirst Du verschiedenster Straftaten wie Blasphemie, „Aktivitäten gegen die nationale Sicherheit“ oder Spionage beschuldigt.

Wir setzen uns momentan für die Band „Confess“ ein, indem wir die Öffentlichkeit informieren, Unterschriften für sie sammeln und diese der Botschaft übergeben. Gibt es neue Informationen zu „Confess“?

Meistens werden beschuldigte Musiker auf Kaution freigelassen. Eine Bedingung dafür ist oftmals, dass die Künstler sich damit einverstanden erklären, nichts über ihre Erlebnisse im Gefängnis und die Kautionsvereinbarung zu erzählen. Bezüglich der Jungs von „Confess“ kann ich sagen, dass sie auf Kaution aus dem Gefängnis entlassen wurden und nun auf ihre Verhandlung warten. Da sie große Angst haben, ihre Situation noch weiter zu verschlechtern, reden sie mit niemandem über ihre Anklage. Auch aufgrund ihrer eigenen Sicherheitslage haben sie bisher keine weiteren Informationen über ihre Situation weitergegeben.

Die iranische Heavy Metal Band „Confess“ wird aufgrund ihrer Musik unterdrückt und verfolgt.

„Trotz Ankündigungen keine Verbesserungen“

Wie siehst Du die Entwicklung im Iran bezüglich der Zensur von Musik? Gibt es unter dem sogenannten „Reformer“ Ruhani Besserungen?

Seitdem der sogenannte Reformer Ruhani sein Amt im Jahr 2013 angetreten hat, hat sich nichts verbessert. Die Situation für Musiker und Künstler ist weiterhin schlecht. Es hat sich lediglich die Anzahl an Künstlern vervielfacht, die sich selbst zensieren. Diese „Clowns“ machen Musik für die breite Masse der Gesellschaft, um den Restriktionen zu entkommen, mit denen Künstler zu kämpfen haben, die alternative Musik, wie zum Beispiel Heavy Metal, machen.

Welche Strafen drohen Künstlern im Iran, die „falsche“ bzw. regimekritische Musik machen?

Als Musiker wird man meistens der gleichen Straftaten beschuldigt, die auch andere politische Aktivisten wie Journalisten, Anwälte oder Studenten zu erwarten haben, falls sie sich systemkritisch äußern. Blasphemie, „Aktivitäten gegen die nationale Sicherheit“ und Spionage für USA und Israel sind nur die häufigsten Beispiele.

Wie sehen die Erfolgschancen im Iran für angeklagte Musiker aus?

Das hängt sehr stark vom Hintergrund und den Beziehungen des Beschuldigten ab. Falls man reich ist, die Familie die richtigen Beziehungen hat oder jemanden kennt, der beim Staat angestellt ist, hat man relativ gute Chancen. Es ist ähnlich wie in jedem anderen Repressionsstaat auch: Beziehungen helfen und Geld regelt den Rest. Diejenigen, die dies nicht haben, also weder reich sind noch irgendwelche Beziehungen unterhalten, haben es sehr schwer.

Gibt es neben „Confess“ noch weitere Beispiele von unterdrückten Musikern aus dem Iran und was wird ihnen vorgeworfen?

Es gibt sehr viele andere Bands und Musiker, die vom Staat unterdrückt werden. Sie werden der gleichen Straftaten beschuldigt, die ich schon genannt habe. Selbst der Gitarrist meiner eigenen Band, der zu der damaligen Zeit im Iran lebte, wurde verhaftet und 3 Monate gefangen gehalten. Nach Zahlung einer hohen Kaution und während er auf seine Verhandlung wartete, konnten wir ihn über einen „Maultier-Transport“ über die Grenze ins Ausland schmuggeln.

Du bist einer der Köpfe hinter „Music Is Not A Crime“. Kannst du das Ziel der Plattform erläutern? Wie arbeitet ihr?

Die Kampagne soll die freie Meinungsäußerung im Bereich Musik und Kunst unterstützen und vorantreiben. Wir helfen und assistieren zensierten Musikern weltweit. Dabei übernehmen wir beispielsweise das Management oder auch die Produktion der Künstler. Wir versuchen sie zu eigener Produktion und Werbung zu motivieren. Des Weiteren versuchen wir sie so erfolgreich wie möglich zu machen und stellen von A bis Z alles Nötige zur Verfügung.

„Die Art variiert, das Ergebnis bleibt gleich“

In welchen anderen Ländern werden Musiker besonders stark unterdrückt?

In vielen Ländern werden Musiker verfolgt und unterdrückt. Russland, China, Kuba, Syrien, Irak, Afghanistan oder Tunesien sind nur einige Beispiele. Die Art und Intensität der Repressionen variiert zwar von Land zu Land, das Ergebnis ist jedoch meist gleich: unabhängige Musik stirbt aus, einerseits aufgrund der angesprochenen Selbstzensur der Künstler, andererseits aufgrund der massiven Verfolgung und Unterdrückung derjenigen Musiker, die sich nicht dem Staat beugen.

Was tut Ihr konkret, um den betroffenen Künstlern zu helfen?

Unsere Hauptaufgabe ist die Betreuung, um den Künstlern zu helfen, ihre Projekte weiterhin fortführen zu können. Wir helfen ihnen dabei, Songs zu produzieren und diese dann weltweit bekannt zu machen.

Wie werdet Ihr auf Fälle von Musikern aufmerksam, die aufgrund ihrer Musik Repressionen ertragen müssen?

Über die Jahre hinweg haben wir uns ein breites Netzwerk an Informanten und Kontakten aufgebaut. Unsere Kontakte und unser Rechercheteam kommunizieren sehr aktiv mit Musikern, die unter Repressionen leiden oder sie zu befürchten haben.

Was können Freunde und Mitglieder der IGFM tun, um euch und eure Kampagne zu unterstützen?

Andere Menschen auf unser Projekt aufmerksam machen! Natürlich benötigen wir auch Spenden, um die Produktion und Werbung von Songs zu finanzieren. Momentan planen wir ein sogenanntes „Notfallhilfe-Konto“ für die Musiker, die beispielsweise mit teuren Gerichtsverfahren und Geldstrafen zu rechnen haben. Außerdem zielt dieses Konto darauf ab, Künstlern in einer Notfallsituation die Ausreise aus ihrem Land zu ermöglichen, damit sie sicher und frei leben können.

Die IGFM sprach mit Arash Rahbary im September 2016.

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