33 Jahre Gefängnis für sieben Baha‘i

Am 10. Mai 2020 wurden Shahriar Atrian, Navid Bazmandegan, Bahareh Qaderi (Ghaderi), Noura Pourmoradian und Soudabeh Haqiqat (Haghighat) vom Revolutionsgericht in Schiras zu jeweils sechs Jahren, Niloufar Hakimi zu acht Jahren und Ehsanollah Mahboub-Rahvafa zu einem Jahr Haft verurteilt. Angeklagt waren sie wegen „Propaganda gegen das Regime und Mitgliedschaft in regierungskritischen Gruppen".

Am 10. Mai 2020 wurden Shahriar Atrian, Navid Bazmandegan, Bahareh Qaderi (Ghaderi), Noura Pourmoradian und Soudabeh Haqiqat (Haghighat) vom Revolutionsgericht in Schiras zu jeweils sechs Jahren, Niloufar Hakimi zu acht Jahren und Ehsanollah Mahboub-Rahvafa zu einem Jahr Haft verurteilt. Angeklagt waren sie wegen „Propaganda gegen das Regime und Mitgliedschaft in regierungskritischen Gruppen“. Bild: Iran Press Watch

Iran: IGFM kritisiert neue Welle der Verfolgung religiöser Minderheiten

Teheran/Frankfurt am Main, 19. Mai 2020 – Frei! Eigentlich sollte die 37-jährige Kunst- und Literaturdozentin Negin Ghadamian wegen der Coronavirus-Pandemie im April 2020 freigelassen werden, da sie bereits zwei Drittel ihrer Haftstrafe verbüßt hat. Die iranischen Machthaber verhinderten aber nicht nur ihre Freilassung, sondern auch einen Hafturlaub aus medizinischen Gründen, berichtet die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM). In den vergangenen Wochen verurteilten Revolutionsgerichte der Islamischen Republik weitere Baha’i zu langjährigen Gefängnisstrafen, so die IGFM.

Seit der Revolution im Jahr 1979 sind religiöse und ethnische Minderheiten wie die Baha‘i im Iran harter religiös motivierter Verfolgung ausgesetzt. So sitzt Negin Ghadamian allein wegen der „Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation des Bahai-Kultes“ seit Dezember 2017 eine fünfjährige Haftstrafe im berüchtigten Evin-Gefängnis in Teheran ab. Am 10. Mai 2020 wurden zudem sieben Bahai-Anhänger zu insgesamt 33 Jahren Haft verurteilt. Zwei weitere Baha’i, Soheila Haghighat und Shahnaz Sabet, wurden am 17. Mai 2020 aufgrund von „Propaganda gegen das Regime und Mitgliedschaft in regimekritischen Gruppen“ zu jeweils sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Nachdem sie am 9. Juni 2020 aus dem Evin-Gefängnis in den Hausarrest geschickt worden war, wurde sie am Sonntag, den 5. Juli 2020, während eines Telefongesprächs von der Vollzugseinheit des Evin-Gefängnisses über ihre vorzeitige Entlassung informiert.

„Nach unseren Informationen aus dem Iran erhöht das islamistische Regime aktuell wieder den Druck auf religiöse Minderheiten – dies zeigen unter anderem die Brandstiftung im Heiligen Schrein der Juden in der Stadt Hamedan im Westen des Irans und im indischen Tempel in Bandar Abbas im Süden des Landes am 15. und 16. Mai sowie der Angriff auf einen Baha‘i-Friedhof“, berichtet Martin Lessenthin, Vorstandssprecher der in Frankfurt ansässigen Menschenrechtsorganisation.

Wegen Lehrtätigkeit verhaftet

Die Baha‘i Negin Ghadamian hat einen Master-Abschluss in persischer Kultur und Literatur vom iranischen Bahai-Institut für Hochschulbildung (BIHE) und lehrte dort als Dozentin. Nach einer Welle von Verhaftungen von Bahai-Gelehrten im ganzen Land wurde Negin Ghadamian am 24. Mai 2011 festgenommen. Die Richterin verlangte, dass sie schriftlich bestätigen sollte, dass sie nicht mehr mit dem Bahai-Institut zusammenarbeitet und Bahai-Studenten nicht mehr unterrichtet. Negin Ghadamian weigerte sich, das Dokument zu unterschreiben und kam gegen Kaution frei. In Abwesenheit wurde sie im Februar 2013 wegen „Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation des Bahai-Kultes, Verstoßes gegen die nationale Sicherheit und illegale Aktivitäten im Bahai-Bildungsinstitut“ zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Als Negin Ghadamian am 16. Dezember 2017 zusammen mit ihrem Mann in ein europäisches Land reisen wollte, wurde sie am Flughafen Täbris im Westen des Iran festgenommen und in das Evin-Gefängnis nach Teheran gebracht. Dort muss sie seitdem ihre fünfjährige Haftstrafe absitzen.

Willkürliche Verurteilungen in Pandemie-Zeiten

Am 10. Mai 2020 wurden Shahriar Atrian, Navid Bazmandegan, Bahareh Qaderi (Ghaderi), Noura Pourmoradian und Soudabeh Haqiqat (Haghighat) vom Revolutionsgericht in Schiras zu jeweils sechs Jahren, Niloufar Hakimi zu acht Jahren und Ehsanollah Mahboub-Rahvafa zu einem Jahr Haft verurteilt. Angeklagt waren sie wegen „Propaganda gegen das Regime und Mitgliedschaft in regierungskritischen Gruppen“. Niloufar Hakimi wurde kürzlich erst zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Außerdem erwartet Elaheh Samizadeh und Soudabeh Haqiqat noch eine Verhandlung wegen weiterer  Anklagepunkte. Die sieben Bahai-Anhänger wurden im September 2018 verhaftet und waren bis zur Verhandlung auf Kaution entlassen worden. Solch willkürliche Inhaftierungen in Zeiten einer globalen Pandemie in Gefängnissen, in denen große Hygienemängel und eine schlechte medizinische Versorgung herrschen, sieht die IGFM als schwere Menschenrechtsverletzung an und sorgt sich um die Verurteilten.

„Negin Ghadamian litt im November 2018 an einer Infektion im Kiefer- und Zahnbereich, die nicht von Spezialisten behandelt wurde. Allein deshalb wäre ein medizinischer Hafturlaub mehr als gerechtfertigt. Außerdem sind die politischen Gefangenen im Iran aktuell in großer Gefahr, sich mit dem Coronavirus anzustecken. Daher fordert die IGFM die sofortige Freilassung von Negin Ghadamian, Soheila Haghighat, Shahnaz Sabet, der sieben Bahá’í-Anhänger sowie aller aus politischen Gründen Inhaftierten“, so Lessenthin.

Die am stärksten unterdrückte religiöse Minderheit

Die Bahai sind mit mehr als 300.000 Mitgliedern die größte religiöse Minderheit im Iran, die von der iranischen Regierung nicht anerkannt wird. Aus diesem Grund sind die Bahai in ihrer Heimat schweren Repressionen ausgesetzt ist. Die schwerwiegendste Einschränkung ist, dass sich die Bahai laut einer Resolution des Obersten Rates der Kulturrevolution vom 25. Februar 1991 nicht an den Universitäten einschreiben dürfen. Wenn sich herausstellt, dass ein Student Anhänger der Bahai ist, wird er exmatrikuliert. So wurden alle Bahai-Professoren und Studenten von iranischen Universitäten ausgeschlossen. Das Bildungsverbot der Bahai veranlasste die Bahai-Gemeinschaft im Iran, in Zusammenarbeit mit Professoren und Lehrern Bahai-Klassen einzurichten, um diese Diskriminierung zu bekämpfen. Dadurch bildete sich ein „Hochschulinstitut im Untergrund“. Seitdem werden die Bahai ständig von Sicherheitskräften angegriffen. So wurden 2012 Professoren und Beamte des Instituts verhaftet sowie deren Eigentum beschlagnahmt. Mit dem Entzug der Bildung versucht die iranische Regierung, diese Gemeinschaft zu unterdrücken. „Bildung ist ein Menschenrecht. Bahai-Mitglieder dürfen ihre Religion im Iran nicht praktizieren, keine eigenen Schulen betreiben und ihnen wird eine höhere Bildung verweigert – wer sich dem widersetzt, der wird willkürlich verhaftet“, so die IGFM. Im September 2016 beschrieb UN-Generalsekretär Ban Ki-moon die Bahai in seinem Bericht über die Menschenrechtssituation im Iran als „die am stärksten unterdrückte religiöse Minderheit“.

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