Nasrin Sotoudeh

Nasrin Sotoudeh ist eine Menschenrechtsverteidigerin, die sich für Frauenrechte und gegen den Kopftuchzwang in ihrer Heimat stark gemacht hat.

Die Anwältin, die niemand verteidigen durfte

Frankfurt am Main, 14. Januar 2020 – Die Proteste im Iran werden immer lauter – gegen das System, die Verlogenheit des Regimes und gegen die Ungerechtigkeiten im Land. Tausende Bürger fordern ihre Rechte immer stärker ein, viele wurden dafür nach und nach weggesperrt. In diesen Tagen sind es insbesondere Frauen, wie die iranische Schach-Schiedsrichterin Shohreh Bayat und die Athletin Kimia Alisadeh, die gegen die jahrzehntelange Unterdrückung aufbegehren. „Das prominenteste Beispiel jedoch ist die Menschenrechtsverteidigerin Nasrin Sotoudeh, die sich für Frauenrechte und gegen den Kopftuchzwang in ihrer Heimat stark gemacht hatte“, erklärt der Vorstandssprecher der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM), Martin Lessenthin. Die IGFM möchte das Schicksal der unschuldig im Gefängnis leidenden iranischen Mütter öffentlich machen.

Die Rechtsanwältin Nasrin Sotoudeh wurde 2012 vom Europäischen Parlament mit dem Sacharow-Preis für geistige Freiheit ausgezeichnet. Seit 2018 sitzt sie eine Haftstrafe von 33 Jahren und 148 Peitschenhieben im berüchtigten Evin Gefängnis ab. „Die Welt schaut gerade besonders auf den Iran und sieht, wie sich die Unzufriedenheit der Menschen auf den Straßen entlädt. Was sie nicht sieht, ist das Leid der politischen Gefangenen, wie das von Nasrin Sotoudeh und anderen Müttern, die sich für das Selbstbestimmungsrecht und die Gleichberechtigung von Frauen im Iran einsetzen und deshalb ihrer Freiheit beraubt werden“, kritisiert IGFM-Sprecher Lessenthin. Nasrin Sotoudeh ist Mitglied des Kuratoriums der in Frankfurt ansässigen Menschenrechtsorganisation, die seit ihrer Inhaftierung immer wieder mit Kampagnen auf deren Schicksal aufmerksam macht.

Nasrin Sotoudeh hat sich nicht einschüchtern lassen. Nicht durch Drohungen, Verhaftungen und Misshandlungen. Sie forderte vehement die Einhaltung iranischen Rechts und internationaler Mindeststandards. Zudem hat sie weiterhin Menschen vertreten, die von der Führung der Islamischen Republik seit Jahren unterdrückt werden – Frauen, Menschenrechtsaktivisten und Angehörige von Minderheiten. Außerdem sprach sie sich selbst öffentlich gegen den Kopftuchzwang aus. Am 13. Juni 2018 wusste sich das iranische Regime nicht mehr anders zu helfen als die Rechtsanwältin ohne Vorwarnung erneut zu verhaften. Sie wurde zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, ohne die Möglichkeit zu haben, selbst beim Prozess anwesend zu sein oder sich verteidigen zu können.
Es kam noch schlimmer: In einem erneuten Prozess wurde die zweifache Mutter aufgrund ihres Einsatzes gegen den im Iran allgegenwärtigen Kopftuchzwang zu 33 Jahren Haft und 148 Peitschenhieben verurteilt. „Deutschland und die Europäische Union müssen gerade jetzt, wenn die internationale Gemeinschaft auf den Iran schaut, die Menschenrechte und das Schicksal mutiger Iraner wie Nasrin Sotoudeh thematisieren – einer engagierten Rechtsanwältin, couragierten Frau und liebenden Mutter“, fordert Lessenthin. Denn internationale Aufmerksamkeit sei der beste Schutz für inhaftierte politische Gefangene. Schon oft habe dieser politische Druck durch internationale Kampagnen zu Hafterleichterungen oder gar zu Freilassungen geführt.

Diskriminierung von Frauen an der Tagesordnung

Die Menschenrechtslage im Iran ist seit Jahren verheerend: Diskriminierungen, Verfolgung Andersdenkender und willkürliche Verhaftungen sind an der Tagesordnung. Gewerkschafter, Demokratieaktivisten, Frauenrechtler, Homosexuelle und Angehörige religiöser Minderheiten werden schikaniert, überwacht, eingesperrt und sogar hingerichtet. Besonders stark sind Frauen von der Diskriminierung betroffen, denn sie sind im Iran auch im 21. Jahrhundert noch Bürger zweiter Klasse. Von Gleichberechtigung ist das Land genauso weit entfernt wie von einer demokratischen Ordnung und einem funktionierenden Rechtssystem. Frauen werden nicht nur zu Unrecht eingesperrt, sondern dadurch auch systematisch von ihren Kindern ferngehalten. Die Inhaftierung einer Mutter ist eine belastende Situation und Strafe für die ganze Familie, die so grausam wie wirkungsvoll ist.
„Dem Regime ist das seelische Leid der Kinder, der nächsten Generation des Landes, schlichtweg egal. Ihnen ist es nur wichtig, dass die Frauen, die sich nicht der Kleiderordnung oder dem Kopftuchzwang fügen, mit allen Mitteln zum Schweigen gebracht werden“, berichtet Lessenthin. Besonders gefürchtet sind gebildete Frauen, die sich gegen das Regime auflehnen und den Menschen, die sich für Veränderungen einsetzen und frei ihre Meinung äußern, zum Beispiel vor Gericht beistehen. Rechtsanwälte haben im Iran generell keinen guten Stand, Rechtsanwältinnen schon gleich gar nicht. Denn im Iran herrscht ein Frauenbild wie im Mittelalter: Nach der Ansicht der Führung des Landes sollen sich Frauen dem Mann unterordnen, möglichst viele Kinder bekommen, diese im Sinne des Regimes erziehen und keine eigene Meinung haben. „Es wird endlich Zeit, dass der Iran im 21. Jahrhundert ankommt. Den Kindern des Landes dürfen weder ihre Mütter noch ihre Zukunft genommen werden“, betont Lessenthin.

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