Abbas Deris
Abbas Deris wurde während der landesweiten Proteste im November 2019 festgenommen. Wegen „Krieg gegen Gott“ wurde er vom Mullah-Regime zum Tode – und wegen Mordes und illegalen Waffenbesitzes zu 14 Jahren Haft verurteilt, wovon zehn Jahre vollstreckbar sind. Der Antrag auf die Wiederaufnahme des Prozesses wurde am 28. Januar 2024 schließlich abgelehnt. Trotzdem steht der Prozess zu dem Anklagepunkt „Krieg gegen Gott“ und somit zu seinem Todesurteil noch aus. Da keine Beweise gegen ihn existieren, sondern nur durch Folter erzwungene Geständnisse, ist seine Verurteilung nicht nur nach internationalem Recht, sondern sogar nach den eigenen Gesetzen der Islamischen Republik rechtswidrig.
Dreifacher Familienvater zu 14 Jahren Haft verurteilt
Abbas Deris und sein 20 Jahre jüngerer Bruder Mohsen Deris aus Mahschahr, einer Hafenstadt in der Provinz Khuzestan, wurden während der landesweiten Proteste im Iran im November 2019 – auch bekannt als „Blutiger November“ – festgenommen und erhielten unschuldig die Todesstrafe. Abbas Deris gehörte der Arbeiterklasse an und war ein hartarbeitender Mann, der es nur mit Schwierigkeiten schaffte mit seiner Familie über die Runden zu kommen. Der Vorwurf gegen ihn lautete Kauf und Besitz einer Waffe. Die Familie antwortete zynisch auf diese Anschuldigung mit den Worten: „Wenn wir Geld hätten, um uns eine Waffe zu kaufen, hätten wir unser tägliches Brot gekauft.“
Brief seines ältesten Sohnes Ali
Im Juli 2023 veröffentlichte der älteste Sohn des dreifachen Familienvaters eine Videobotschaft. Der 16-jährige Ali Deris bittet darin die Welt um Unterstützung bei der Rettung seines Vaters. Er erklärt darin, dass er und seine beiden Geschwister Mehdi (12) und Mohammad (8) bereits ihre Mutter verlieren mussten, nachdem sie von der drohenden Hinrichtung ihres Mannes erfuhr. Er stellt die Frage: „Ist diese Welt so grausam, dass sie uns dabei zuschauen wird, wie wir auch noch unseren Vater verlieren?“
Festnahmen und Anklagen
Der Fall der Deris-Brüder hatte von Anfang an keine Rechtmäßigkeit im Gerichtsverfahren. Abbas Deris wurde in einem Schauprozess ohne Rechtsvertretung gestellt.
Die Brüder wurden für verschiedene Verbrechen beschuldigt, darunter „Krieg gegen Gott“, „Störung der öffentlichen Ordnung“ und „Beteiligung an der Ermordung eines Mitglieds der Spezialkräfte“. Bei einem neuen Prozess im Dezember 2023 lautete die Anklagepunkte „Mord“ und „Besitz einer Waffe“.
Ein zentraler Kritikpunkt im Zusammenhang mit dem Fall der Deris-Brüder ist der unfaire und intransparente Prozess. Menschenrechtsorganisationen und Abbas Deris Anwältin Fereshteh Tabanian haben Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Festnahme geäußert, da es Fehler in der offiziellen Dokumentation gab und der Zugang zu den Fallinformationen begrenzt war. Große Teile der Informationen wurden mündlich übermittelt, was sowohl die Familie als auch die juristische Vertretung in Unsicherheit ließ. Berichte deuten darauf hin, dass der Fall der Brüder ursprünglich vor der ersten Abteilung des Revolutionsgerichts von Mahshahr verhandelt werden sollte, die Verhandlung aber aus Sicherheitsgründen ins Mahshar-Gefängnis verlegt wurde. Diese unerwartete Änderung sowie die Vertagung von Gerichtssitzungen haben Zweifel an der Integrität des juristischen Verfahrens aufkommen lassen.
Tragische Folgen und öffentlicher Aufschrei
Die willkürliche Inhaftierung der Deris-Brüder hatte tragische Folgen für die Familie. Im März 2022 erlitt die Ehefrau von Abbas Deris, Kefayeh, einen Herzinfarkt und verstarb kurz nach der Überbringung der Nachricht vom Todesurteil ihres Mannes. Dieses tragische Ereignis löste eine Welle der Empörung aus und führte zu einer Online-Aktivismus-Kampagne mit dem Hashtag #SaveAbbas, um gegen das ungerechte Todesurteil zu protestieren. Die Anwältin Fereshteh Tabanian kritisierte das unrechtmäßige Vorgehen scharf, da die Deris-Brüder zu diesem Zeitpunkt noch keine offizielle Bestätigung des Todesurteils hatten und der Schock über das Urteil für den Tod von Kefayeh verantwortlich war. Hier wird die Willkür des Staates erneut ersichtlich.
Anschuldigungen und Urteile
Im Oktober 2022 wurde berichtet, dass Mohsen Deris von der Anklage der Komplizenschaft mit seinem Bruder zu Krieg gegen Gott und dem Staat freigesprochen wurde. Allerdings wurde ihm Beihilfe zum Mord vorgeworfen. Abbas Deris wurde wegen seiner angeblichen Beteiligung an den Protest- und Gewalttaten willkürlich zum Tode verurteilt. Die Anwältin Fereshteh Tabanian verkündete am 2. November 2022 auf Twitter, dass die beiden Angeklagten vom Sepidar-Gefängnis in Ahvaz an einen anderen Ort verlegt wurden, ohne dass ihnen zuvor etwas mitgeteilt worden war.
Trotz des verheerenden Urteils hat Fereshteh Tabanian Berufung gegen die Entscheidung eingelegt. Am 26. Juli 2023 verkündete die Anwältin auf Twitter, dass eine Anordnung zur Aussetzung der Vollstreckung des Urteils erlassen wurde. Daraufhin wurde Abbas Deris am 13.Dezember 2023 von der dritten Abteilung des Strafgerichts der Provinz Khuzestan wegen angeblichen Mordes und Waffenbesitzes zu 14 Jahren Haft verurteilt, wovon zehn Jahre vollstreckbar sind. Das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig, da es zunächst vom Berufungsgericht bestätigt werden muss. Ein weiterer Prozess, der über den Anklagepunkt „Krieg gegen Gott“ und somit über die Todesstrafe für Abbas entscheidet, steht ebenfalls noch immer aus.
Der unermütliche Kampf gegen die Vollstreckung
Nachdem die von der Anwältin Fereshteh Tabanian verfolgte Wiederaufnahme des Verfahrens von Abbas Deris zunächst in der neunten Abteilung des Obersten Gerichtshofs registriert worden war, wurde sie am 28. Januar 2024 schließlich doch abgelehnt.
Dennoch betont Tabanian stets die Notwendigkeit einer fairen und unparteiischen Überprüfung des Falls, um die Rechte von Abbas Deris zu schützen.
Sie versucht die Vollstreckung des Todesurteils daher weiterhin zu verhindern, indem sie sich auf Artikel 477 beruft. Eine Entscheidung über die Anfrage hat jedoch noch nicht stattgefunden. Demnach besteht noch immer die reale Gefahr, dass Abbas Deris sein Leben für ein Verbrechen verlieren könnte, das er nie begangen hat. Fereshteh Tabanian weist darauf hin, dass bis heute nicht eindeutig geklärt wurde, ob die abgefeuerte Kugel Abbas Deris gehörte oder nicht, was für seine Unschuld spricht. Auch die Familie des getöteten Reza Sayadi hat keinerlei Beschwerden gegen Abbas Deris erhoben.
Menschenrechtsverletzungen im Iran
Die Islamische Republik Iran missachtet systematisch die Rechte ihrer Bürger. Immer wieder kommt es zu willkürlichen Festnahmen, Verurteilungen ohne faire Gerichtsprozesse sowie zu Misshandlungen und Hinrichtungen von Andersdenkenden. Mit der unmenschlichen Behandlung ihrer Gefangenen verletzt die Islamische Republik Iran in hohem Maße die von ihr ratifizierten menschenrechtlichen Mindeststandards des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte („Zivilpakt“) der Inhaftierten. Dazu gehören unter anderem das Verbot von Folter und grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (Artikel 7), das Verbot willkürlicher Gefangennahme (Artikel 9).
Stand: 27. Februar 2024.