Pandemie in Umerziehungslagern befürchtet

Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) sorgt sich um die die Folgen der Corona-Pandemie für die Uiguren.

Die IGFM befürchtet die Ausbreitung des Virus in den Umerziehungslagern. Laut chinesischer Angaben liegt die Zahl der im uigurischen Autonomiegebiet Xinjiang mit Covid-19 infizierten Personen momentan bei 76. Das sei in Anbetracht der Tatsache, dass die Kommunistische Partei von Anfang an eine Desinformationskampagne bezüglich der Fallzahlen betrieben hat, unglaubwürdig.

Menschenrechtler fordern Freilassung von Dr. Gulshan Abbas

Urumtschi / Frankfurt am Main, 15. Mai 2020 – Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) sorgt sich um die Folgen der Corona-Pandemie für die Uiguren. Nach offiziellen chinesischen Angaben haben sich im uigurischen Autonomiegebiet Xinjiang in der Volksrepublik China (Ostturkestan) bisher nur 76 Personen mit dem Coronavirus infiziert. Nach Auffassung der IGFM ist das völlig unglaubwürdig. Da die Kommunistische Partei von Anfang an eine Desinformationskampagne bezüglich der Fallzahlen von COVID-19-Patienten betrieben hat, geht die IGFM von wesentlich mehr Infizierten aus und befürchtet eine Ausbreitung in den „Umerziehungslagern“.

Die in Frankfurt ansässige Menschenrechtsorganisation fordert die sofortige Freilassung von allen Menschen, die in den sogenannten Umerziehungslagern in Ostturkestan festgehalten werden. „Eine von ihnen ist die Ärztin Dr. Gushan Abbas, die willkürlich interniert wurde und deren medizinisches Wissen gerade während der Pandemie von großem Nutzen in der Region wäre“, so die IGFM.

Pensionierte Ärztin Dr. Gulshan Abbas seit 2018 in Internierungslager
In den letzten Jahren hat sich die Menschenrechtssituation für die mehr als zehn Millionen Uiguren muslimischen Glaubens im Autonomiegebiet Xinjiang dramatisch verschlechtert. Sie leiden verstärkt unter politischer Indoktrination, weitreichenden Überwachungsmaßnahmen und willkürlichen Festnahmen. Nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen befinden sich über eine Million Uiguren in Umerziehungslagern. Eine davon ist Dr. Gulshan Abbas, die vor ihrer Pensionierung als Ärztin in dem Xinjiang Oil Field Company Ming Yuan Workers Hospital in Ostturkestan tätig war. Ihre Schwester Rushan Abbas, Vorsitzende und Gründerin der „Campaign for Uyghurs“, setzte sich in den USA aktiv für die Rechte der Uiguren ein. Im Jahr 2018 brachten die chinesischen Behörden Dr. Abbas in ein Internierungslager, um ihre Schwester zum Schweigen zu bringen. Gulshan Abbas hat zwei Töchter und drei Enkelkinder. Sie spricht fließend Chinesisch und hat es nach Aussage ihrer Familie auch nach ihrer Pensionierung als ihre Pflicht angesehen, anderen zu helfen.

Schlechte medizinische Versorgung und Zwangsarbeit
Für die internationale Gemeinschaft ist es schwierig, sich ein vollständiges Bild von der aktuellen Situation in Ostturkestan zu machen, da die chinesische Regierung Details zum Ausbruch von COVID-19 in der Region unter Verschluss hält. Der Weltkongress der Uiguren hat aktuell noch keine Informationen, ob das Virus bereits in den Lagern angekommen ist. „Menschen, die aus Internierungslagern geflohen sind, haben uns berichtet, dass die Räume dort stark überfüllt und in einem sehr schlechten hygienischen Zustand sind“, erläutert Dolkun Isa, Präsident des Weltkongresses der Uiguren. Hinzu kommt, dass die Internierten permanent physischer und psychischer Gewalt ausgesetzt werden und dadurch gesundheitlich vorbelastet sind. Außerdem gibt es in den Internierungslagern keine ausreichende medizinische Versorgung. Im März dieses Jahres wurde öffentlich, dass mehr als 80.000 Uiguren und Angehörige andere Turkvölkern, die in Lagern inhaftiert waren, zur Zwangsarbeit in chinesische Provinzen außerhalb von Ostturkestan gebracht werden. „Angesichts solcher menschenunwürdigen Praktiken sollte eigentlich ein Aufschrei durch die Welt gehen und das Vorgehen der chinesischen Regierung aufs Schärfste verurteilt werden. Stattdessen profitieren von dieser Zwangsarbeit sogar noch deutsche Unternehmen“, kritisiert die IGFM. Selbst während des Lockdowns wurde diese Praktik fortgesetzt. Im Januar wurden die Uiguren nicht von den Behörden über die Quarantänemaßnahmen informiert und sie erhielten während der Ausgangsbeschränkungen auch keine Lebensmittel von der Regierung.

Chinesische Regierung setzt Assimilationspolitik trotz Krise fort
Die chinesische Regierung hat ihr Siedlungsprojekt in Ostturkistan aktuell sogar noch verstärkt und lockt gezielt Han-Chinesen in die Region, um so langfristig die dortige Demographie zu verändern. Außerdem werden chinesische Lehrer dazu gebracht, nach Ostturkistan zu ziehen, um die Assimilation der Uiguren weiter voranzutreiben und deren Kultur auszulöschen. Auch die in anderen Ländern lebenden Uiguren stehen momentan vor enormen Herausforderungen. So leben zum Beispiel in der Türkei zwischen 40.000 und 50.000 Uiguren, von denen ein Großteil keinen Reisepass oder ständigen Wohnsitz hat und dadurch staatenlos ist. Darunter fallen mehr als 2.000 Studenten, über 1.000 Waisenkinder und 1.000 alleinerziehende Mütter, die durch die chinesische Regierung von ihren Ehemännern und Familien getrennt wurden. Viele dieser Menschen sind nicht in der Lage Miete, Strom oder eine medizinische Behandlung zu bezahlen. „Die Menschenrechte der Uiguren werden auch in der Corona-Krise systematisch verletzt und der chinesische Staat wägt sich in Sicherheit, weil die internationale Gemeinschaft mit der Bekämpfung der Pandemie beschäftigt ist“, beklagt die IGFM.

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