Für Demokratie in Hongkong

Demo Hongkong Berlin

Auf einer großen Kundgebung in Berlin demonstrierten zahlreiche Exil-Hongkonger auf Einladung der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM), des Vereins Hongkonger in Deutschland e.V. und der Bewegung Germany Stands With Hong Kong für Freiheit und Demokratie in ihrer Heimat. Mit politischen Forderungen und auf Plakaten machten sie sich für ein freies und demokratisches Hongkong sowie die Freilassung aller aus politischen Gründen Inhaftierter stark (rechts). Links IGFM-Vorstandsmitglied Michael Leh bei seiner Rede. Fotorechte: Michael Leh

Für Demokratie und Freiheit in Hongkong

Kundgebung in Berlin mit Ray Wong, Glacier Kwong und Amy Siu

Berlin, 15. Juni 2021 – An der Weltzeituhr auf dem Alexanderplatz in Berlin fand am 12. Juni eine große Kundgebung in Deutschland lebender Hongkonger statt. Reden hielten der erste in Deutschland anerkannte Flüchtling aus Hongkong, Ray Wong, die aus Hongkong stammende Demokratieaktivistin und WELT-Kolumnistin Glacier Wong, der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Müller-Rosentritt, Amy Siu vom Verein der Hongkonger in Deutschland e.V., IGFM-Vorstandsmitglied Michael Leh und der junge Sinologe David Missal, der 2018 wegen einer kritischen Studienarbeit aus China ausgewiesen wurde.

Amy Siu erklärte: „Heute vor zwei Jahren fand erneut eine Occupy-Bewegung in in Hongkong statt. Hunderttausende freiheitsliebende Hongkonger hatten  das Regierungsviertel besetzt, um gegen das Auslieferungsgesetz zu protestieren. Aber im Gegensatz zur Regenschirmbewegung im Jahr 2014, die 70 Tage dauerte, hat diese Occupy-Bewegung lediglich einen halben Tag gedauert, bevor sie schließlich mit Hunderten Tränengasbomben geräumt wurde.“ Das Auslieferungsgesetz sei drei Tage später zwar zurückgezogen worden. „Allerdings begann Hongkong seither, von einer der freiesten Städte der Welt zu einem totalitären Polizeistaat zu verkommen“, sagte Amy Siu. Fortlaufend fänden Verstöße gegen die Menschenrechte und Verhaftungswellen statt. „Da politische Aktivitäten in Hongkong nun kaum möglich sind, haben im Ausland lebende Hongkongerinnen und Hongkonger wie wir die Verantwortung, für unsere Heimat einzutreten und ihrer Stimme Gehör zu verschaffen“, erklärte sie. Dies geschehe jetzt in einer globalen Kampagne, und sie verwies auch auf Kundgebungen in Köln und Frankfurt.

Die Pressefreiheit wird in Salamitaktik beseitigt

IGFM-Vorstandsmitglied Michael Leh erklärte: „Es ist wichtig, dass wir immer möglichst aktuelle Informationen über die Namen der politischen Häftlinge und ihre Haftbedingungen bekommen. Wie steht es um den Zugang für Anwälte, wie sieht es in den Gefängnissen aus, wie ist es um eine medizinische Versorgung bestellt, zumal in dieser Corona-Zeit.“ Leh drückte seine Bewunderung für den Freiheitskampf der Hongkonger aus und verwies auf das Beispiel des 73-jährigen Medienunternehmers Jimmy Lai: „Gerade wurde Lai zu weiteren vierzehn Monaten Haft verurteilt. Fünf weitere Verfahren laufen gegen ihn, die zu langjährigen Haftstrafen führen können. Angesichts seines großen Vermögens hätte sich Jimmy Lai leicht ins Ausland absetzen können. Aber er, der als Junge in einem Fischerboot vor den Kommunisten vom Festland nach Hongkong floh, wollte jetzt nicht mehr vor ihnen fliehen.“ Die Pressefreiheit in Hongkong werde weiter „in Salamitaktik“ beseitigt, sagte Leh. Noch harrten die meisten Mitarbeiter von Jimmy Lais prodemokratischer Zeitung „Apple Daily“ aus, aber dies werde immer schwieriger für sie.

Das Hongkonger „Sicherheitsgesetz“ vom 1. Juli 2020 könne sogar auch auf Handlungen von Ausländern außerhalb Hongkongs angewendet werden. Peking habe gerade auch ein neues „Anti-Sanktions-Gesetz“ verabschiedet. Mit diesem könne China Strafen gegen „Personen oder Organisationen“ verhängen, „die direkt oder indirekt an der Formulierung, Entscheidung oder Durchführung“ von ausländischen Sanktionen gegen China mitwirkten.

Schwierige Situation auch für viele Hongkonger in Deutschland

Leh drückte sein Mitgefühl angesichts der prekären Lage vieler Hongkonger in Deutschland aus. Dabei verwies er auch auf die  Kolumne von Glacier Kwong vom 23. April mit dem Titel: „Mein Pass verwirrt deutsche Beamte – das wird zum Risiko für Freiheitskämpfer“. Darin schrieb Kwong: „Der Frust ist groß unter Menschen aus Hongkong, die mit deutschen Behörden zu tun haben. Weil viele auch eine britische Staatsbürgerschaft haben, sind Behörden offensichtlich mit den unterschiedlichen Pässen überfordert. Für Bürgerrechtler im Exil kann das gefährlich werden.“

Als internationale Studentin – sie studiert in Hamburg – müsse sie in Deutschland regelmäßig eine Aufenthaltserlaubnis beantragen. „Den Antrag bei der Hamburger Ausländerbehörde einzureichen“, schrieb sie, „war beim letzten Mal ziemlich anstrengend. Der Grund dafür dürfte den wenigsten bekannt sein. Mein Studentenvisum läuft auf meinen ,British National Overseas‘-Pass, Abkürzung: BN(O). In meinem Fall bestand die Ausländerbehörde darauf, dass ich meinen HKSAR-Pass (Hong Kong Special Administrative Region) vorlegen müsste, um hier weiter studieren zu können. Dabei ist BN(O) eine Staatsangehörigkeit.“

Der Hongkonger Pass sei aber nicht Großbritannien, sondern China zugeordnet. „Stellen Sie sich vor“, schrieb Kwong, „dass jemand, der lediglich einen BN(O)-Pass besitzt und sich für Freiheit und Demokratie in Hongkong eingesetzt hat, wegen seines HKSAR-Passes ins chinesische Konsulat muss – nur, um hier arbeiten und studieren zu dürfen. Das wäre extrem riskant.“ Gemeindeämter in Deutschland würden oft unterschiedlich bezüglich der Staatsangehörigkeit von Hongkongern verfahren.

„Das Hongkong, das wir kannten, liegt im Sterben“

Die Exil-Hongkongerin Glacier Kwong.

Die aus Hongkong stammende Demokratieaktivistin und WELT-Kolumnistin Glacier Kwong.

„Alle, mit denen ich in Hongkong zusammengearbeitet habe, sind inzwischen entweder im Gefängnis oder im Exil. Das Hongkong, wie wir es kannten, liegt im Sterben. Ein neues Hongkong muss erst noch geboren werden. Ich weiß nicht, wie viele Bezichtigungen betrügerischer Handlungen sowie Perversionen dessen, was  Recht und Unrecht ist, wir in der Zwischenzeit noch ertragen müssen. Es wird länger dauern, als ich es mir wünsche.“

Es sei schwer, in ständiger Angst leben zu müssen. Doch auch in einem autoritären Regime könne noch Solidarität gezeigt werden: „Briefe an Häftlinge schreiben, die wir nie persönlich gesehen haben; vor Gericht erscheinen, um Unterstützung zu zeigen; eine Gemeinschaft aufrechterhalten.“

Der FDP-Abgeordnete Frank Müller-Rosentritt sprach von einer tragischen Situation der Hongkonger und versicherte sie seiner Solidarität. Das Vorgehen Pekings in Hongkong verurteilte er ebenso wie die anhaltende militärische Bedrohung Taiwans durch Festlandchina. Am 8. Juni hat die FDP-Bundestagsfraktion einen Entschließungsantrag im Bundestag eingebracht. Darin heißt es u.a.: “Das Ende der Autonomie Hongkongs und die ,Vereinigung‘ mit Taiwan wird von chinesischen Nationalisten offen propagiert. Und auch Staats- und Parteichef Xi Jinping drohte 2019 offen, die Angliederung und Herstellung eines ,Gesamtchinas‘ auch mit Waffengewalt zu erzwingen. Auf internationale Kritik an diesem Verhalten reagiert die Volksrepublik China immer aggressiver, wie unter anderem der Umgang mit dem langjährigen Handelspartner Australien zeigt.“

Alles wird gleichgeschaltet

Ray Wong, der heute in Göttingen studiert, hatte in Hongkong die Oppositionsgruppe „„Indigenous“ (etwa: Die Einheimischen) gegründet. Gemeinsam mit Li Tung Sing und acht weiteren Personen war er 2017 vor dem Hohen Gerichtshof in Hongkong wegen „Anstiftung zu Unruhen“, „Beteiligung an Unruhen“ und „Teilnahme an einer ungenehmigten Versammlung“ angeklagt. Es drohten ihnen mehrjährige Haftstrafen. Michael Leh hatte Ray Wong und Li Tung Sing bereits im September 2017 kennengelernt, als sie noch per Kaution auf freiem Fuß waren. Beide erhielten 2018 Asyl in Deutschland.

Ray Wong, der erste Hongkonger, der in Deutschland Asyl erhalten hat.

Ray Wong, der erste Aktivist aus Hongkong, der in Deutschland politisches Asyl bekam.

Auf der Kundgebung in Berlin erklärte Wong:

„Das Konzept ‚Ein Land, zwei Systeme‘ ist mit Pauken und Trompeten gescheitert. Wir hatten Peking vertraut und müssen uns jetzt schmerzhaft unsere Naivität eingestehen. ‘Handel durch Wandel’ hat im Falle Chinas nicht funktioniert, das Regime ist nur noch mächtiger geworden. Jetzt ist Peking dabei, alles in Hongkong gleichzuschalten, was ihm im Wege steht.”

Seit 2019 wurden mehr als 10 000 Hongkonger verhaftet

Der aus China ausgewiesene Sinologe David Missal schilderte, wie er am 9. Juni 2019 die Demonstration von Millionen Hongkongern für ihre Freiheit erlebte: „Drei Tage später begann die brutale Niederschlagung der Demokratiebewegung.“ Das „Sicherheitsgesetz“ kriminalisiere jetzt jeglichen Widerspruch gegen Peking. Seit 2019 seien mehr als 10 000 Hongkonger verhaftet und viele verurteilt worden. „Die Reaktion in Deutschland“, kritisierte  Missal, „ist verhalten“. Wenn er, Missal, an die „deutsche Politik denke – an Heiko Maas, der sich ,besorgt´ zeigt – dann kann das nicht die Antwort sein.“ Die „Zeit der leeren Worte“ müsse endlich vorbei sein. Und: „Wir können viel mehr tun.“ Mit „echten Sanktionen“ müsse „klare Kante“ gegenüber den Verantwortlichen in Peking gezeigt werden. An deutschen Universitäten dürften auch nicht Konfuzius-Institute weiter „Parteipropaganda“ betreiben. „Ich denke auch“, rief Missal, „an die Hongkonger, die selbst in Deutschland ausspioniert und verfolgt werden. Das kann nicht sein!“ „Wir könnten auch“, fügte er hinzu, „unsere Arme wesentlich weiter aufmachen für die Hongkonger, die hier in Deutschland sind oder die nach Deutschland kommen wollen“.

Menschenrechte in China und Hongkong

Weitere Eindrücke von der Demonstration

Teilen Sie diesen Beitrag!

Nach oben