Gao Zhisheng

Einer der bedeutendsten chinesischen Menschenrechtler ist seit dem 13. August 2017 erneut in Haft „verschwunden“ und befindet sich in Dunkelhaft.

Menschenrechtsanwalt Gao Zhisheng erneut in Haft „verschwunden“

Zusammenfassung und aktueller Stand
Gao Zhisheng (Im Chinesischen: 高智晟 , geboren am 20. April 1964) ist ein renommierter chinesischer Menschenrechtsanwalt, der sich insbesondere für religiös Verfolgte, aber auch für Opfer von entschädigungsloser Enteignung, Korruption und der zum Teil brutal durchgesetzten Ein-Kind-Politik einsetzte. Sein beständiges Engagement für Opfer von Menschenrechtsverletzungen hat in den vergangenen Jahren mehrfach Repressalien durch chinesische Behörden nach sich gezogen.

Gao wurde mehrfach ohne Angabe von Gründen verhaftet, ohne Kontakt zur Außenwelt gefangen gehalten und schwer gefoltert. Im Jahr 2000 ist ein Mordanschlag auf ihn verübt worden. Auch seine Frau und seine Kinder wurden von Beamten belästigt und eingeschüchtert. Seit dem 13. August 2017 ist er erneut in Haft „verschwunden“. Im November 2017 wurde bekannt, dass er sich an einem geheimen Ort in Dunkelhaft befindet. Im Mai 2020 nahm sich die ältere Schwester Zhishengs aufgrund der beständigen Repressionen durch die chinesischen Behörden das Leben. Am 21. November 2020 forderte die EU China dazu auf, mehrere Anwälte und Aktivisten freizulassen, darunter auch Gao Zhisheng.

Zur Person
Der christliche Menschenrechtsverteidiger Gao Zhisheng wurde am 20. April 1964 in der mittig in der Volksrepublik China gelegenen Provinz Shaanxi geboren. 1994 erhielt er die Zulassung als Rechtsanwalt. Ab 2000 leitete er die Rechtsanwaltskanzlei „Shengzhi“ in Peking. Gao Zhisheng ist verheiratet und hat zwei Kinder – eine Tochter (geb. 1993) und einen Sohn (geb. 2003).
Er und seine Kollegen setzten sich unter anderem für religiös Verfolgte, Opfer entschädigungsloser Enteignungen und für Opfer der zum Teil brutal durchgesetzten Ein-Kind-Politik ein. Zu den Mandanten Gaos, die er vor Gericht vertreten hat, gehörte unter anderem Pastor Cai Zhuohua, der wegen angeblich „illegaler Geschäftspraktiken“, darunter des Drucks und Verkaufs von Bibeln, eine dreijährige Haftstrafe verbüßt hat. Seit Dezember 2004 vertrat die Kanzlei auch Angehörige der in der Volksrepublik besonders brutal verfolgten Meditationsschule Falun Gong.

Offener Brief an Chinas Staatschef
Gao veröffentlichte offene Briefe an Chinas Staatschef Hu Jintao und den Ministerpräsidenten Wen Jiabao, in denen er Religionsfreiheit sowie die sofortige Beendigung der Verfolgung der Meditationsbewegung Falun Gong forderte. In einem dritten Brief an die Führer Chinas berichtete er zudem detailliert über die Folterung von Falun Gong-Anhängern, unrechtmäßige Haft, chinesische Arbeitslager und Gefängnisse. Aus Sicht der IGFM hat in Folge dessen das Pekinger Justizministerium Gao Zhishengs Kanzlei „Shenzhi“ im November 2005 für ein Jahr schließen lassen. Im Dezember 2005 wurde ihm seine Anwaltslizenz entzogen.
Nachdem er nicht mehr als Rechtsanwalt tätig sein durfte, veröffentlichte Gao Zhisheng einen investigativen Bericht über die Verfolgung der Wortführer von Hauskirchen in der autonomen Uigurischen Provinz Xinjiang im Nordwesten Chinas. Außerdem hatte er öffentlich seinen Austritt aus der Kommunistischen Partei Chinas erklärt.

Einschüchterungsversuche gegen ihn und seine Familie
Seit dem 20. Oktober 2005, zwei Tage nachdem Gao Zhisheng seinen ersten Offenen Brief veröffentlicht hatte, standen Gao, seine Kanzlei und seine Familienangehörigen rund um die Uhr unter (offensichtlicher) Observation. Nach Aussagen von Gao Zhisheng sagten ihm Polizeibeamte, er sei „zu weit gegangen“. Wer den Anwalt besuchen wollte, musste mit einer Festnahme rechnen. Seine Mitarbeiter wurden verhaftet oder unter Hausarrest gestellt. Wenn Gao mit dem Auto unterwegs war, folgten ihm meist mehrere Fahrzeuge, einige ohne Nummernschild.
Am 13. Januar 2006 wurde Gao von der Polizei in Peking vorübergehend inhaftiert. Als er, seinen Angaben zufolge, bemerkt hatte, dass er von Polizisten gefilmt wurde, nahm er sie seinerseits mit seiner Filmkamera auf – und wurde daraufhin in Haft genommen. Die Polizeibeamten drohten ihm bei der Festnahme, ihn jederzeit umbringen zu können. Am 17. Januar 2006 entkam Gao Zhisheng nur knapp einem Mordversuch, als ihn ein Auto ohne Nummernschild überfahren wollte. Nach Gaos Aussagen steckten chinesische Behörden hinter diesem Zwischenfall.
Noch Wochen nach Gaos Inhaftierung standen seine Ehefrau und ihre beiden Kinder in Peking weiterhin unter Hausarrest. Ihnen war es untersagt, andere Personen zu kontaktieren oder Besuche zu empfangen. Auch andere Anwälte und Menschrechtsaktivisten aus Peking, die mit Gao Zhisheng zu tun hatten, bekamen Probleme.

Gao mit seiner Frau Geng He und den zwei gemeinsamen Kindern Gege und Tiany vor ihrer Flucht in die USA im Jahr 2009.

Willkürliche Inhaftierungen und „Verschwinden“
Am 15. August 2006 wurde Gao Zhisheng während eines Besuchs bei seiner Schwester erneut verhaftet. Die Beamten legten weder einen Haftbefehl vor, noch machten sie Angaben zum Grund der Verhaftung, zu ihrer Dienststelle oder zu dem Ort, an den sie ihn bringen wollten.
Am 18. August 2006 bestätigte die Pekinger Behörde für Öffentliche Sicherheit über die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua, dass Gao Zhisheng wegen des Verdachts der Beteiligung an nicht näher genannten „kriminellen Aktivitäten“ festgenommen worden sei. Über den Haftort Gaos gaben die chinesischen Sicherheitsbehörden keine Auskünfte. Telefonanrufe oder Besuche wurden verweigert.
Am 22. Dezember 2006 wurde Gao wegen Untergrabung der Staatsgewalt zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Das Urteil wurde jedoch kurz nach seiner Verkündung offiziell wieder revidiert und in eine Bewährungsstrafe umgewandelt.
Der Menschenrechtsanhalt wurde am 4. Februar 2009 erneut verhaftet und galt für mehr als ein Jahr als „verschwunden“. Sowohl seine Angehörigen, als auch die Öffentlichkeit rechneten damit, dass Gao etwas Schlimmes wiederfahren sein musste, da er zuvor in der Haft vielfach und lange gefoltert wurde. Die Weigerung der Behörden, Informationen zum Gesundheitszustand und Haftort Gaos zu geben, verstärkte diese Sorgen deutlich.

Sprecher des Außenministeriums: Gao Zhisheng „ist dort, wo er sein soll“
Am 21. Januar 2010 äußerte sich die Regierung in Peking erstmalig zum Aufenthaltsort Gao Zhishengs seit seinem letzten „Verschwinden“. Auf einer regulären Pressekonferenz entgegnete der Pressesprecher des chinesischen Außenministeriums Ma Zhaoxu auf die Frage nach Gaos Schicksal mit der lapidaren Feststellung: „Die zuständigen Justizbehörden haben den Fall entschieden und wir können sagen, dass diese Person nach chinesischem Recht dort ist, wo sie sein soll.“ Der Pressesprecher verweigerte weitere Informationen zu Gaos Aufenthaltsort, seinem Gesundheitszustand oder der rechtlichen Grundlage für seine Gefangenschaft und verwies die Journalisten auf die zuständige Justizbehörde. Der Pekinger Volksgerichtshof ließ jedoch sämtliche Anfragen unbeantwortet.

Erstes Lebenszeichen
Am 28. März 2010 konnte Gao schließlich ein Lebenszeichen von sich geben. Er teilte der Nachrichtenagentur AP in einem Telefongespräch mit, dass er „zurzeit frei“ sei und in der Nähe des Wutai-Berges im Norden der Provinz Shaanxi lebe. Ein Freund des Anwalts bezweifelte den Wahrheitsgehalt dieser Aussage. „Ich möchte für eine Weile ein ruhiges Leben führen“, sagte Gao. Eine Zusammenkunft mit seiner mittlerweile in die USA geflohenen Familie sei „nicht so einfach“. Weitere Auskünfte könne er zu diesem Zeitpunkt noch nicht geben.
Des Weiteren erklärte Gao sichtlich betroffen in einem persönlichen Interview am 7. April 2010, dass er seine Arbeit als Menschenrechtsanwalt von nun an aufgeben werde. Er habe nicht die Kraft, weiter durchzuhalten und sehne sich nach Ruhe und Frieden mit seiner Familie. Zugleich bat er jene um Verständnis, die ihn in der Vergangenheit unterstützt haben. Über die Ereignisse seit seinem Verschwinden im Februar 2009 wollte er erneut nicht sprechen, auch nicht darüber, ob er von den Behörden misshandelt worden sei. Im Vergleich zu früher wirkte er aber dünner und zurückhaltender. Das vergangene Jahr habe Spuren bei ihm, seiner Frau und den beiden Kindern hinterlassen, erklärte Gao.

Erneutes „Verschwinden“ Gaos
Nach einem kurzen Besuch bei seinem Schwiegervater in Urumqi wurde Gao am 21. April 2010 von vier Polizeibeamten an einen unbekannten Ort gefahren. Gao war somit erneut „verschwunden“ und galt bis zum 16. Dezember 2011 sowohl für die Weltöffentlichkeit, als auch für seine engsten Angehörigen als vermisst. Am 16. Dezember 2011, 6 Tage vor Auslauf seiner Bewährungsstrafe, meldete die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua, dass Gao Zhisheng angeblich mehrmals gegen Bewährungsauflagen verstoßen habe. Als Folge dessen wurde er vom Mittleren Volksgericht in Peking zu einer Haftstrafe von drei Jahren verurteilt.

Nach Informationen aus dem Kreis seiner Familie wurde Gao in dem Shaya Gefängnis in der autonomen Provinz Xinjiang festgehalten. Ein Versuch von Angehörigen Gao im Gefängnis zu besuchen, scheiterte jedoch Anfang Januar 2012. Die Gefängnisleitung verweigerte den angereisten Familienmitgliedern Gao persönlich zu sehen, da sich dieser angeblich einem dreimonatigen Umerziehungs-Prozess unterziehen müsse.

Schwere Folter
Anfang Januar 2011 publizierte AP einen bis dato unveröffentlichten Auszug aus einem Interview, dass die Nachrichtenagentur im April 2010 mit dem Anwalt persönlich geführt hatte. In diesem Interview berichtet Gao von der schweren Folter, die er während seiner letzten Entführung 2009 durch die Behörden über sich ergehen lassen musste. Nachdem man ihm die Kleider entrissen hatte, schlugen drei Polizisten über zwei Tage hinweg fast unentwegt mit Pistolen auf ihn ein. Die Polizisten verschnürten seine Gliedmaßen mit Plastiktüten und warfen ihn immer dann auf den Boden, wenn sie eine kurze Pause machen wollten. Weitere Details wollte, beziehungsweise konnte, der spürbar von Qualen gezeichnete Menschenrechtsanwalt nicht preisgeben. Er sah sein Leben bereits auf Messers Schneide. Gao hatte AP explizit darum gebeten den Auszug erst zu veröffentlichen, wenn er wieder „verschwinden“ oder, alternativ dazu, an einen sicheren Ort gelangen würde.

Entführung an einen unbekannten Ort und Dunkelhaft
Am 7. August 2014 wurde Gao Zhisheng aus der Haft entlassen. Er stand jedoch unter strengem Hausarrest, in dem ihm selbst dringende medizinische Hilfe verweigert wurde. Gao erlitt durch Folter und unmenschliche Haftbedingungen ernste gesundheitliche Probleme. Zudem verlor er einen großen Teil seiner Zähne.
Seit dem 13. August 2017 ist er erneut in Haft „verschwunden“. Im November wurde bekannt, dass er an einem geheimen Ort isoliert und man ihn in Dunkelhaft festhält.

Weitere Infos zur Menschenrechtslage in China
Mehr Infos zu „Umerziehung“ durch Arbeit und dem Lagersystem Chinas

Helfen Sie Gao!

Bitte wenden Sie sich an den chinesischen Präsidenten Xi Jinping, den Justizminister Tang Yijun und an die Botschaften Chinas. Fordern Sie die sofortige und bedingungslose Freilassung der politischen Gefangenen:

Präsident Xi Jinping
Xi Jinping Zhongnanhai Xichangan’jie Xichengqu,
Beijing Shi 100017
People’s Republic of China
Email: english@mail.gov.cn

Justizministerium
Mr. Tang Yijun
Minister of Justice Ministry of Justice No.10 Nandajie,
Chaoyangmen, Chaoyang District
Beijing 100020
People’s Republic of China

Chinesische Botschaft in Deutschland
Botschaft der Volksrepublik China
Märkisches Ufer 54, 10179 Berlin
Tel: 030-27588 0, Fax: 030-27588 221
Web: http://de.china-embassy.org/det/

Wie schreibe ich einen Appell?

Sehr geehrter Herr …,

ich schreibe Ihnen, um Sie auf die aktuelle Situation des Inhaftierten Gao Zhisheng aufmerksam zu machen.

Der chinesische Menschenrechtsanwalt Gao Zhisheng „verschwand“ nach jahrelanger Verfolgung und mehreren Verhaftungen am 13. August 2017 erneut. Im folgenden November wurde bekannt, dass er an einem unbekannten Ort in Dunkelhaft festgehalten wird.

Es gibt keine Anklage und ein Prozess fand nicht statt. Damit ist Herr Zhisheng unschuldig und vollkommen willkürlich inhaftiert. Sein Gesundheitszustand ist kritisch, weswegen eine Corona-Infektion fatale Folgen hätte.

Gao Zhisheng wird sein Recht auf anwaltlichen Beistand und Besuche im Gefängnis vorenthalten. Somit werden sowohl chinesisches Recht, als auch internationale Menschenrechtsverträge, die China ratifiziert hat, massiv missachtet.

Ich appelliere an Sie, sich für die sofortige und bedingungslose Freilassung von Gao Zhisheng einzusetzen.

Ich bitte Sie herzlich, mich darüber zu informieren, welche Schritte Sie zur Freilassung von Gao Zhisheng einleiten werden.

Hochachtungsvoll,

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