Maids sind ein Statussymbol

von Björn Zimprich, Beirut, Mai 2011
Björn Zimprich lebt in Beirut und arbeitet als Fachkraft für das Forum Ziviler Friedensdienst (forumZFD).

In über hunderttausend Haushalten des Libanons schuften asiatische und afrikanische Haushälterinnen für 100 bis 200$ Dollar im Monat. Ihre rechtliche Lage ist prekär, Misshandlungen sind keine Seltenheit. Die Caritas kümmert sich um die schwersten Fälle. Ein Besuch in einem Schutzcenter in Beirut.

„In der Familie zu der ich kam, gab es immer Probleme. Der Mister hat mich ständig angeschrien. Ich musste immer mitten in der Nacht aus dem Haus. Zigaretten kaufen gehen. Wenn seine Zigaretten zu Ende waren, hat er mich sofort beschimpft. „Du Schlampe“ hat er mich immer genannt. Den ganzen Tag.“ Maria guckt starr auf den Boden, während sie erzählt. „Manchmal habe ich mit Ihnen gegessen, häufig aber auch gar nichts bekommen.“

Irgendwann hielt es Maria nicht mehr aus. Sie wollte weg, aber durfte nicht. „Er hat gesagt, ich müsste erst 2.000$ bezahlen, wenn ich weg wollte. Dann hat er mich plötzlich doch rausgeworfen: „Dies ist kein Hotel, verschwinde!“ hat er geschrien. „Meine Sachen durfte ich nicht mitnehmen. Auch mein Pass liegt noch dort.“ Maria hört auf zu erzählen. Sie sitzt schweigend an einem kleinen Küchentisch. Die Dachgeschosswohnung in der sie nun lebt ist mit einer schweren Eisentür gesichert. Dies ist ihr Zufluchtsort, ein Schutzzentrum der Caritas Libanon. Ihre Unterkunft für die nächste Zeit.

Maria ist nicht ihr richtiger Name. Auch ein Foto von Ihr darf nicht gezeigt werden. Der deutsche Besucher musste vor dem Treffen schriftlich versichern die Identität der Frauen zu schützen. Maria ist nicht allein. Auch die anderen Frauen aus den Philippinen, Äthiopien und Sri Lanka, die sich mit ihr die Wohnung teilen, befinden sich in laufenden Gerichtsverfahren. Sie kamen als Hausmädchen in Familien im Libanon. Doch nun suchen sie Schutz von Ihren ehemaligen Arbeitgebern. Sie wurden misshandelt, geschlagen oder Ihnen wurde Ihr Gehalt verwehrt.

Ihr Zufluchtsort liegt in Daura, in einem Vorort der libanesischen Hauptstadt Beirut. Daura ist Busbahnhof, Kreisverkehr und Verkehrsknotenpunkt in einem. Sonderlich reich ist die Gegend nicht. Auf der Straße sind viele Migranten aus Asien und Afrika zu sehen. In den Seitengassen rund um den großen Kreisverkehr haben sich viele Läden eingerichtet. Läden, die den Bedarf der diversen Migrantengruppen erfüllen. Palmöl für die Afrikaner. Scharfe Gewürze für die Südasiaten.

Nicht alle Migranten, die in der Gegend leben, arbeiten als Putzfrauen oder Haushälterinnen. Es gibt auch syrische Bauarbeiter und sudanesische Müllmänner. Die meisten Frauen aus Asien und Afrika arbeiten jedoch in libanesischen Haushalten. Die weltweite Migration zeigt hier ihr weibliches Gesicht.

Das Wort „Sri Lankerin“ bedeutet im libanesischen Sprachgebrauch „Haushälterin“
Über 120.000 ausländische Frauen arbeiten laut offizieller Statistik im Libanon als Haushaltshilfen. All die Illegalen nicht eingerechnet. In einem Land mit gerade einmal 4 Millionen Einwohnern ist das eine beachtliche Zahl. Ursprünglich schrubbten und kochten Libanesinnen aus den Bergen in den Haushalten der Oberschicht in Beirut. Später kamen dann auch Haushälterinnen aus anderen Teilen der arabischen Welt. Diese Gruppen wurden den Libanesen aber irgendwann zu teuer, sodass seit den 70er Jahren Hausmädchen aus Fernost in den Libanon kamen.

Ein eigenes Hausmädchen zu haben, ist längst nicht mehr auf die Oberschicht begrenzt.  Auch die meisten Mittelschichthaushalte beherbergen die „Maids“ genannten Hausmädchen. Während in Deutschland es den meisten peinlich ist, eine Putzfrau zu beschäftigen, ist die Situation im Libanon umgekehrt. Maids sind ein Statussymbol. In der Architektur ist die Maid-Wohnung, sprich eine kleine Schlafkammer neben der Küche, schon fester Bestandteil der Raumaufteilung.

Von erster Stunde an waren Frauen aus Sri Lanka dabei. Mittlerweile ist das Wort „Sri Lankerin“ längst als festes Wort im libanesischen Sprachgebrauch angekommen. Es bedeutet einfach „Hausmädchen“. Auch Kumari stammt aus Sri Lanka. Sie hat ihren Ehemann und ihre beiden Söhne zurückgelassen, um im Libanon zu arbeiten.

„Haushälterin war die einzige Möglichkeit für mich, Arbeit zu finden. Ich bin zu dieser Agentur gegangen, habe meinen Pass abgegeben und sie gebeten, mir eine Arbeitsstelle zu vermitteln.“

Eine Äthiopierin bekommt 170$. Eine Frau aus Bangladesh 150$ im Monat.
„Die Gehälter der Maids variieren je nach Nationalität“ klärt Noha Roukoss auf, die Leiterin der Aufklärungskampagne bei der Caritas. „Eine Äthiopierin bekommt 170$. Eine Frau aus Bangladesh 150$ im Monat. Am besten werden die Philippinas bezahlt. Sie erhalten 200 – 250$ Gehalt im Monat.“

Die Agentur brachte Kumari in eine Familie im Libanon. Kumari aus Sri Lanka bekam 180$ im Monat ausgezahlt. „Die Arbeit war wirklich sehr hart“, erzählt Sie. „Ich musste um 5:30 aufstehen, um das Frühstück vorzubereiten, dann kam Aufräumen und der Hausputz. Mittagessen machen, Abwaschen. Die Kinder nach der Schule betreuen. Abendessen vorbereiten und der Familie bis in die Nacht die Getränke servieren. Nachts konnte ich erst ins Bett, wenn schon alle Anderen geschlafen haben. Ich war immer die Erste und die Letzte auf den Beinen.“

„Eigentlich ist dies schon illegal“ wirft Noha Roukoss ein. „Laut Gesetz dürfen die Frauen nicht mehr als 10 Stunden am Tag arbeiten. Außerdem muss Ihnen ein Tag in der Woche frei gegeben werden.“ klärt Roukoss auf. „In der Praxis finden jedoch beide Regelungen keine Anwendung. Die Frauen müssen fast immer durcharbeiten.“

Mit der Arbeit an sich wäre Kumari noch zurecht gekommen. Aber irgendwann wurde Sie krank.  „Ich hatte eine Kehlkopfentzündung, fühlte mich schwach. Ich konnte nicht mehr richtig arbeiten. Als ich nach Medizin für die Schmerzen gefragt habe, haben sie mich geschlagen. Die sagten ich würde den Vertrag brechen, aber ich war doch krank!“ Kumari macht immer noch ein ungläubiges Gesicht als sie ihre Geschichte erzählt. So ganz realisiert, wie sie hier plötzlich landen konnte, hat sie immer noch nicht.

„Ich will zurück nach Sri Lanka zu meinen Kindern!“. Kumari hat Glück im Unglück. Ihr Fall ist kurz vor der Abwicklung. „Ihre Papiere sind fast fertig.“ sagt Nirmala, Leiterin des Schutzcenters in Daura. „Wir warten jederzeit auf den Anruf, dass sie nach Haus kann.“ Ohne die Hilfe der Caritas wäre dies sicher nicht so leicht möglich gewesen.

Das Problem für die Frauen ist, dass sie illegal sind, sobald sie ihre Vertragsfamilie verlassen. Ihre Aufenthaltsgenehmigung ist an ihren Arbeitsvertrag gekoppelt. „Wenn eine Frau von ihrem Arbeitgeber wegläuft, hat sie keine Aufenthaltsgenehmigung mehr“, erzählt Roukoss. Zudem behalten die Arbeitgeber die Ausweispapiere der Frauen als Sicherheit ein. Einer Umfrage der Caritas aus dem Jahr 2005 zufolge verfahren 90% der libanesischen Familien mit Maids nach diesem Muster. So sind die Frauen ihren Arbeitgebern de facto ausgeliefert.

Diese unsichere Situation der Frauen macht sie besonders verwundbar für Menschenrechtsverletzung. 71% der Libanesen die Haushaltshilfen einstellen, sind der Meinung sie dürften die Bewegungsfreiheit der Frauen eingrenzen. 73% gaben 2005 an, den Kontakt der Frauen zu ihren Familien zu regulieren und zu begrenzen.

Zwar geben nur 2% der Befragten an, dass sie das Recht haben ihre Maid körperlich zu bestrafen. In der gleichen Umfrage geben jedoch 31% an, dass sie ihre Haushälterin dennoch schlagen, wenn diese ihren Anweisungen nicht folgt.

Diese Zahlen verdeutlichen den Handlungsbedarf, den die Caritas sieht. Seit Mitte der 90er Jahre setzt sich die Hilfsorganisation für die Rechte von Migranten im Libanon ein. „Es fing zuerst mit den Flüchtlingen aus dem Südsudan an. In den folgenden Jahren haben wir dann unsere Arbeit auch auf die Haushälterinnen ausgeweitet“, beschreibt Roukoss die ersten Schritte ihrer Organisation.

Nivien Aoun arbeitet als Sozialarbeiterin für die Caritas in deren Hauptquartier im Beiruter Vorort Sin el Fin. In ihrer Arbeit hat sie mit vielen Nationalitäten zu tun und organisiert die Versorgung der Hilfesuchenden. „Wir geben den Frauen eine Bleibe und leisten anwaltschaftliche Unterstützung. Wir begleiten sie vor Gericht und zu den Ämtern bis ihr Fall bearbeitet ist“, beschreibt Sie die wichtigsten Aufgaben der Caritas. Die Organisation nimmt dabei eine Lobby- und  Vermittlungsfunktion zwischen den Haushälterinnen, den libanesischen Arbeitgebern und den libanesischen Behörden ein.

„Wenn die Frauen im Recht sind, schaffen wir es meistens, Ihnen ihren ausstehenden Lohn zukommen zu lassen“, zieht Nivien ihr Fazit. Die ausstehenden Gehälter werden den Frauen durch die Caritas auch in ihre Heimatländer nachgesandt.

Zusätzlich macht die Caritas die Haushälterinnen über Informationskampagnen auf ihre Rechte im Libanon aufmerksam. Es gibt Broschüren in Singhalesisch und Tamil für die Frauen aus Sri Lanka, Amharisch für die Äthiopierinnen, Tagalog für die Philippinen sowie einer Reihe weiterer Sprachen.

Der Strom der Arbeitssuchenden reißt nicht ab
Denn trotz der vielen schlechten Erfahrungen, die unzählige Haushälterinnen in der Ferne machen, reißt der Strom der Arbeitssuchenden nicht ab. Nach einer Reihe von Selbstmorden von philippinischen Haushälterinnen im Libanon, hat das Land einen Ausreisebann verhängt. Sri Lanka, Äthiopien und andere Staaten folgten dem Beispiel. Gebracht hat es nichts. Die Frauen werden über Drittstaaten geschleust. Maria aus den Philippinen kam zum Beispiel über Singapur in den Libanon. „Der Bann hat sich als wirkungslos erwiesen. Er macht die Situation der Frauen nur komplizierter“, bedauert Nirmala, die Leiterin des Caritas Schutzcenter in Daura.

Die Botschaft der Philippinen ist gerade in Verhandlungen mit dem Arbeitsministerium. Die versuchen gesetzlich im Libanon zu regeln, das philippinische Hausangestellte einen Mindestlohn von 400$ im Monat erhalten. Ob dies dazu führen wird, die Situation der Maids zu verbessern, ist offen. Wahrscheinlicher ist, dass die philippinischen Maids dann durch Frauen aus Afrika ersetzt werden. In den letzten Jahren kommen insbesondere vermehrt Frauen aus Madagaskar und Kenia, berichtet Nirmala.

Meskerem kommt aus Äthiopien. Sie sitzt neben Nirmala an einem kleinen Küchentisch und berichtet davon, dass ihr viele Frauen abgeraten hatten, in den Nahen Osten zu gehen. „Sie sagten, sie hätten Probleme gehabt und Ihnen sei es sehr schlecht gegangen“. Geglaubt hat Meskerem ihnen nicht. „Ich hab doch gesehen, dass sie Geld hatten. Ich dachte die lügen mich an. Ich dachte, Sie wollen nicht, dass ich auch weggehe und Geld verdiene“. Jetzt sitzt Meskerem im Schutzcenter der Caritas und weiß, dass die anderen Frauen nicht gelogen hatten. Sie ist von ihrer Familie weggerannt, da sie kein Essen und kein Gehalt erhalten hat.

„Wenn ich jetzt zurück nach Äthiopien gehe und sage, dass man nicht weggehen sollte, dann werden mir die jungen Frauen auch nicht glauben“, gibt sich Meskerem pessimistisch.

Da sich am Grundmuster der Arbeitsmigration in den nächsten Jahren nichts ändern wird, haben die Caritas und andere Hilfsorganisationen ihre Strategie zunehmend diversifiziert. Neben Maßnahmen in den Heimatländern der Maids, rücken auch immer mehr die Arbeitgeber und Agenten in den Fokus. So wurde kürzlich ein Grundsatzdokument mit einer Vereinigung von Vermittlern von Maids im Libanon unterzeichnet. Diese verpflichten sich in Zukunft ihre Kunden, also die Familie, die die Maids anstellen, stärker über die Rechte der Angestellten zu informieren. Entsprechende Informationsmaterialien sind in Arbeit. Langfristig sollen landesweite Informationskampagnen im Libanon zu einem Bewusstseinswandel führen. Haushaltshilfen sollen als normale Arbeitskräfte wahrgenommen werden, nicht als Sklaven. „Wir erhalten viele Anfragen – auch von Schulen. Man merkt, dass sich was tut“, zeigt sich Roukoss optimistisch. „Aber es ist noch ein langer Weg“.

Bis dahin wird auch Nirmala, die Leiterin des Caritas Schutzzentrums in Daura, viel Arbeit haben. Auch sie kam vor Jahren als Maid aus Sri Lanka in den Libanon. Seit 2006 arbeitet sie nun hauptamtlich für die Caritas. Unzählige Frauen hat sie schon betreut. Sie aus schweren Situationen herausgeholt. Da sie ihr Schicksal teilt, kann sie den anderen Frauen besonders einfühlsam helfen. Aber leider haben sich für Nirmala ihre Arbeitszeiten nicht geändert. „Ich bin ein Workaholic“, sagt Nirmala und lacht laut. „Ich arbeite sieben Tage die Woche für die Frauen im Center. Den ganzen Tag. Wenn ich einen Tag hier im Center frei habe, dann mache ich die Gefängnisarbeit. Das ist mir wichtig“.

Ihre neue Aufgabe ist sicher nicht weniger anstrengend als die der Maids im Libanon. Aber dafür sicher erfüllender als Tellerwaschen und Putzen. „Ich brauche diesen Frieden in meinem Kopf. Zusehen, dass die Frauen essen, hier sicher sind – das macht mich glücklich.“ Maria, Meskerem und Kumari danken es ihr schon jetzt. Viele weitere Frauen in Zukunft wohl auch.

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