Protest vor chinesischer Botschaft

Protestkundgebung vor der Botschaft Chinas in Berlin

Protest gegen die Gewaltherrschaft der Kommunistischen Partei Chinas von einem Bündnis von Menschenrechtsgruppen. IGFM-Vorstandsmitglied Michael Leh (ganz rechts) spricht vor der chinesischen Botschaft.    Bild: Tibetinitiative

„100 Jahre KPCh – Kein Grund zu feiern!“

Gedenken an Millionen Todesopfer der KPCh in Berlin

Berlin, 5. Juli 2021 – Unter dem Motto „100 Jahre Kommunistische Partei Chinas – Kein Grund zum Feiern“ versammelte sich am 1. Juli  2021 ein breites Bündnis von Menschenrechtsgruppen vor der Botschaft Chinas in Berlin. Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) war einer der Mitveranstalter.

Amy Siu vom „Verein der Hongkonger in Deutschland e.V.“ erklärte: „Heute wird in China der 100. Gründungstag der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) begangen. Für uns Hongkonger gibt es aber absolut keinen Grund zum Feiern. Denn heute ist der erste Jahrestag des ‚nationalen Sicherheitsgesetzes’ für Hongkong. Seit dieses in Kraft getreten ist, wurden Parlamentsmitglieder ihrer Ämter enthoben, gab es Massenverhaftungen pro-demokratischer Politiker und Aktivisten. Im Juni musste die pro-demokatische Zeitung ‚Apple Daily’ schließen.“ Die KPCh habe Hongkong in ein paar Jahren aus einem internationalen Finanzzentrum in einen Polizeistaat verwandelt.

Die Hongkongerin Amy Siu (links) und die Tibeterin Tenzyn Zöchbauer (rechts) vor der Botschaft. Bild: Michael Leh

                                                               Ein Trauertag für die Menschenrechte

Haiyuer Kuerban, der Leiter des Berliner Büros des Weltkongresses der Uiguren bei seiner Ansprache. Bild: Michael Leh

Haiyuer Kuerban, der Leiter des Berliner Büros des Weltkongresses der Uiguren erklärte: „Am 1. Juli zelebriert die KPCh ihren 100. Geburtstag. Der Tag markiert 100 Jahre  Ausbeutung und brutalste Unterdrückung der Bevölkerung in China und in den autonomen Gebieten. Die KPCh ist verantwortlich für die Vertreibung und den Tod von Millionen unschuldigen Menschen.“ Am deutlichsten werde die brutale Unterdrückungspolitik in Xinjiang, wo die KPCh einen Genozid an den Uiguren und anderen türkeistämmigen Völkern begehe. „Am 1. Juli gedenken wir allen, die der grausamen Unterdrückungspolitik der KPCh zum Opfer gefallen sind. Es gibt keinen Grund zu feiern. Es ist ein Trauertag für Menschenrechte, Freiheit und Demokratie.”

Der Uigure Enver Can von der „llham Tohti Initiative“ erklärte: „Eine Partei wie die KPCh darf nicht für irgendetwas geehrt werden. Sie stellt eine potenzielle Gefahr für gesamte Menschheit dar.“ Stefan Siebenrock von der „Gesellschaft für bedrohte Völker“ verurteilte das Vorgehen Chinas gegen die Uiguren als Genozid. „Dieser Genozid muss von mehr Staaten als bisher als solcher anerkannt werden und das wiederum muss Konsequenzen haben“, forderte Siebenrock.

Kulturen werden ausgelöscht

Tenzyn Zöchbauer, die Geschäftsführerin der „Tibet Initiative Deutschland e.V.“ sagte: „Die KPCh unterdrückt seit 100 Jahren das eigene Volk, löscht Kulturen aus und beutet ganze Regionen aus. Es gibt 2021 keinen Grund, die KPCh zu feiern.“ David Missal von der Tibetiniative wies darauf hin, dass die KPCh gar nicht am 1.Juli 1921 gegründet wurde, sondern wohl erst am 23. Juli desselben Jahres und Mao tse-tung diesen Termin einfach willkürlich nachträglich so festgelegt habe.

Der stellvertretende Bundesvorsitzende der vietnamesischen Flüchtlinge in Deutschland e.V., Ton-vinh Trinh-do, verurteilte das aggressive Vorgehen Pekings im südchinesischen Meer. In seinem Verband sind viele ehemalige „Boat People“, die vor den Kommunisten in Vietnam geflohen waren, und deren Nachkommen. Ton-vinh Trinh-do erklärte sich solidarisch mit allen in China unterdrückten und verfolgten Menschen und fordert deren Freiheit.

45 Millionen Todesopfer bei Maos „Großem Sprung nach vorn“

IGFM-Vorstandsmitglied Michael Leh erklärte: „Die Machtübernahme der Kommunisten 1949 in Peking war keine Befreiung, sondern bedeutete systematische Gewalt und Terror und hatte den Tod von Dutzenden von Millionen Chinesinnen und Chinesen zur Folge.“ Leh kritisierte, dass auch in Deutschland eine genauere Zahl der Todesopfer von Maos sogenanntem „Großen Sprung nach vorn“ zu wenig bekannt sei. Dabei habe der niederländische Professor Frank Dikötter längst hervorragende Forschungsergebnisse vorgelegt. In dessen Buch „Maos Großer Hunger – Massenmord und Menschenexperiment in China (1958-1962) schreibe Dikötter: „Es kann bei konservativer Schätzung davon ausgegangen werden, dass der großen chinesischen Hungersnot zwischen 1958 und 1982 mindestens 45 Millionen Menschen zum Opfer gefallen sind.“

Die KP China hat 95 Millionen Mitglieder

Leh hob hervor, dass dies eine von Mao und seinen Kommunisten künstlich verursachte Hungersnot war und sie von zahllosen Gewalttaten und Grausamkeiten gegen die chinesische Bevölkerung begleitet wurde.

Michael Leh (ganz rechts) spricht vor der chinesischen Botschaft. Bild: Tibetinitiative

„Die Gewalt, die Laogai-Lager, die Orte des Grauens einschließlich des Kannibalismus der verzweifelten Menschen werden in Dikötters Buch genau geschildert und belegt“ – Michael Leh, Internationale Gesellschaft für Menschenrechte

Aktuellen Angaben zufolge habe die KPCh 95 Millionen Mitglieder. Viele davon seien Karrieristen, und weitere 20 Millionen warteten auf die Aufnahme in die Partei, wie die China-Korrespondentin der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, Friederike Böge, berichtet habe. Diese habe auch über das neue „Museum der kommunistischen Partei“ in zentraler Lage in Peking mit einer 150 000 qm/2 großen Ausstellungshalle berichtet. Die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua habe von einer „heiligen Tempelanlage“ geschrieben.

Zur derzeitigen Lage der KPCh verwies Michael Leh auf Aussagen des Sinologen Professor Klaus Mühlhahn von der Zeppelin-Universität Friedrichshafen. In einem Interview mit dem Informationsdienst „China Table“ habe Mühlhahn erklärt, die größte Sorge der KPCh sei der Machtverlust: „Die KP ist eine Organisation in Angst, und das macht sie so unberechenbar.“ „Wir werden ein China sehen, das zunehmend erratisch wird“, so Mühlhahn.

„KPCh ist ein politischer Zombie in der Hand eines Mafiabosses“

Jede differenzierte Darstellung der jüngeren chinesischen Geschichte sei verboten. „Gleich zu Beginn seiner Amtszeit verkündete Xi die Sieben-Nein“, zitierte Leh den Sinologen Mühlhahn weiter, „worüber nicht berichten werden darf: die historischen Fehler der Partei, Konstitutionalismus, Wertepluralismus und so weiter. Es findet ein Weißwaschen der Parteigeschichte statt“. Der von der Führung propagierte Konfuzianismus solle der klaren Abgrenzung vom Westen dienen. Um das Jahr 2010 hätte die KP das Gefühl gehabt, dass ihr die „Gesellschaft entgleitet, dass sie die Kontrolle verliert“. Xi Jinping habe eine „gigantische Säuberung“ ins Werk gesetzt. „80 Prozent der Generäle wurden ausgetauscht“, hatte  Mühlhahn erklärt. Der Sinologe habe auch auf die frühere Jura-Dozentin Cai Xia der zentralen chineschen Parteihochschule hingewiesen, die 2020 in die USA reiste und nicht mehr nach China zurückkehrte. Cai Xia habe erklärt, die KPCh sei zu einem „politischen Zombie in den Händen eines Mafia-Bosses“ verkommen. An die Adresse westlicher Staaten und damit auch Deutschlands habe Mühlhahn erklärt: „Wenn wir gebückt nach Peking gehen, werden wir dort nicht ernst genommen.“

Neues Lehrbuch über Geschichte der KP verschweigt noch mehr

Leh wies auch darauf hin, dass in einem neuen verordneten chinesischen Lehrbuch über die Geschichte der KP noch mehr verschwiegen wird als früher. Leh zitierte dazu den Sinologen Felix Wemheuer: „Im Vergleich mit früheren Lehrbüchern fällt auf, dass in dem neuen Teile über die Kulurrevolution und den ,Großen Sprung nach vorn´ wesentlich kürzer gehalten sind als früher und es sind ihnen auch keine eigenen Kapitel mehr gewidmet. Nach der offiziellen Interpretation waren das ja die beiden großen Fehler Maos und der Partei. Beim ,Großen Sprung nach vorn´ wird jetzt in diesem neuen Lehrbuch nur von ,wirtschaftlichen Schwierigkeiten´ gesprochen, während in dem Lehrbuch zum 90. Jahrestag der Parteigründung noch die Wörter ,Hungersnot´ und ,Hungertote´benutzt wurden. Das heißt, die Präsentation dieser Rückschläge und Fehlentwicklungen ist nochmal deutlch zurückgefahren worden.“

Leh kritisierte die zunehmende Arroganz chinesischer Außenpolitik und rief auch zu stärkerer Unterstützung für das von Festlandchina militärisch bedrohte freie und demokratische Taiwan auf. „Wir haben es mit einem gefährlichen Gegner zu tun, der mit wirtschaftlichem Einfluss und mit Druck und Erpressung auch in Deutschland immer dreister auftritt“, erklärte Leh. Und: „Es ist nicht so, dass unsere freiheitlichen Demokratien  automatisch gewinnen. Nein, wir sind gefährdet und der Westen muss zusammenhalten, um dieser Herausforderung erfolgreich begegnen zu können.“

Die Teilnehmer der Kundgebung vor der China-Botschaft in Berlin legten zum Gedenken an die Millionen Todesopfer der KP-Herrschaft weiße Blumen vor dem Botschaftsgebäude nieder.

Weitere Eindrücke von der Protestaktion der Menschenrechtsgruppen

Teilen Sie diesen Beitrag!

Nach oben