Rohingya in Myanmar: Opfer von Gewalt und ethnischen Säuberungen

Die Rohingya sind eine sunnitisch-muslimische Ethnie, deren größter Teil in Myanmar – auch Burma genannt – lebt, vor allem im Bundesstaat Rakhine an der Westküste. Da die dortige Regierung sie nicht als Staatsbürger anerkennt und unterdrückt, lebt etwa die Hälfte von ihnen als Flüchtlinge in Bangladesch und anderen Ländern Asiens.

Die Rohingya haben ihre eigene Sprache und Kultur, jedoch ist ihre Herkunft umstritten. Es gibt verschiedene Theorien über ihre Herkunft, denen zufolge ihre Ankunft in der Region zwischen dem 8. und dem 15. Jahrhundert erfolgte. Das burmesische Staatsbürgerschaftsgesetz von 1982 verweigert den Rohingya jedoch effektiv die Staatsbürgerschaft; die Rohingya gehören nicht zu den dort offiziell anerkannten einheimischen ethnischen Gruppen. Regierung und Rohingya-feindliche Gruppen beharren darauf, die Rohingya seien erst im 20. Jahrhundert illegal aus Bengalen (eine historische Region, die sich auf Bangladesch und die indischen Bundesstaaten Westbengalen, Bihar, Jharkhand, Tripura und Orissa erstreckte) eingewandert und daher „illegale Einwanderer“ oder deren Nachfahren.

Mit der Entlassung Myanmars aus britischer Kolonialherrschaft im Jahr 1948 erhielten die Rohingya einen Status als Minderheit, der allerdings von der derzeitigen Regierung nicht anerkannt wird. Der Grund für die heutige Diskriminierung und den Hass, unter dem die Rohingya zu leiden haben, ist unklar – Erklärungsversuche reichen von ethnischen und religiösen Feindseligkeiten bis zu burmesischem Nationalismus.

Derzeitiger Status

Der UNO-Sonderberichterstatter zur Lage der Menschenrechte in Myanmar, Tomas Ojea Quintana, berichtet, er habe „während der gesamten Dauer seiner Amtszeit seiner Besorgnis über die systematische Diskriminierung der Rohingya Ausdruck verliehen“. Er stellt fest, dass den Rohingya Staatsbürgerschaft und rechtlicher Status verweigert, ihre Bewegungsfreiheit und ihre Möglichkeit zu heiraten eingeschränkt werden, zudem sieht er „weitere diskriminierende Praktiken“. In seinen Berichten beschreibt er „ernstzunehmende Menschenrechtsverletzungen“ und „tiefsitzende Feindseligkeit und Misstrauen zwischen den Gemeinschaften im Staat Rakhine“.

Anderen Berichten zufolge werden Rohingya oftmals Opfer von Gewaltakten durch Angehörige der Regierung. So berichten Menschenrechtsorganisationen, Sicherheitskräfte hätten „die Minderheit der Rohingya zum Ziel von Tötungen, Massenverhaftungen und Plünderungen gemacht und damit eine massive Flüchtlingswelle ausgelöst“. Es liegen glaubwürdige Berichte von Menschenrechtsverletzungen an Rohingya vor, einschließlich körperlicher Misshandlung, Vergewaltigung, Zerstörung ihres Eigentums und ungesetzlicher Tötung. Berichten zufolge gehen sie sowohl von buddhistischen Rakhinen als auch von Sicherheitskräften aus.

Anti-muslimische Bewegung

Ein prominenter Mönch, U Wirathu, auch als „der buddhistische Bin Laden“ bekannt, ist Anführer der Bewegung „969“. Die drei Ziffern symbolisieren die Werte Buddhas, der buddhistischen Praktiken und der buddhistischen Gemeinschaft. Die Bewegung ist eine nationalistische, pro-buddhistische Gruppe, die maßgeblich für die anti-muslimische Bewegung verantwortlich ist und behauptet, die Muslime seien eine Bedrohung für Buddhisten. Obwohl er leugnet, zu Gewalt aufzurufen, ist sein Name in vielen Aufrufen zur Gewalt gegen Rohingya zu finden, die von der Organisation des Terrors „969“ verbreitet werden, und in seinen „friedlichen Ansprachen“ wird zur Bildung einer anti-muslimischen Bewegung ermutigt.

Die Rakhine Nationalities Development Party (RNDP) und der in der Region heimische buddhistische Mönchsorden haben ebenfalls andere Buddhisten dazu aufgefordert, die Rohingya sozial und wirtschaftlich zu isolieren. Darunter verstehen sie, die Rohingya einem Mangel an Nahrungsmitteln und anderen grundlegenden Bedarfsgütern und Diensten auszusetzen, und es ihnen unmöglich zu machen jegliches Einkommen zu erzielen.

Die Organisatoren des Terrors gehen sogar soweit, all jene zu bedrohen, deren Handeln ihren Absichten zuwider läuft. The Economist berichtet von einem Händler aus der Volksgruppe der Rakhine, der von einem buddhistischen Mob getötet wurde, weil er Muslimen in einem Dorf im Norden Rakhines größere Mengen Reis verkauft hatte. Aus anderen Berichten geht hervor, wie sehr diejenigen von Demütigung und Gewalt bedroht sind, die den Rohingya Hilfe gewähren.

Tausende Rohingya sehen ihre einzige Chance in der Flucht und in der Ansiedlung in Flüchtlingslagern. Diese befinden sich vor allem in den Stadtgebieten von Maundaw und Sittwe. Einmal in den Flüchtlingslagern angekommen, wird ihre Bewegungsfreiheit von der Regierung durch zahlreiche Restriktionen und Auflagen, wie zum Beispiel Ausgangssperren und Arbeitsverbote, massiv eingeschränkt. Die Lager wieder zu verlassen bedeutet oftmals, sich den Angriffen der örtlichen Rakhine auszusetzen.

Humanitäre Hilfe

Mittlerweile gibt es mehr als 140.000 Rohingya, die als Binnenflüchtlinge im Bundesstaat Rakhine leben, humanitäre Hilfe wird dringend benötigt. Der größte Teil der Hilfe für Myanmar stammt vom UNHCR, dessen Helfer Notunterkünfte und Feldküchen errichten. Humanitäre Unterstützung muss höchste Priorität haben, um den Tod zahlloser Menschen zu verhindern. Dennoch stehen Hilfsorganisationen massiven Schwierigkeiten gegenüber, einschließlich Einschüchterung und Drohungen, die verhindern, dass die Hilfe dorthin gelangt, wo sie am dringendsten gebraucht wird.

Zeugen berichten übereinstimmend, dass die Behörden des Staats Rakhine systematisch „die Verteilung von Hilfsgütern [an die Rohingya] behindert haben“, indem sie Lieferungen blockierten und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen bedrohten. Staatliche Stellen unternahmen nichts um dies zu unterbinden. Die Europäische Kommission drängte Präsident Thein Sein wiederholt, internationalen Hilfsorganisationen uneingeschränkten Zugang zu allen Hilfe benötigenden Gruppen zu gestatten.

Die Zustände innerhalb der Flüchtlingslager sind ebenfalls von Abgesandten der UNO und internationalen Nichtregierungsorganisationen scharf kritisiert worden. Die Lager für Binnenflüchtlinge werden als „in einer erbarmungswürdigen humanitären Situation“ beschrieben. Die meisten Menschen in diesen Camps haben keinen Zugang zu ausreichend sauberem Wasser, sanitären Einrichtungen, medizinischer Versorgung und Bildung; Unterkünfte sind zudem oft überfüllt.

Flucht

Aufgrund der Gewaltausbrüche gegen sie haben tausende Rohingya ihre Heimat Myanmar verlassen. Die Verfolgung der Rohingya in Myanmar ist nun schon seit Generationen im Gange. Bereits im Jahre 1978 wurden etwa 200.000 Rohingya aus Myanmar vertrieben, als das Militär „blutige Randale in Form von Mord, Vergewaltigung und Brandstiftung“ zur „ethnischen Säuberung“ lostrat. Dem folgten weitere Versuche, das Land von unliebsamen Minderheiten zu befreien. 1991 zwangen Angriffe des Militärs über 250.000 Rohingya über die Grenze nach Bangladesch zu flüchten. Es gibt also bereits eine lang anhaltende Vorgeschichte der Konflikte zwischen muslimischen Rohingya und buddhistischen Rakhine. Ein Zwischenfall vom 28. Mai 2012, als eine Rakhine-Frau – angeblich von drei Muslimen – vergewaltigt und ermordet wurde, diente lediglich als Anlass für weitere gewalttätige Ausschreitungen.

Im Juni 2012 reagierte Bangladesch auf die enorme Zahl flüchtender Rohingya indem es seine Grenzen schloss. Einigen ist es dennoch gelungen dorthin zu flüchten; seitdem haben zahlreiche weitere Rohingya die Grenze überschritten und sich an die Einheimischen um Hilfe gewandt. Schätzungen gehen von etwa 30.000 myanmarischen Flüchtlingen in Flüchtlingslagern in Bangladesch aus, sowie von weiteren 300.000 nicht registrierten Personen, die keinerlei Zugang zu Schutz oder humanitärer Hilfe haben. Diese Flüchtlinge sind über einen Zeitraum von Jahrzehnten hinweg nach Bangladesch gekommen, um Gewalt und Vorurteilen in Myanmar zu entfliehen. Zahlreiche Rohingya sind auf der gefahrvollen Flucht umgekommen oder mussten extremen Hunger oder Durst leiden. Bangladesch hat einigen besonders gefährdeten Familien Unterkunft, Verpflegung und Kleidung zugesagt, weist aber immer noch zahlreiche Boote ab, die an seiner Küste zu landen versuchen. Weitere Zehntausende wagen regelmäßig die gefährliche Überfahrt über das Meer nach Thailand, Malaysia und Indonesien und hoffen auf Asyl. Doch die Lage ist sehr kompliziert, denn niemand möchte die Rohingya im Land haben.

Das Europäische Parlament appellierte an die Nachbarländer, ihre Grenzen zu öffnen und Asylsuchende einreisen zu lassen. Als offiziell registrierte Flüchtlinge erhalten sie die Hilfe, die sie dringend benötigen. UNHCR unterstützt diese Bitte und fordert von den myanmarischen Behörden sich des Grundproblems dieser landesweiten Krise anzunehmen.

Was bringt die Zukunft?

Der frühere Präsident der Internationalen Gesellschaft für Völkermordforschung, Professor William Shabas, meinte im März 2013 zu dieser Entwicklung, „all dies sind Warnzeichen, dass es [bald] durchaus gerechtfertigt sein könnte, den Begriff ´Völkermord´ zu benutzen“.

Wenn man dies berücksichtigt, stellt sich die Frage, welche Zukunft die Rohingya und die Rakhine haben werden. Es bleibt nur zu hoffen, dass internationaler Druck und individueller Gerechtigkeitssinn dazu führen, in Myanmar – und den umliegenden Ländern, die ebenfalls eine Rolle für das Schicksal dieser diskriminierten Gruppe spielen – Maßnahmen einzuleiten, um die Lebenssituation der Rohingya zu verbessern. Alle Parteien müssen umgehend ihre moralischen und humanitären Verpflichtungen wahrnehmen.

Der lawinenartige Sieg der National League for Democracy (NLD) von Aung San Suu Kyi im November 2015 stimmt internationale Beobachter positiv. Allerdings dämpfen enge Vertraute der Friedensnobelpreisträgerin die Erwartungen: Eine Besserung der dramatischen Lage der muslimischen Minderheit Rohingya gilt nicht als Priorität. Schon vor den Wahlen geriet die Nobelpreisträgerin für ihr Schweigen zum Leiden der Minderheit in die Kritik.

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