50 Jahre Helsinki-Abkommen

Am 1. August 1975 bekannten sich 35 Unterzeichnerstaaten, Vertreter des „West- und Ostblocks“, zu den im Helsinki-Abkommen genannten fundamentalen Prinzipien. Heute sind Meinungs-, Informations- und Versammlungsfreiheit in Russland faktisch nicht existent. Die IGFM warnt vor der stark gefährdeten Sicherheit Europas und einer möglichen Ausweitung des Ukraine-Krieges auf EU-Territorium.
Foto: IGFM-Archiv // Bundesarchiv, Bild 183-P0801-026 / Horst Sturm / CC-BY-SA 3.0
50 Jahre Helsinki-Abkommen
IGFM: Sicherheit in Europa zerstört
Keine Menschenrechte mehr in Russland – ukrainische Zivilisten werden gedemütigt, gefoltert und getötet
Frankfurt am Main, 30. Juli 2025 – Fünf Jahrzehnte nach der Unterzeichnung des Helsinki-Abkommens sind Menschenrechte in Russland faktisch inexistent und die Sicherheit Europas so stark gefährdet wie noch nie, warnt die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM). In der Ukraine begeht Russland schwerste Verbrechen an Millionen Menschen. Eine Ausweitung des Krieges auf EU-Territorium ist möglich und nur ein entschiedenes und starkes Europa kann dies verhindern, warnt die IGFM.
„In den besetzten Gebieten der Ukraine werden seit Jahren Zivilisten gefangen genommen, gefoltert, verschleppt oder getötet. Ukrainische Kinder werden willkürlich nach Russland deportiert oder für den Kampf gegen die Ukraine ausgebildet. In sogenannten „Filtrationslagern“ und Folterkellern begehen russische Truppen grausame Verbrechen. Eine Ausweitung des russischen Angriffskriegs ist möglich“, berichtet Edgar Lamm, IGFM-Vorsitzender.
Abkehr von Prinzipien des Helsinki-Abkommens
Am 1. August 1975 bekannten sich 35 Unterzeichnerstaaten, Vertreter des „West- und Ostblocks“, zu den im Helsinki-Abkommen genannten fundamentalen Prinzipien. Heute sind Meinungs-, Informations- und Versammlungsfreiheit in Russland faktisch nicht existent. Russische Großstädte sind mit Videoüberwachungssystemen mit Gesichtserkennung durchdrungen. Angehörige ethnischer Minderheiten werden überproportional häufig an die Front geschickt, kritische Stimmen – verfolgt, verhaftet oder ins Exil gezwungen. Bereits harmlose Äußerungen in sozialen Medien können zu langer Gefängnishaft führen, auch für Jugendliche und Minderjährige. Oppositionelle Politiker, Journalisten und Aktivisten werden zunehmend auch im Ausland bedroht oder sogar ermordet, betont die IGFM.
Permanenter digitaler Zugriff des FSB
Internationale Internet-Plattformen wie Meta-Produkte sind als „extremistisch“ verboten, YouTube wird durch staatliche Einflussnahme verlangsamt. WhatsApp steht kurz vor dem kompletten Verbot. Stattdessen soll bald der neue staatlich überwachte Messenger „Max“ auf allen digitalen Geräten vorinstalliert werden – mit permanenter Zugriffsmöglichkeit des FSB. Seit Februar 2022 schafft die russische Regierung jegliche Restbestände bürgerlicher Freiheiten systematisch ab und schließt unabhängige Medien und NGOs, wie auch die Moskauer Helsinki-Gruppe im Januar 2023 – einer der ältesten Menschenrechtsorganisationen Russlands, die 1976 zur Überwachung der Einhaltung der Helsinki-Prinzipien gegründet wurde.
IGFM und Helsinki-Gruppen
Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte nahm an allen Konferenzen von 1977 bis zur Umbenennung der KSZE in OSZE im Jahre 1995 teil und war eine prägende und nachhaltige Kraft bei der Unterstützung von aus politischen Gründen Verfolgten und Gefangenen. Über Jahre hielt die IGFM engen Kontakt zu den Mitgliedern der Helsinki-Gruppen. Sie veröffentlichte zahlreiche Berichte wie z.B. über den „Missbrauch der Psychiatrie zu politischen Zwecken“ und andere Dokumente, auch aus dem Samisdat, der Untergrundliteratur der sowjetischen Bürgerrechtsbewegung.
Bereits 2012 warnte der Leiter der IGFM-Sektion Russland Vladimir Nowitski, Rechtsanwalt und Experte für europäische Rechtsgeschichte in seiner Analyse der damaligen Einführung des russischen Gesetzes „Über ausländische Agenten“ vor der Rückkehr in stalinistische Zeiten. Eine Warnung, die die IGFM seither stetig erneuern und ausweiten musste. Im Jahr 2023 beschuldigte die IGFM das Putin-Regime, die direkte Nachfolge des Sowjetregimes angetreten zu haben. Heute ist die rechtliche Willkür gar größer als zu poststalinistischen Sowjetzeiten, wo zumindest jeder politische Gefangene eine Anklage erhielt, auch wenn diese noch so abstrus war. Dieses „Mindestmaß“ ist beispielweise seit dem russischen Angriffskrieg für Abertausende von Russland inhaftierten ukrainischen Zivilisten nicht mehr gegeben: Niemand weiß wo sie inhaftiert sind, wie es ihnen geht, ob sie noch am Leben sind.
Die IGFM nahm an allen KSZE-Folgekonferenzen teil. Am erfolgreichsten war für die damals noch GFM (Gesellschaft für Menschenrechte) die Konferenz 1977 in Belgrad. IGFM-Vorsitzender Edgar Lamm erinnert sich an diese Zeit.