Türkei: Einzelhaft wegen Video 

Das Foto zeigt Nedim Türfent. Bildquelle: „Free Turkey Journalists“

IGFM: Türkei muss Pressefreiheit und Schutz von Minderheiten respektieren

Yüksekova/Frankfurt am Main, 28. September 2020 – Die türkische Regierung geht seit Jahren rigoros gegen kritische Medien vor. So wurde der kurdische Journalist Nedim Türfent nach der Veröffentlichung eines Videos am 12. Mai 2016 verhaftet und am 15. Dezember 2017 wegen „Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation“ zu einer Haftstrafe von acht Jahren und neun Monaten verurteilt. In dem Video war zu sehen, wie Sondereinsatzkräfte der türkischen Polizei Bauarbeiter misshandelten und bedrohten. Wie die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) berichtet, sitzt Nedim Türfent seitdem in Einzelhaft und leidet unter den erschwerten Haftbedingungen während der Coronakrise.

„Berichterstattung über Missstände oder das Fehlverhalten von Polizei, Justiz oder Beamten wird von Präsident Erdogan mit allen Mitteln unterbunden. Pressefreiheit und der Schutz von ethnischen Minderheiten sind allerdings essentielle Menschenrechte, an die sich auch die türkische Regierung halten muss. Im Fall Nedim Türfent wurde wie so oft in der Türkei nicht derjenige bestraft, der das Verbrechen begangen hat, sondern derjenige, der es aufgedeckt hat“, so IGFM-Vorstandsmitglied Vasilis Pavegos.

Auszeichnungen und Morddrohungen

Nedim Türfent arbeitete als Korrespondent für die inzwischen verbotene Nachrichtenagentur Dicle Haber Ajansi und hatte es sich zur Aufgabe gemacht, aus den abgelegenen Städten an der Grenze zu Syrien zu berichten. Als es im Jahr 2015 in den mehrheitlich von Kurden bewohnten Gebieten der Türkei zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Demonstranten kam, erhielt Türfent ein Video, das zeigte, wie Sondereinsatzkräfte der türkischen Polizei kurdische Arbeiter auf einer Baustelle in Yüksekova mit Handschellen gefesselt auf den Boden drückten und sie bedrohten. Er veröffentlichte das Video am 8. August 2015 und erhielt für diese Berichterstattung den Musa Anter Journalism Award, aber auch einige Morddrohungen. Am 12. Mai 2016 wurde er schließlich festgenommen, die Anklageschrift aber erst nach 300 Tagen vorgelegt. Der Prozess dauerte insgesamt sechs Monate. Obwohl einige Zeugen währenddessen zugaben, zu ihrer Aussage genötigt worden zu sein, wurde Nedim Türfent am 15. Dezember 2017 wegen „Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation“ zu acht Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Das Urteil wurde am 21. Mai 2019 vom Obersten Gerichtshof bestätigt.

Unmenschliche Haftbedingungen

Die IGFM kritisiert die Verurteilung des Journalisten und weist auf die unmenschlichen Haftbedingungen hin, die Nedim Türfent seit vier Jahren ertragen muss: Er wird in Einzelhaft in einer winzigen Zelle festgehalten, sogar Blickkontakt mit den Zellennachbarn ist ihm untersagt. Erst auf Druck seines Anwalts wird ihm inzwischen Hofgang erlaubt. Außerdem darf der Journalist nur alle zwei Wochen einen Anruf tätigen und nur alle zwei Monate Besuch empfangen. Zusätzlich wird er regelmäßig einer Leibesvisitation unterzogen. Obwohl sich die Haftbedingungen im Zuge der Pandemie deutlich verschlechtert haben, hat das Gericht eine „Notevakuierung“ abgelehnt. Auch während seiner Inhaftierung ist Türfent im Rahmen seiner Möglichkeit journalistisch tätig.

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