Christenverfolgung auf einen Blick

Christenverfolgung auf einen Blick

Eine durch eine Explosion aus den Angeln gerissene Kirchentür im Irak. Für Millionen Menschen ist ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit und Sicherheit noch ein ferner Traum. Bild: IGFM

Christenverfolgung – ein globales Problem

Diskriminierung und Verfolgung von Andersdenkenden und Andersgläubigen ist ein globales Problem, das in das Leben von Millionen Menschen eingreift – das gilt für Christen ebenso wie für viele andere Religionsgemeinschaften. In etwa einem Viertel aller Länder der Erde sind die Einschränkungen durch die Regierungen oder gesellschaftliche Anfeindungen gegenüber einzelnen oder mehreren Religionsgruppen hoch oder sehr hoch.
Einige der bevölkerungsreichsten Staaten gehören zu dieser Gruppe, wie China, Indien, Indonesien und Pakistan. Daher leben in ihnen zusammen in etwa drei Viertel der Weltbevölkerung. Das bedeutet allerdings nicht, dass alle Einwohner dieser Länder gleichermaßen betroffen sind. Die Situationen innerhalb der einzelnen Staaten und für verschiedene Personengruppen sind zum Teil sehr unterschiedlich.

Wo werden Christen am schlimmsten verfolgt?

Hauptursachen

Die Hauptursachen für die Verfolgung von Christen und anderen Religionsgemeinschaften sind religiöser Fanatismus und der Wille autoritärer Regime, alle gesellschaftlichen Gruppen in ihrem Machtbereich zu kontrollieren oder konkurrierende Weltanschauungen zu unterdrücken. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Verknüpfung von Religion mit Nationalismus oder Tribalismus. Am schlimmsten ist die Situation in Regionen, in denen extremistische islamische Gruppen einen starken Einfluss haben, wie in Teilen Syriens und des Irak, in Pakistan, Afghanistan, dem Norden Nigerias u.a.m. Eine Sonderrolle nimmt das diktatorisch regierte Nordkorea ein, das alle Religionen mit größter Grausamkeit verfolgt.

Warum werden Christen verfolgt?

Trends

Die große Masse der Menschen, die wegen ihres Glaubens diskriminiert werden, leidet vor allem unter einem gesellschaftlichen Klima, dass sie ausgrenzt, benachteiligt und sie oft auch demütigt. Seit Jahren steigt in sehr vielen Ländern der Erde der Einfluss eines politischen und fundamentalistischen Islams. Dadurch wird langsam aber nachhaltig das Klima zwischen den Religionsgruppen vergiftet und der Boden für Gewalt und offenen Extremismus bereitet. Gruppen wie der (nicht wirklich überwundene) „Islamische Staat“, Boko Haram, die Taliban usw. sind nicht die Ursache, sondern die Folge dieser Langzeitentwicklung. Das Grundproblem liegt in einem fundamentalistischen Islamverständnis, dass u.a. durch die Ausbildung von Geistlichen, Lehrinhalte an Schulen, islamistische Fernsehsender und den Export von extremistischem Gedankengut, z.B. durch Saudi-Arabien, immer weiter an Einfluss gewinnt. In Ländern wie Pakistan ist fundamentalistisches Gedankengut längst der Mainstream. Länder, die lange als liberal galten, wie z.B. Indonesien, haben sich in den vergangenen Jahrzehnten spürbar verändert und tun dies weiter. Eine ähnliche aber weniger gleichförmige Entwicklung zeigt sich im Hindu-Nationalismus in Indien und beginnend in Nepal. Auch buddhistisch-nationalistische Strömungen, vor allem in Myanmar, aber auch in Sri-Lanka und Thailand, grenzen Minderheiten zunehmend aus. Am häufigsten und am stärksten leiden hier Muslime, vor allem die Volksgruppe der Rohingya.

Werden Christen stärker verfolgt als andere Religionsgemeinschaften?

Die Volksrepublik China arbeitet daran, jeden einzelnen ihrer Bürger lückenlos digital und sozial überwachen zu können. Die herrschende kommunistische Partei baut dafür die technische Infrastruktur in einem gewaltigen Umfang auf. Das „sozial-Kredit“ Bewertungssystem soll bis 2020 für alle Bürger verpflichtend eingeführt werden. In großen Städten werden flächendeckend hochauflösende Digitalkameras mit Gesichtserkennungssoftware eingerichtet, um ein möglichst umfassendes Profiling jedes Chinesen zu ermöglichen. Als Konsequenz für jeden Bürger Chinas, der die Vorgaben der kommunistischen Partei überschreitet, drohen willkürliche Haft und Ausbeutung als Arbeitssklave. Das Arbeitslagersystem in China ist das größte der Welt. Zur Zeit richtet sich die Verfolgung vor allem auf Muslime, die Meditationsschule Falun Gong, einige andere Meditationsschulen und Freikirchen. Die sehr begrenzte „Freiheit“, in der chinesische Christen leben, ist rein willkürlich. Rechtssicherheit gibt es in der Volksrepublik für niemanden. Der Trend zur totalen Überwachung zeigt, dass die Rückzugsräume für eine freie Ausübung des Glaubens weiter schrumpfen.

Verwechslung des Dauerzustandes mit Normalität

Von einem Leben in Freiheit – einschließlich Religionsfreiheit – können auch Millionen andere Menschen nur träumen. In vielen Staaten mit muslimischer Mehrheitsbevölkerung sind Christen, andere Nichtmuslime und Atheisten von einer Gleichberechtigung weit entfernt. Sie sind Bürger zweiter und dritter Klasse, wenn sie als Christen überhaupt Bürger ihres eigenen Landes sein dürfen. Die Ausgrenzung und Benachteiligung der einheimischen Christen und anderer Nicht-Muslime ist in der islamischen Welt der Regelfall, nicht die Ausnahme. Das Bedrückende an dieser Situation ist, dass sich die meisten westlichen Beobachter an den Status Quo so sehr gewöhnt haben, dass er von vielen als „normal“, ja beinahe als „friedliches Miteinander“ wahrgenommen wird, als Teil einer „anderen Kultur“, die man nicht kritisieren dürfe.

Wann spricht man von Christenverfolgung?

Ein objektives Kriterium ist die rechtliche Situation und die tatsächliche Umsetzung internationaler Menschenrechtsstandards. Daran gemessen kann von Gleichberechtigung und Schutz vor Diskriminierung in der Mehrheit der muslimischen Staaten keine Rede sein. Oft werden nicht-christliche religiöse Minderheiten in muslimisch geprägten Gesellschaften sogar noch stärker benachteiligt. Viele dieser Staaten missachten stillschweigend sowohl die Grundsätze der Vereinten Nationen als auch völkerrechtlich bindende Verträge, die sie selbst ratifiziert haben. Genauso stillschweigend nehmen westliche Regierungen und Gesellschaften dieses Unrecht hin – obwohl sie selbst das Recht und die moralische Pflicht hätten, die Einhaltung der von ihnen mitabgeschlossenen Verträge einzufordern. Dort, wo Christen und andere Minderheiten verfolgt werden – und selbst in Deutschland – fehlt ein Bewusstsein dafür, dass Menschenrechte nicht gnädig „gewährt” werden: Sie stehen allen Menschen zu, und es ist die elementare Pflicht jeder Regierung sie zu gewährleisten.

Auf viele zentrale Fragen gibt es leider keine einfachen Antworten – aber es gibt einige Grundmuster, die sich immer wieder zeigen:

  • Wenn Christen verfolgt werden, sind sie immer nur eine von mehreren verfolgten Gruppen. Und wo das Recht auf Religionsfreiheit verletzt wird, werden immer auch anderen Menschenrechte missachtet. Es handelt sich um ein globales Problem fehlender Menschenrechte, unter dem weltweit Millionen Menschen leiden.
  • Viele Länder haben ihre ganz eigenen Gegebenheiten. In einigen werden andere Glaubensgemeinschaften erheblich stärker diskriminiert oder verfolgt als die dortigen Christen.
  • In manchen Staaten und Regionen sind Christen die größte verfolgte Gruppe. Da das Christentum die weltweit größte Religionsgemeinschaft ist, würde alles andere auch überraschen. In einer Reihe von Ländern sind dennoch andere Glaubensgemeinschaften zahlenmäßig stärker von Diskriminierung oder Verfolgung betroffen als die dortigen Christen.
  • Verschieden Christliche Gruppen werden in ein und demselben Land oft völlig verschieden behandelt. Die Unterschiede sind oft so groß, dass es irreführend wäre, generell von Christenverfolgung in diesen Ländern zu sprechen.
  • Es gibt große Willkür bei der Verwendung von Begriffen – und keinerlei Einigkeit darüber, ab wann man z. B. von Verfolgung und Diskriminierung sprechen kann oder sollte.
  • Zahlen erwecken den Anschein von Genauigkeit und echtem Wissen. Viele „Schätzungen“ variieren aber erheblich – in Extremfällen bis um das Tausendfache. Manche Zahlen scheinen frei erfunden zu sein. Auch wenn solche Zahlen in bestem Glauben zitiert werden, so bleiben sie unsicher oder falsch.
  • Religion ist oft ein wichtiger Grund für Verfolgung – sehr oft aber nur einer von mehreren.
  • In den meisten betroffenen Ländern, geht die größte Gefahr für Christen von religiösem Fundamentalismus aus – ganz überwiegend islamischem Fundamentalismus. Aber auch Hindu- und Buddhistischer Extremismus sind eine erhebliche Bedrohung für Andersgläubige.
  • Die nächstgrößte Ländergruppe, in denen Christen und andere Religionsgruppen diskriminiert oder verfolgt werden sind Diktaturen mit kommunistischer oder sozialistischer Prägung.
  • Christen sind nicht nur Opfer, sondern in einigen Ländern auch Täter – und manchmal beides zur selben Zeit. Dominierende Kirchen unterdrücken in einigen Staaten konkurrierende christliche Bekenntnisse. Diskriminierte orientalische Kirchen verbünden sich mit Islamisten gegen Liberale und Atheisten. Auch christliche Milizen haben schwerste Menschenrechtsverletzungen verübt.

Wie viele Christen werden wegen ihres Glaubens getötet?

Hinterfragenswerte Statistiken zu Religionsfreiheit und Christenverfolgung

”Injustice anywhere is a threat to justice everywhere.“

Also ist alles zu kompliziert? Lieber doch schweigen bevor man jemandem Unrecht tut? Eigentlich kann man ja doch nichts tun? Keinesfalls! Das Zitat von Martin Luther
King Jr. sollte jedem vor Augen stehen. Frei übersetzt erkannte King: Unrecht, wo immer es geschieht, ist überall eine Bedrohung der Gerechtigkeit. Er wurde 1968 in Memphis erschossen. Nicht weil er ein prominenter Baptistenpastor war, sondern für seinen gewaltlosen Kampf gegen Rassismus. Rückblickend war einer der entscheidenden Erfolgsfaktoren, dass die Bürgerrechtsbewegung konkretes Unrecht angeprangert hat aber gleichzeitig alles dafür tat, um Vorurteile und Gruppendenken zu überwinden. Dieser sehr erfolgreiche Ansatz hat in der Praxis sehr bildlich gezeigt, dass ein Denken in Gruppen – wie „die Muslime“, „die Christen“ usw. – zu kurz greift und letztlich einer Lösung im Weg steht.
In der Islamischen Republik Iran diskriminiert das islamische Recht Christen drastisch. Andere Gruppen, wie Bahai, Atheisten oder auch Frauen werden aber noch deutlich stärker diskriminiert. Gleichzeitig sind die mutigsten Verteidiger für die Rechte von Christen und Konvertiten nicht Christen, sondern muslimische Menschrechtsverteidiger. In Deutschland mussten Frauen lange für ihre Rechte kämpfen, bis schließlich Männer, die an den Hebeln der Macht saßen, das Frauenwahlrecht und andere Rechte tatsächlich einführten. In den 60er Jahren haben farbige US-Amerikaner unter größten Opfern für ihre Bürgerrechte gekämpft. Erfolgreich war dieser Kampf letztlich, weil auch Weiße dieses Anliegen als Bürgerrechtler, Politiker und Richter zu ihrem eigenen und gemeinsamen Anliegen gemacht haben. Für den Einsatz für verfolgte Christen gilt dasselbe. Erfolgreich kann er nur sein, wenn es ein gemeinsamer Kampf ist – gegen Unrecht und Extremismus und für Menschrechte für alle.

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