Nasrin Sotoudeh
Die Menschenrechtsanwältin wurde aufgrund von Anklagepunkten rund um ihren Einsatz gegen den Kopftuchzwang im März 2019 zu 33 Jahren Haft und 148 Peitschenhieben verurteilt. Fünf Jahre Haft kamen aus einer vorherigen Verurteilung hinzu. Von den insgesamt 38 Jahren Haft, sind 12 Jahre Haft vollstreckbar. Seit 2021 gewährte man ihr medizinischen Hafturlaub, weshalb sie vorübergehend aus dem Gefängnis freigelassen wurde. Am 29. Oktober 2023 verhaftete man sie erneut.
Anwältin zu 38 Jahren Haft verurteilt
Verhaftung und Urteil
Die Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotoudeh, die bereits seit Jahrzehnten um die Rechte von Frauen, Kindern und verfolgten Minderheiten im Iran kämpft, wurde am 13. Juni 2018 in ihrem Zuhause festgenommen. Ihr Ehemann, der sie in den sozialen Medien öffentlich unterstützt, wurde am 4. September 2018 ebenfalls verhaftet. Im März 2019 wurde Nasrin aufgrund von „Anstiftung zur Korruption und Prostitution“, „offenes sündhaftes Auftreten in der Öffentlichkeit ohne Kopftuch“ und „Störung der öffentlichen Ordnung“ verklagt und verurteilte sie zu 33 Jahren Haft und 148 Peitschenhieben. Fünf Jahre kamen aus einer vorherigen Verurteilung hinzu. Von den insgesamt 38 Jahren Haft, werden 12 Jahre Haft vollstreckt. Die Anklagepunkte betrafen ihren Einsatz gegen den Kopftuchzwang. Während der Verurteilung wurde Artikel 134 des iranischen Strafgesetzbuches angewendet, die es dem Richter nach eigenem Ermessen erlaubt, eine höhere Strafe als gesetzlich vorgesehen, zu verhängen. Wenige Zeit später trat sie in einen Hungerstreik, um die Freiheit aller politischen Gefangenen zu fordern. Im Juli 2021 durfte sie das Gefängnis aufgrund der Gewährung eines medizinischen Hafturlaubs für längere Zeit verlassen. Am 29. Oktober 2023 verhaftete man sie erneut, weil sie an der Beerdigung der Schülerin Armita Garawand teilnahm. Ihr Ehemann berichtete, dass sie während ihrer Verhaftung brutal von „Sicherheitskräften“ geschlagen worden sei.
Vorherige Verhaftungen
Im Jahr 2006 gründete Nasrin Sotoudeh zusammen mit der iranischen Nobelpreisträgerin Shirin Ebadi das „Zentrum für den Schutz von Menschenrechten“. Nach den Wahlen im Jahr 2009 verschärfte das Regime die Verfolgung von Dissidenten, Journalisten und Menschenrechtsaktivisten dramatisch. Nasrin wurde am 4. September 2010 verhaftet und wegen „Propaganda gegen das Regime“ und „Aktivitäten gegen die nationale Sicherheit“ angeklagt und zu elf Jahren Haft, sowie 20 Jahre Arbeits- und Ausreiseverbot verurteilt. Grund hierfür war die Verteidigung von Demonstranten der oppositionellen „Grünen Bewegung“. Das Berufungsgericht reduzierte die Haftstrafe auf sechs Jahre und das Ausreiseverbot und Tätigkeitsverbot auf zehn Jahre. Anfang 2011 wurde sie zu weiteren fünf Tagen verurteilt, weil sie einen „schlechten Hijab“ trug und gegen die Behandlung ihres Falles protestierte. Nachdem sie eine dreijährige Haftstrafe verbüßte, wurde sie am 18. September 2013 freigelassen. Allerdings durfte sie bis 2022 weder den Iran verlassen, noch politische Fälle vertreten.
2016 wurde erneut ein Verfahren gegen Nasrin eröffnet, an dem sie allerdings nicht teilnehmen durfte. Grund hierfür war ihre Kleidung, die nicht den Vorschriften entsprach. Sie wurde in ihrer Abwesenheit zu fünf Jahren aufgrund von „Spionage“ verurteilt.
Im Oktober 2020 wurde sie ins Qarchak Gefängnis verlegt, das für seine schlechten sanitären Bedingungen bekannt ist. Den Insassen fehlt dort immer wieder medizinische Versorgung und genügend Nahrungsmittel.
Protest durch Hungerstreik
Am 25. September 2010 trat sie in einen Hungerstreik, um gegen die Tatsache zu protestieren, dass ihr Familienbesuche und Anrufe verweigert wurden. Sie befand sich vier Wochen lang im Hungerstreik. Am 17. Oktober 2010 trat sie in einen weiteren Hungerstreik, der 49 Tage andauerte. Diesen beendete sie als eine Gruppe von Parlamentsmitgliedern das Evin-Gefängnis besuchte, in dem sie festgehalten wurde und die Gefängnisbeamten unter Druck setzte, die neu auferlegten Beschränkungen aufzuheben. Während Sotoudehs Haft verbot man Nasrins Ehemann, Reza Khandan und ihrer Tochter das Land zu verlassen. Im Oktober 2022 wurde ihrer Tochter Mehraveh Khandan bereits zum dritten Mal die Ausreise verweigert. Ihr Reisepass wurde am Flughafen beschlagnahmt.
Auszeichnungen wegen Einsatz für Menschenrechte
Sie erhielt eine Reihe von Auszeichnungen für ihre Verteidigung von Menschenrechten und der Meinungsfreiheit. Darunter 2011 den Pen/Barbara Goldsmith Freedom to Write Award und 2012 den Sacharow- Preis für geistige Freiheit des europäischen Parlaments. Im November 2022 wurde sie außerdem auf dem 8. Weltkongress gegen die Todesstrafe in Berlin mit dem Robert Badinter Award ausgezeichnet. Mit einem Brief forderte sie die internationale Gemeinschaft auf, die Situation im Iran aufmerksam zu verfolgen: „I ask all the world and this congress to be eyes and ears of Iranians during these difficult days. Days that see young people who’ve used their legal right to participate in the “Woman, Life, Liberty” protests, unfairly sentenced to death. Changing the government’s behaviour towards protesters and restricting the judiciary from executing protesters, will help to abolish the death penalty in the future Iran.“
Zur Person
Nasrin Sotoudeh wurde 1963 in Teheran geboren. Sie studierte Philosophie und erwarb ihren Masterabschluss im internationalen Recht an der Shahid Beheshti Universität. 1995 legte sie schließlich die Anwaltsprüfung ab, aber erhielt erst acht Jahre später ihre Zulassung.
In den Jahren vor den umstrittenen Präsidentschaftswahlen 2009 vertrat sie zahlreiche Angeklagte in vielen politischen und Menschenrechtsfällen, darunter beispielsweise die Friedensnobelpreisträgerin Shirin Abadi. Weiterhin übernahm sie viele Fälle von Kindesmissbrauch und Minderjährigen in der Todeszelle. Auf die Frage warum sie Menschenrechtsverteidigerin wurde, erklärte sie in einem Interview: „Wenn ein Anwalt Zeuge unfairer Verfahren wird, wenn ein Anwalt Zeuge der Hinrichtung von Minderjährigen wird, muss er entweder den Rücken kehren oder sich dem Problem stellen, dessen Zeuge er ist.“. Sie setzte sich gegen den Kopftuchzwang ein und kämpfte gegen die Todesstrafe im Iran. In einem offenen Brief wandte sie sich zusammen mit Mohammad Seifzadeh (Anwalt und Menschenrechtsaktivist) an den Justizchef in Teheran und forderte ihn auf, Hinrichtungen von Demonstranten zu verhindern.
Stand: Oktober 2023